Jazzmatazz


Das war schon ein etwas ungewöhnliches Ambiente, in das Gurus lazzmatazz seine gerühmte Fusion von HipHop und Jazz pflanzen sollte. Kleinfamilien saßen auf Decken beim Picknick zusammen, frischverliebte Pärchen liebkosten sich im Schatten einer Linde, und vor den kombinierten Bierund Bratwurstbuden standen lange Menschenschlangen. Pünktlich zum Sommeranfang ließ Petrus die Sonne auch über dem Hamburger Stadtpark scheinen, und eine Gruppe Schwarzafrikaner hatte Congas und Bongos ausgepackt, um sich vor der Bühne als Vorgruppe zu versuchen. Ähnlich spontan ging es kurze Zeit später auch auf der Bühne zu: Buckshot LeFonque, ein von Star-Saxophonist Branford Marsaüs initiiertes Projekt, rührte zu zehnt ein Gebräu aus Jazz, HipHop, Funk und Soul an, in das ab und zu eine E-Gitarre krachte: eine grandiose Jam-Session, aus der geniale musikalische Momente aufblitzten, die aber zuweilen auch im Chaos endete. Da wurde über federleichten Swing, spartanisch dargeboten von Standbaß und Schlagzeug, Rap-Gesang gelegt, da scratchte DJ Apollo Fetzen aus einer Dichterlesung in das Sopransaxophonspiel von Marsalis, da wurde die Miles Davis-Komposition ‚Spanish Key‘ vom legendären i97oer-Album ‚Bitches Brew‘ zunächst von wuchtigen Gitarren zersägt, um sich dann in harmonisch ineinanderfließenden Bläserarrangements aufzulösen. Im nächsten Moment hämmerte der Keyboarder unmotiviert seine Akkorde zwischen Saxophon, Baß, Trompete und Schlagzeug, und keine ordnende Dirigentenhand führte das kakophonische Geklimper in eine nachvollziehbare Songstruktur zurück. Ganz anders Guru, Rapper bei Gang Starr und mit seiner Band Jazzmatazz Vordenker der ‚Jazz meets Hip-Hop‘-Welle. Der hatte mit dem britischen Ausnahmegitarristen Ronny Jordan, dem Keyboarder Rubin Wilson und einem Schlagzeuger ein überschaubares Ensemble auf die Bühne gebeten und ging äußerst diszipliniert zu Werke. Die drei errichteten mit ihrem präzisen, kompetenten und unprätentiösen Spiel ein Klanggerüst, auf dem sich der Rapper und seine beiden Begleitvokalistinnen, die Soulsängerinnen Baby und DC Lee, mit traumwandlerischer Sicherheit bewegen konnten. Sehr soft und soulig, weit entfernt vom wütenden Gebell der härteren Rap-Fraktion, blieb Guru vornehm im Hintergrund, und selbst der mit so viel Spannung erwartete Ronnie Jordan hielt sich auffallend zurück, so daß der Auftritt von Jazzmatazz keine Sekunde lang irritierte, verblüffte oder gar mitriß. Das befand offenbar auch das bunte Völkchen vor der Bühne: beträchtliche Regungen zwischen schierer Begeisterung und genervter Ablehnung beim Auftritt der Marsalis-Truppe, gefällige Zustimmung und wieder längere Schlangen an den Bierständen während der Darbietung von Jazzmatazz.