Jane’s Addiction
„COOL“ IST EIN INZWISCHEN VIEL ZU HÄUFIG, wahllos verwendeter und deshalb zur Worthülse verkümmerter Amerikanismus. Erinnern wir uns aber an die wahre Bedeutung von cool, dann kann man behaupten: Jane’s Addiction sind cool. Sie sehen fantastisch aus, mit Körpern frisch aus dem Traum pubertierender Groupies, mit guten Tattoos, halbnackt, in Federboas, Netzstrumpfhosen und Antennen-Zöpfen. Sie spielen elektrisch, laut und schlau. Sie haben ein dezentes, schönes Bühnenbild, in dessen Hintergrund noch schönere Stripperinnen wenig dezent tanzen.
Nach dem betörenden Opening Act Goldie war das aufgedrehte Publikum bereit für Jane. 6.000 passen rein ins Universal Amphitheater, ca. 8.000 kamen heute rein. Da war dann der ein oder andere Sitz doppelt besetzt, und manch einer fand sich auf dem Schoß eines Transvestiten oder ähnlichem wieder. Aber egal. Jane ist L.A.s Hausband, und um die nach sechs Jahren Pause wiederzusehen, hätte hier jeder noch wesentlich Ärgeres in Kauf genommen. Daß die Band einen neuen Bassisten hat, stört auch nicht – solange es sich dabei um den der Chili Peppers, der anderen L.A.-Hausband handelt. Was für ein Start: Das MC5-mäßige „Ocean Size“, der zeppelinesque „Mountain Song“… die Band ließ keine Zweifel aufkommen: Heute würde ohne angezogene Handbremse gespielt.
Jane’s Addiction würden dahin gehen, wo es wehtut und jeden mitnehmen, der mitwollte.
Alle wollten. Was für eine Riesensause. Keine großen Experimente bei der Songauswahl. Alle Kracher – von „Caught Stealing“, über „Slow Divers“ bis hin zum wirklich guten neuen „So What!“-wurden gespielt. Und zwar mit einer Coolness, die dem Ganzen unvergleichliche Grandezza verlieh.
Sicher: Perry Farrells Neo-Hippiezismen, seine oft wirren Ansprachen über das Delphinsterben und U.F.O.s sind nicht nach jedermanns Geschmack. Auch Dave Navarros ausufernde Gitarrensoli, bei denen er zum Teil auf Anordnung des Roadmanagers von Security-Guards aus dem Publikum gezogen und gestoppt werden mußte, mögen den einen oder anderen überfordern. Aber Jane sagen eben, was sie gerade wollen und spielen, wie sie gerade wollen. Deshalb sind sie… cool. Wen stört’s da, daß Dave Navarro „Have a Great Show, Love D.N.“ mit seinem eigenen Blut als Nachricht für die wenig später durchreisende Fiona Apple an die Backstage-Wand schmierte? Wen kümmert’s, daß örtliche Radiosender am nächsten Tag ihre Zuhörer aufforderten, sich mit Blick auf möglichen Drogenmißbrauch zumindest um zwei Jane’s-Mitglieder ernsthaft Sorgen zu machen? Jane ist cool, Jane ist unantastbar.