Jarvis Cocker: Außenseiter als Teenie-Idol


Der Mann wirkt abgekämpft. Gerade hat Jarvis Cocker den Soundcheck für das letzte Pulp-Konzert der Deutschland-Tour hinter sich gebracht. Und jetzt sitzt er schon wieder im Tourbus und gibt bereits das dritte Interview vor dem Auftritt. Selbst hier, im abgelegenen Münster, lassen ihn die Journalisten nicht in Ruhe. Ebensowenig wie die Scharen zumeist junger weiblicher Fans, die schon am Nachmittag versuchen, dem Objekt ihrer Begierde möglichst körpernah zu kommen. Der Preis des Ruhms? Cocker schüttelt gequält den Kopf. Nach fast 16 Jahren, die Pulp unbeachtet im englischen Underground verbrachten, ist der spindeldürre Schlaks mit der Hornbrille und dem Händchen für glamouröse Melodien und intelligente Songtexte heute ein Britpop-Star. Ein Teenager-Idol. Ein Sex-Symbol gar. „Also dafür halte ich mich nun überhaupt nicht“, wiegelt er ab. „Natürlich gefällt es mir, wenn mich junge Mädchen attraktiv finden. Aber wenn ich mich darauf einlassen würde, würde ich schnell im Bau landen. Sie sind viel zu jung, ich könnte ihr Vater sein.“

Dabei hatte der 33jährige Musiker aus Sheffield in dieser Hinsicht eigentlich Nachholbedarf. „Ich hatte nie viel Sex, und durch die Aids-Gefahr wurde es noch weniger. Es war ziemlich schrecklich in den 80er Jahren aufzuwachsen.“ Vor allem für einen notorischen Außenseiter wie Jarvis Cocker. „Als Kind mußte ich in kurzen Lederhosen rumlaufen und lange Haare tragen, weil meine Mutter das progressiv fand. Ich haßte es und wollte lieber wie die anderen Jungs aussehen.“ Tut er aber nicht – und ohne Lederhose gehört er auch heute nicht zu den von ihm besungenen ‚Common People‘, wenn auch aus anderen Gründen: „Niemand hat mehr Lust, am Wochenende mit mir auszugehen, weil ich wegen der Autogrammjäger sowieso immer unpünktlich bin.“

Angeblich macht sich auch unter den anderen Bandmitgliedern Unmut breit, konzentriert sich doch die gesamte Aufmerksamkeit einzig auf ihren Frontmann. Jarvis seufzt: „Ach was. Auch wenn wir manchmal streiten, glaube ich, daß sie ganz glücklich sind. Sie kriegen das gleiche Geld wie ich. Und ich habe den ganzen Ärger und die ganze Aufregung.“ Und damit schweift sein Blick wieder zu den kleinen Mädchen, die vor der Halle stehen. Er lächelt. Verschmitzt.