John durchs Schlüsselloch


May Pang, die Autorin des Lennon-Buches, war von John und Yoko zunächst als Sekretärin eingestellt worden. Als sich das Ehepaar vorübergehend trennte, spielte Yoko sie ihrem Ehemann als Geliebte zu - in der Hoffnung, ihn trotz Trennung weiterhin kontrollieren zu können. Der zweite Teil unserer Buch-Auszüge schildert Johns Exodus nach Los Angeles, Yokos telefonische Kontroll-Aktionen und die Platten-Sessions mit Phil Spector.

John erinnerte sich an ein Cafe auf dem Sunset Boulevard, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Es war überfüllt mit schrägen Vögeln: Nutten, Zuhältern, Freaks und einigen Transvestiten.

John erzählte mir, daß hier viele Musiker morgens um vier Uhr, wenn ihre Session-Arbeit beendet ist, gemeinsam frühstücken.

Wir aßen zu Abend, belustigt darüber, daß die Rechnung weniger als 10 Dollar betrug. John lachte. „So ist das nun mal, wenn man sich Samstag abends mit einem Beatle verabredet“, sagte er. „Ich denke, das kann ich finanziell noch gerade verkraften.“

Am nächsten Morgen meinte er: „Wir sollten Yoko anrufen und ihr mitteilen, daß es uns gutgeht. „

Er wählte Yokos Nummer.

„Ich fühle mich wohl hier, Yoko, viel besser als erwartet. Wahrscheinlich werde ich hier auch ins Studio gehen. „

Er schaute mich an, wollte Zustimmung. Ich lächelte zurück; bis jetzt hatte ich nichts von dieser Idee gewußt. Ich hatte angenommen, wir würden nur zwei Wochen bleiben. John gab mir den Hörer: „Yoko will hallo sagen.“

“ May, wie geht es dir?“ fragte sie.

„Sehr gut.“ „Wie ist das Wetter?“ „Es ist schön, Yoko. Wie ist das Wetter bei dir?“

„Bist du glücklich, May?“

fragte sie plötzlich.

„Ja, sehr glücklich.“ „Gut. John klingt genauso gut. Das ist ein wundervoller Anfang. Ich bin so froh für euch beide. Ich wünsche euch eine wunderbare Zeit.“

John freute sich darauf, Phil Spector zu treffen und mit ihm das Album-Projekt durchzusprechen. Wir fuhren zu seinem Haus. Ein Butler öffnete die Tür und führte uns in das abgedunkelte Wohnzimmer, wo er unsere Ankunft formgerecht meldete; das Zimmer was allerdings leer.

Wir setzten uns und warteten – und warteten. Es roch‘ nach Ärger. John sah, daß ich ungeduldig wurde. „Vielleicht ist er im Badezimmer“, meinte er.

Wir warteten weiter. „Phil läßt Leute gerne warten. Das ist nun mal seine Macke“, beschwichtigte John.

Nach etwa 15 Minuten wurde John ebenfalls unruhig. Als wir gerade gehen wollten, kam Phil die Treppen heruntergefegt und sprang auf John zu, um ihm die Hand zu schütteln. „Du erinnerst dich an May“, sagte er zu Spector.

Ich streckte meine Hand aus, um die seine zu schütteln. Statt dessen trat er zurück und sagte ärgerlich zu John: „Sie ist doch eine von Allen Kleins (Ex-Beatles-Manager) Angestellten, ich kenne sie. Warum sollten wir ihr vertrauen?“

„Sie ist in Ordnung, Phil“, antwortete John. Spector starrte mich an. „Ich bin in Ordnung, Phil“, sagte ich ruhig. Phil starrte mich noch immer an. „Woher soll ich wissen, daß wir dir trauen können?“

Spector weigerte sich, vor Sonnenuntergang irgendwo hinzugehen. Er beharrte darauf, vor Sonnenaufgang in sein Heim zurückzukehren. John und ich nannten ihn deshalb den „Vampir“.

Als am nächsten Tag wieder einmal Yoko anrief, legte John den Hörer mit einem amüsierten Gesichtsausdruck auf. Er wollte etwas sagen, als das Telefon nochmals klingelte. „Ich weiß nicht, wer es ist“, erklärte er Yoko. Kaum hatte er aufgelegt, rief sie erneut an.

„Ich weiß nicht, wer es ist , sagte John wiederum. Die Anrufe hielten an; John war offensichtlich irritiert. „Was will sie?“ fragte ich ihn schließlich. „Yoko sagt, daß sie mit einem Mann ausgeht, mit jemand, der sie sehr fasziniert. Sie will mir nicht verraten, wer es ist. Hast du eine Ahnung?“

Wir nannten ein paar Namen.

„Ich möchte wetten, es ist David Spinozza!“ sagte John schließlich. David ist der junge Gitarrist, den Yoko mit der Produktion ihres nächsten Albums beauftragen wollte. John griff zum Telefon und äußerte seine Vermutung. Ich hatte den Eindruck, daß Yoko nicht widersprach.

„Bist du nicht beunruhigt?‘ fragte ich ihn.

„Ich will, daß Yoko glücklich ist“, antwortete er. „Ich will nicht, daß sie allein ist. Ich habe mir große Sorgen gemacht, daß sie niemanden mehr finden könnte.“ Er machte eine Pause. „Ich will nur, daß sie glücklich ist. „

Nach wenigen Minuten rief Yoko wieder an; ich ging an den Apparat. „May. geh in ein anderes Zimmer. Ich muß mit dir reden. „

Ich tat, was sie verlangte. John hatte anscheinend nichts dagegen. Er war offensichtlich froh, Yoko für eine Weile los zu sein.

“ Was ist los mit dir?“ zischte Yoko. „Ich bin enttäuscht von dir; ich bin schockiert. „

„Warum?“

„Ich dachte, daß du die Lage verstehst. Aber du verstehst gar nichts.“

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“

„Du hast doch John von David erzählt. Ich bin stocksauer. „

Ich kannte Yoko gut genug, um zu wissen, daß es völlig gleichgültig war, was ich nun sagen würde: jedes Wort der Verteidigung würde sie noch mehr in Rage bringen.

John ignorierte den Vorfall.

„Das ist die bescheuerte Yoko“. sagte er. „Sie dreht durch.“ Er schien sich über die ganze Angelegenheit zu amüsieren.

Das Studio, das Spector für die Aufnahmen gebucht hatte, war relativ groß, eingerichtet für acht Musiker. „Da ist Steve Cropper!“ flüsterte John. Er lächelte den legendären Memphis-Gitarristen an; er war begeistert, Cropper in der Crew zu haben.

Ein Musiker nach dem anderen traf im Studio ein. John begrüßte Leon Russell, Barry Mann, Jeff Barry und Larry Carlton unter ihnen. Er war verblüfft über die Gruppe, die Spector zusammengetrommelt hatte. Er war aufgeregt und nervös.

Dann kam Gitarrist Jesse Ed Davis. Er warf einen Blick in die Runde und sagte, an John gewandt: „Scheint eine gute Party zu werden.“

Innerhalb einer halben Stunde drängten sich 27 Musiker in ein Studio, das für acht gedacht war. Alle hatten eines gemeinsam: Keiner wußte, um was es ging.

Endlich tauchte Phil Spector auf. Er griff sich eine Gitarre und spielte „Bony Morony“ auf denkbar simple Weise. „All right, jetzt alle zusammen.“

„Okay, das ist es“, sagte Spector und führte eine angeregte Diskussion mit den beiden Toningenieuren. Die Leute im Studio ließ er einfach sitzen. Nach geschlagenen 20 Minuten forderte er die Rhythmus-Gruppe über Lautsprecher auf, das Stück „Bony Morony“ nochmals zu spielen. Immer und immer wieder – insgesamt drei Stunden lang. Nichts wurde abgehört; niemand erhielt irgendwelche Anweisungen.

„Hör zu, May!“ begann Yoko am nächsten Morgen. „Ich habe gehört, ihr hättet letzte Nacht im Studio Händchen gehalten!“

Sie mußte ihre Spione überall haben; ich fühlte mich wie in einem Samurai-Film. „Du weißt, daß du das nicht darfst!“ Ich wollte vermeiden, daß sie John damit belästigte, also antwortete ich: „Ich werde aufpassen.“

Im Studio war die anfängliche Spannung verschwunden; jeder wußte, was kommen würde: eine lange, zermürbende Nacht.

Gefolgt von seinem Leibwächter George kam Spector ins Studio; er trug einen Chirurgen-Kittel, ein Stethoskop hing am Nacken. Er war völlig aufgedreht, zog eine Flasche Cognac aus der Tasche, nahm einen Schluck und feuerte seine Pistole ab. Alle johlten.

Wieder begann die Rhythmus-Gruppe; die restlichen Musiker zogen sich in die Halle zurück, wohl wissend, daß sie vorerst nicht gebraucht würden. John und Jesse Ed Davis teilten sich eine Wodka-Flasche.

Der Abend verging – und Spector fuhr fort, mit der Rhythmus-Truppe zu arbeiten. „Noch mal!“ ordnete Spector an. „Noch mal!“

John und Jesse saßen mit ihrem Wodka noch immer in der Halle. John machte mich nervös. Er kam herüber, grinste, küßte mich und ließ seine Hand in meine Bluse gleiten. „Bitte, trink nicht mehr!“ sagte ich. „Warum nicht? Ich häng doch nur mit den Jungs herum. Darf ich das etwa nicht?!“

Joni Mitchell kam; alle gingen zurück ins Studio, keiner hatte Lust, mit ihr zu reden. Spector arbeitete inzwischen mit den Bläsern.

Plötzlich stand ein Klarinettist auf und legte sein Instrument fort. Spector stürmte aus der Kabine. „Was verdammt noch mal ist mit dir los?“ bellte er den Musiker an. „Ich habe fünf Stunden gewartet, Mann, um 20 Minuten zu arbeiten. „

“ Welche Platten hast du bisher gemacht, Mann?“ kläffte Spector. „Unverkäufliche Jazz-Fuffis wie GH Evans? Weißt du, welche Platten ich gemacht habe, Mann? The Ronettes, The Crystals, Ike und Tina ? Und was hast du gemacht, Mann?“

John wurde unruhig; er haßte es, wenn Leute sich bekriegten. „Komm, laß uns gehen,“ drängte ich weiter, aber er bestand darauf zu bleiben. Schließlich marschierte John in Spectors Bude. „Wann bin ich endlich dran?“ fragte er.

„Du bist gleich an der Reihe!“

antwortete er, ohne ihn im geringsten zu beachten.

„Ich bin jetzt dran!“ John nahm die Kopfhörer und schmetterte sie ärgerlich gegen die Konsole. Totenstille. John und Spector starrten sich an. Plötzlich lachte John los, die Spannung löste sich. „Wozu sollte das bloß gut sein? Du hältst uns nur auf!“ grollte Spector.

„Er ist zu betrunken, um jetzt schlafen zu können“, stellte Spector fest. „Wir sollten ihn ausnüchtern, sonst macht der Alkohol ihn noch verrückter. In diesem Zustand ist er zu allem fähig. Koch Kaffee.“

“ Wir sollten ihn lieber ins Bett schicken“, antwortete ich.

„Du sollst Kaffee kochen!“ bellte Spector. “ Tu, was ich sage.“ Ich kochte Kaffee – und Spector mühte sich, John zum Trinken zu bewegen.

„Was treibt ihr Bastarde da?!“ schrie John plötzlich. Je mehr Kaffee er trank, desto wütender wurde er. “ Wir sollten ihn nach oben bringen“, meinte Spector, „bevor er jemanden verletzen kann. Pack ihn!“

George und Spector schleppten ihn die Treppe hinauf. Ich folgte ihnen. „Du nicht!“ sagte Spector dramatisch. „Dieser Mann ist eine große Gefahr, halt Abstand!“

Plötzlich hörte ich John schreien. „Ich kann nichts sehen. Du jüdischer Bastard, gib mir meine Brille wieder!“

Ich hörte die Geräusche eines Kampfes und wußte, daß ich Hilfe brauchte. Ich rannte zum Telefon.

Schließlich kamen Spector und George die Treppe herab.

„Was habt ihr mit ihm gemacht?“ rief ich.

“ Wir haben ihn gefesselt.“ Spector stierte mich an. „Er ist gemeingefährlich. Wir haben ihn festgebunden, damit er niemanden verletzen kann. Morgen kannst du ihn losbinden. George, laß uns gehen.“

Sie gingen auf die Tür zu. „Gute Nacht“, sagte Spector, „übrigens: War das nicht wieder eine tolle Session?“

Die Schreie hielten fünf Minuten an. Dann erschien John oben auf der Treppe. „Yoko! Yoko!“ schrie er. „Yoko, du schlitzäugiger Bastard, du wolltest mich loswerden. Das alles ist nur passiert, weil du mich loswerden willst!“ Er torkelte die Treppen herunter. „Yoko, ich werde dich noch kriegen.“

Er hatte Schaum vor seinem Mund. Sein Körper zuckte. Er stöhnte. “ Yoko, was hast du mit mir gemacht?“ Er stürmte auf die Straße, ich folgte ihm. Ein Jeep bog um die Ecke. Der Fahrer trat auf die Bremse. Wir liefen weiter zum Bei Air-Hotel. Als ich den Eingang erreichte, hörte ich Johns Stimme: „Niemand liebt mich“, heulte er, „alle nutzen mich nur aus. .. Niemand kümmert sich um mich!“

Als John am nächsten Tag ins Studio kam, starrten ihn alle an. Sie hatten gehört, was passiert war, und warteten gespannt, was zwischen John und Spector nun ablaufen würde.

Spector kam und hatte ein dickes, blaues Auge. John versuchte sich zu entschuldigen. Spector betastete seine Wunde und machte John dafür verantwortlich. Er trieb den Scherz noch eine Weile weiter, bis er zugab, einen der besten Maskenbildner Hollywoods dafür angeheuert zu haben. John brach in schallendes Gelächter aus.

Während der dritten Session machte Harry Nilsson seine Aufwartung. „Ich bin einer seiner wahren Fans!“ sagte John. „Ich liebe seine Stimme.“ Harry schaute sich alles ruhig an. Später am Abend erschien Joni Mitchell. Heute war Warren Beatty ihr Begleiter. „Noch eine Joni-Eroberung!“ stellte John fest.

Mitchell und Beatty gingen in den Kontrollraum. Spector war in einer gereizten Stimmung. Jonis Frage, ob er einen Dollar wechseln könne, genügte, um ihn losbrüllen zu lassen; „Schließt die Türen ab! Wo ist der Schlüssel – bringt mir den Schlüssel!“ Er starrte Joni und Warrer an, dann begann er eine erneute Tirade darüber, wie ekelerregend Groupies seien…