Joe Cocker: Musik bedeutet für ihn alles


Auf der Bühne ist er aggressiv ud kotzt sich aus.

Er treibt es manchmal mit seiner Stimme so schlimm, dass man meinen könnte, seine Stimmbänder reissen; doch nur auf der Bühne ist er „spastisch gelähmt und vom Wahnsinn verfolgt“. – „Das ist meine Art, intensiv zu leben. Denn Musik bedeutet für mich alles“. Dem kann man nur zustimmen, wenn man bedenkt, was er aus der sanften Lennon/Mc Cartney-Komposition „With a little help from my friend“ gemacht hat, oder aus „She came through the bathroom window“. Dann kann man in etwa ermessen, was Joe Cocker für ein Typ ist.

Er ist besessen und gebärdet sich wie ein Epileptiker. Doch er hat das, was den meisten Sängern fehlt: er garniert optisch seine Songs, er macht es nicht mit telegenem Zahnpastalächeln oder lackierten Bewegungen, sein ganzes Äusseres ist Protest. Er hat noch nie darauf gestanden, sein Publikum mit Samthandschuhen anzufassen oder sie mit Komplimenten gefügig zu machen. Das ist nicht seine Art. Er packt die Menschen, die da vor ihm sitzen, mit seinen rudernden Armbewegungen, mit seinem verzerrten Gesicht, mit seiner gebündelten Energie und mit seiner schwarzen Stimme. „Ich bin nach jedem Auftritt immer wieder überrascht von der Reaktion des Publikums. Während der Vorstellung bin ich mit meinen Gedanken ganz bei mir und habe keine Ahnung, was bei den Leuten im Saal vorgeht. Ich höre nur Musik und bin selbst Musik. Mein Körper, meine Bewegungen, alles ist Musik…“

Heute ist Joe 28 und noch nicht von dieser abgeschliffenen Liebenswürdigkeit des Show-Geschäftes beherrscht. „Ich sage wie die Dinge stehen und wer’s nicht hören mag, der soll sich die Ohren zuhalten oder zum Teufel gehen!“ Früher hat er sich mal verkauft und von schönen Dingen mit schöner Stimme gesungen. „Damals war ich einfach zu unwissend, um die Sache zu durchschauen. Da kommt jemand und bietet dir einen Vertrag an und du bist einfach nur happy, weil du singen darfst und sonst gar nichts. Ich habe mir nicht die Konsequenzen überlegt, weil es damals keine für mich gab“. Joe, Ex-Gastarbeiter und Lagergehilfe, fand zu sich selbst zurück. Heute, nachdem ihn ein paar Fachzeitschriften als einen der besten Sänger anerkannt haben, findet er seine Selbstbestätigung praktisch auf höchster Ebene wieder. Doch wenn er heute durch seine Heimatstadt Sheffield schlendert, ist deshalb sein Gang nicht aufrechter und seine Freunde nicht mehr seine Freunde. Joe Cocker hat in dieser Hinsicht keinen Knacks bekommen. Für ihn war es ein Erlebnis, innerhalb von 8 Tagen eine Truppe von 28 Musikern auf die Beine zu stellen, um mit ihnen 7 Wochen die Vereinigten Staaten unsicher zu machen. Es wurde nicht nur für Joe die grösste Show seines Lebens, sondern auch für die Leute, die da kamen, den „Engländer mit seinen verrückten Hunden“ zu sehen. Es war ein Experiment, ein Zirkus, der nach 7 Wochen in San Bernardino die Fahne einholte und sie wieder zu den Requisiten stellte aus der sie kam. Leon Russel sagt dazu: „Es war die grösste Show, die jemals auf die Beine gestellt wurde und ich kann für alle sprechen, wenn ich sage, dass wir uns bei diesem Unternehmen sauwohl gefühlt haben“. Für Joe ist die Sache inzwischen gestorben, aber er konnte es sich nicht verkneifen, sich den Film anzusehen. Der Film hat für ihn eine Perspektive erfasst, die er sonst nie sieht. Er weiss, dass er eine Unmenge von Fans hat, aber hier sah er zum erstenmal, wie begeistert die Leute waren, wie sie mitgingen und wie sie erlebten. Das hat ihn befriedigt und bestätigt. Denn auch er braucht Bestätigung. Obschon er ein Typ ist, den nichts so leicht erschüttert. „Erfolg zu haben ist eine schöne Sache, doch du musst wissen, dass er vergänglich ist, denn nur so hast du eine Chance, dich selbst zu überleben“. Im Augenblick ist es ziemlich ruhig um ihn. Er hat sich bei seinen Eltern in Sheffield verkrochen und denkt nach. Er sitzt an Kompositionen und es dürfte keinen verwundern, dass er demnächst wieder so röhrt, dass die Wände wackeln. Er braucht immer Zeit, um etwas richtig und gut zu machen. Er ist nicht der Mensch, von dem man in einem Jahr 5 Hits erwarten könnte, das würde ihn kaputt machen. „Ich brauche Ruhe, um meine Gedanken realisieren zu können. Ich habe nie die Leute verstanden, die man antreiben konnte. Höchstleistungen vollbringe ich selber, ohne einen Antrieb zu haben. Wenn, dann hetze ich mich selbst, nur so weiss ich, dass es einen Sinn für mich hat“. Für Joe Cocker fehlt nicht nur stimmlich ein Gegenstück, sondern auch menschlich. Er würde heute auch ohne viel nachzudenken LKW fahren, wenn er sich dabei wohl fühlen würde. „Es kommt nicht darauf an, was du machst, sondern ob es im Einverständnis mit dir geschieht. Nur so kann eine Sache Nutzen für dich haben“ Fürwahr ein wahres Wort.