Joan Armatrading – Man kann sie nur lieben
Sieben Jahre Juan Armatrading. Vom absoluten Insider-Tip zum anferst gefragten Insider-Tip. Tut man Joan damit nicht weh. kann man sie mit herkömmlichen Mals „oben, geschafft. Star!“ überhaupt messen? Man sagt den Amis Gefühlskalte nach. Allerdings haben die schon langer begriffen, wasdie Armatrading kann. wert ist. In Deutschland soll das nun auch anders werden hat die Rocknacht dazu beigetragen?
Sieben Jahre Joan Armatrading: Natürlich ist die Dame etwas älter: Am 9.12.1950 wurde sie in St. Kitts auf den Westindischen Inseln geboren – gemeint sind denn auch ihre Karrierejahre seit dem Debütalbum „WHAT-EVER’S FOR US“ 1973. Seitdem erschienen weitere Armatrading-Werke: „JOAN ARMATRADING“, „SHOW SOME EMOTION“, „TO THE LIMIT“ und schließlich „STEP-PIN‘ OUT“, ein Live-Mitschnitt mit Joan’s Best – und mittendrin dazwischen ein respektabler Hit, titeis „Love And Affection“. Genau dieser Erfolg zeigt Joan’s ambivalente Stellung: „Love And Affection“ ist in keiner Weise auf Hit getrimmt, bloß einer von vielen guten Armatrading-Songs, genauso komplex und facettenreich wie die übrigen. Daß „Affection“ trotzdem zum Hit geriet, andere Songs jedoch nicht, ist schlicht unverständlich. Außer: Armatrading-Songs wirken erst auf längere Sicht, sind kaum auf Anhieb zum Mitsingen geeignet, benötigen Anlaufzeit. Und genau dies erhielt 1976 „Love and Affection“: eine Menge airplay, also Radiosendungen – nach dem fünften Hören dämmerte den Leuten, was da Tolles lief.
Ähnlich verliefen die letzten Jahre. Armatrading on tour hier, on tour dort. Im April/ Mai 1978 die erste größere Deutschland-Tournee, vor elfhundert Leuten in Hamburg, vor neunhundert in Köln. Kurz darauf stieg der Verkauf von Joan Armatrading-Alben zumindest in Köln merklich: Dieses Mädchen hatte mit ihrem exzellenten Gitarrenspiel, ihrem unnachahmlichen Gesang, sicher aber auch durch ihren schüchtern-witzigen Charme, alle überzeugt. Seither ließ etwa der WDR-Rockpalast keine Gelegenheit aus, eigene Ausschnitte seiner Armatrading-Show zu senden, was enorm zur Popularisierung der Künstlerin beitrug. Bekanntlich ist Joan nun gut (und bekannt) genug gewesen, sogar in der Rockpalast-Nacht am 1 9. April ’80 aufzutreten – und wer da zugehört und hingesehen hat, ohne von dieser Frau wenigstens ein bißchen mitgerissen worden zu sein, na, der sollte mal in sich gehen.. .
Denn, wie sagt’s das Klischee-Wort so schön: ,Joan Armatrading lebt ihre Songs‘. Das, was an subtiler Beobachtung, an treffender Pointierung und differenzierter Wiedergabe aus ihren Texten spricht, findet sich entsprechend wieder in Interviews mit der Sängerin. Vor anderthalb Jahren konnte ich mit Joan sprechen, geplant waren zehn Minuten, es wurden eineinhalb Stunden. Nach den gängigen Präliminarien über Musik unterhielten wir uns über Sozialbeziehungen, über Schule, Minderheitenprobleme und ähnliches (soweit mein Englisch dies zuließ) – jedenfalls wußte Ms. Armatrading zu allem nicht bloß etwas, sondern Gezieltes zu bemerken, ähnlich durchdacht und entscheidungssicher, wie sie dies in Songs wie „Barefoot And Pregnant“, „Show Some Emotion“ oder „Kissin‘ and A Huggin“ vollzieht. Ach was, eigentlich in jedem ihrer Songs.
Ich weiß nicht, welche Eigenschaften man besitzen muß, um derart feinsinnig texten und dann dies auch noch adäquat in musikalische Szene umsetzen zu können. Intelligenz, mehr noch Sensibilität, gehören sicherlich dazu. Dies ist ein Grund, warum Joan Armatrading nie oben sein wird, es nie geschafft haben kann: Sie gehört, nicht zu jenen Pseudo-Progressiven, die vorgeben, entgegen aller Marktgesetzte Musik zu spielen, um dann eines Tages umzufallen, sich Chinn/Chapman oder George Martin als Produzenten zu holen und den dann fälligen Hiterfolg auch noch erstaunt, verwirrt zu kommentieren. Joan Armatrading heißt nicht Deborah Harry und sieht daher alles sehr viel realistischer: Jch gehe keine Kompromisse mit der Plattenfirma ein. Daß die Firma andererseits an mir verdienen will, ist mir klar. Eben hierbei haben wir uns arrangiert“.
Solche Sätze sind wohltuend. Nicht von „Revolution“ singen und dies bei einem Multi-Konzern unter Vertrag bringen, sondern aus Gegebenem das Machbare herausholen. Daß sich Joan Armatrading’s Firma (A&M Records) dabei durchaus schwertut, beweist die neuere Entwicklung. Die Gefahr dabei ist schlicht jene, daß die Plattenfirma ihrem Talent – wenn es denn schon keineHits runterleiert – andauernd auf Suche nach neuesten Songs, neuesten Gedankenblitzen, auf der Spur bleibt. Hart an der Frau, ihren nächsten Gitarreakkord flugs vermarktend, für all die Fans, die nach brandaktuellen Statements gieren. Die drohende Gefahr liegt auf der Hand: eine Ms. Armatrading, sensibel und verletzbar, fühlt sich eingeengt verfolgt, unter Leistungsdruck – und versagt. Von daher gesehen wäre es fast wünschenswert, daß Joan endlich einmal einige schlechte Songs aufnehmen würde; als Markierung, daß Sensibilität nicht beliebig reproduzierbar ist wie ein Chinn/Chapman-Hit.
Aber in der Hinsicht sieht die Sache hoffnungslos aus. HOW CRUEL bietet in der Tat wieder vier glänzend getextete, mit reichlich Melodik besprengte Songs, darunter zwei Reggaes, zu denen Joan wie eh und je wispert, knurrt, säuselt und wie sonst man es noch nennen könnte. Und im Hintergrund steht da wieder jene Band, die kompakt und kompetent spielt wie nur irgend möglich: Winston Delandro und Richard Hirsch (g), Billy Bodine (bg), Red Young und Mike Storey (keyb), Lon Price (sax) und – das ist neu – Gary Mallabar oder Richard Bailey am Schlagzeug. Zudem versuchte sich Joan selbst als Produzentin, obgleich sie in der Vergangenheit gerade in ihrer Produzenten-Wahl großes Geschick bemerken ließ: Sowohl Elkie Brooks‘ Ehemann Pete Gage als auch Henry Lewy als auch Glyn Jones wußtenMs. Armatrading stets optimal einzusetzen.
Oben (gemessen an traditionellen ,Super-Stars‘) wird sie, wie gesagt, nie ganz stehen – aber ihre jetzige Position kann sie noch ausbauen, noch weiter festigen als bisher: Joan Armatrading als Synonym für brillante Musik, die wahrlich alles zwischen Blues, Folk, Mainstream-Jazz, Latino-Einschübe, Boogie und Rock einschließt. Einige Leute jedoch sollten endlich ihre elenden Parallelen beenden: Besserwisser verglichen Ms. Armatrading mit Nina Simone, Joni Mitchell, Jimi Hendrix(!), Elton John(ü) oder Van Morrison. Lediglich im letztgenannten Fall wäre ich zu Konzessionen bereit. Und wenn den Leser nun der Eindruck befällt, dies hier sei eine platonische Liebeserklärung … es ist eine!