Jamiroquai, London, Forum
Jamiroquai sind die Oasis des Funk, und das soll bitteschön nicht negativ verstanden sein. Was Oasis mit lohn Lennon machen, taten Jason Kay und seine funkenden Kumpels schon zwei Jahre früher, nur eben mit Eddie Harris, Gil Scott-Heron und Stevie Wonder. Und statt den kurzen dummen Sprüchen übers Mannsein, mit denen Liam Gallagher unseren Alltag auf- lockert, klopfte Jay Kay, alias Mr. Jamiroquai, gern Plattitüden über die Rettung der Erde. Ob und wie man die Resultate goutiert, hängt davon ab, wie eng man mit den idolisierten Vorgängern vertraut ist. Nein, die leidige Debatte, wie statthaft es ist, dem Groove vergangener Hitparaden auf solche Elstern-Art Tribut zu zollen, soll hier nicht wiederheraufbeschworen werden. Was gefällt, gefällt, und damit basta. Der Meinung ist ja auch der Herr Spacecowboy – und dazu die 300.000 Briten, die sein neuestes, drittes Album unterdessen auch wieder mit Platin überzogen haben. Dennoch bin ich denn wirklich der einzige unter den 2210 Fans im ‚Forum‘, die meinen: Wenn schon Earth, Wind & Curtis Mayfield, dann doch lieber die Originale als eine gehobene Tribut-Kombo? Daß die Londoner Gigs überhaupt stattfinden, ist ein kleines Wunder. Mußte Jay Kay doch kurzfristig die ganze vorangegangene England-Tournee kippen, weil ihn eine heftige Gürtelrose ans Bett geschnallt hatte. „Geradewegs aus dem Krankenbett!“ witzelt er, als er im alten Wichtelmännchenstil auf die Bühne zappelt, daß der gigantische rosarote Hut schaukelt wie auf hoher See. „Music is my drug“, deklamiert er und stürzt seine Musikanten sogleich in einen beschwingt synkopierten Dance-Groove, der eineinhalb Stunden nicht mehr abbricht. Dabei hätte man angesichts des üppigen Kräuterduftes in der Halle schwören können, daß dem quirligen Sänger da noch andere Medizin unterstützt. ‚Emergency On Planet Earth‘ und ‚Space Cowboy‘ kommen als nächstes: Evergreens aus dem frühen Repertoire, die der Instant-Ekstase nach zu schließen weite Teile des jungen Publikums an die Schmusereien ihrer ersten Parties erinnert. Hinter dem pausenlos herumflippenden Kay sorgt eine kompetente, doch anonyme Band für handwerklich saubere Begleitung. Die beiden Trompeter und der Saxophonist vollführen ihre Sätze mit besonderem Bravour. Sonst steht und fällt der Swing-Quotient mit der Qualität der jeweiligen Arrangements. Und da gibt es doch ein paar längere Passagen, bei denen die Daumenschläge von Bassist Stuart Zender mit dem doppelt geführten Schlagzeug nicht harmonieren, und wo Kays wortreicher Gesang ziemlich ziellos herumirrt.
Überraschen tut indessen der Mut, den größten Teil des Sets aus Titeln vom neuen Album bestehen zu lassen – und auch die Tatsache, daß das Publikum auch diese schon auswendig zu kennen scheint. ‚Cosmic Girl‘, ‚Virtual Insanity‘ und ‚Travelling Without Moving‘ mit dem röhrenden Ferrari zum Start fahren besonders potent ein. Tiefpunkte gibt’s auch: Der Scratcher am rechten Bühnenrand bleibt weitgehend ungehört, einige Jams sind Schema F pur, und die Instrumental-Stücke, bei denen Wallis Buchanans Didgeridoo zum Zug kommt, bestehen durchwegs aus Blei. Ein faires abschließendes Urteil? Für Nicht-Fans eine passable Elstern-Schau mit Längen, bei der sich die Frage stellt, wie eine Band, die so gern von spontaner Inspiration redet, nunmehr drei Alben lang kaum vom musikalischen Fleck gewichen ist. Für die Fans natürlich noch immer das Größte – und hoffentlich überzeugender Geschichtsunterricht.