John Hiatt
Geheime Hoffnungen, daß John Hiatt eventuell den einen oder anderen Musiker seiner Allstar-Band vom letzten Bring The Family-Album (Ry Cooder, Nick Löwe, Jim Keltner) mit auf diese Tour bringen würde, erfüllten sich zwar nicht, aber niemand hatte Grund zum Gram. Was die junge Drei-Mann-Combo hinter Hiatt an diesem Abend bot, war mehr als nur sauberes Handwerk. John Hiatt, dem die Paranoia des Nunendlich-den-Durchbruch-schaffen-müssens anscheinend völlig fremd ist, schreibt ja gottlob Songs, die ohne Kompromisse und Konzessionen auskommen. Im besten Sinne „altmodisch“, melodisch, mit Solo in der Mitte, von der naiven Spielfreude her gedacht und keine Studio-Kopfgeburten. Gleich der (noch verhaltene) Einstieg mit dem neueren Song „Memphis In The Meantime“ hätte ebensogut fünf Jahre alt sein können — Blues, Boogie, Rock V Roll, alles immer präsent. Und als auf seine listige Frage „Do you like Folkmusic?“ ein unwilliges Gegrummel aus dem Publikum kam, ließ er sich auch davon nicht irritieren. Nun, „Lipstick Sunset“ — das, was er als Folksong präsentierte — war frei von jeder banalen Sentimentalität und doch so schön traurig, daß der Bierkonsum für diese Minuten stockte. Ansonsten war wenig Ergriffenheit angesagt: Die Quartett-Besetzung ohne Keyboard-Soße pflegte kantigen Bar-Rock, wobei sich der Gitarrist Sonny Landereth mit unaufdringlichem Spiel profilierte, das spürbar dem Vorbild Ry Cooder nacheiferte. Seidige Slide-Läufe, intelligente, pointierte Soli und auch mal harte Akzente machten ihn zu einem echten Aktivposten neben Hiatt, der sich ganz auf die (sparsame) Bühnenshow konzentrieren konnte. Ein paar Stories („Your Dad Did“), ein paar Ansagen — man hatte ihn schon temperamentvoller und bissiger erlebt, aber solange er anschließend Songs wie „Tip Of My Tongue“ (noch ein neuer „Klassiker“) hinlegt, muß der Mann keinen Salto rückwärts machen.
Umso überzeugender wurde dies Programm durch die Tatsache, daß sich Hiatt kaum auf Renner aus alten Tagen verließ (einzige Ausnahme: die neue Version von „Thank You Girl“), sondern mit sämtlichen neuen Songs überzeugte, wie ein heißer Newcomer, der sein erstes Album vorstellt. Auch wenn er Avantgardisten nur ein müdes Lächeln entlockt: Mit solchen Songs ist Hiatt immer wieder willkommen.