John Mayall: ‚Meine Band ist eine Jam-Session‘


Zunächst wollte ich dieses Kapitel überschreiben mit ‚Kommt John Mayall ins Greisenalter?‘, doch dann fiel mir ein, dass ich in der Schule gelernt hatte, dass man nett und höflich zu alten Leuten ist. Also bringe ich’s am Besten schnell hinter mich, daran zu erinnern, dass John Mayall mit seinen vierzig Lenzen der Urgrossopa des weissen Blues ist – und sprechen wir dann nicht weiter über’s Alter.

Es war etwa spätnachmittags, als ich mich auf den Weg ins Hotel machte, um Mayall zu interviewen. Unterwegs ging es mir durch den Kopf, wie unzählig viele Super-Musiker der Mann entdeckt hatte, den ich in wenigen Minuten treffen sollte. Ich erinnerte mich aus dem Stegreif an Namen wie Aynsley Dunbar, Jack Bruce, Eric Clapton, Peter Green, Mick Fleetwood, John Hiseman usw. usw.

SCHWIERIGES INTERVIEW

Im Hotel erlebte ich einen um mindestens zwei Nummern zu ruhigen John Mayall. Er kam auf Anruf des Portiers aus seinem Zimmer herunter in die Hotelhalle. Nach einem kurzen, fast wortlosen Händeschütteln setzten wir uns in ein Gästezimmer, ich schaltete mein Tonbandgerät ein und das nachfolgend abgedruckte Interview ging in den Kasten. Ehrlich gesagt, ich hab‘ noch nie so einen schwierigen Interview-Partner gehabt wie John. Er machte einen fast schüchternen Eindruck auf mich, aber das war noch zu verkraften, denn Stars sind eben manchmal ein bisschen paranoider als Menschen wie Du und ich. Was mich verwirrte, war, dass John’s Antworten kurz und manchmal noch kürzer waren. Ich kam mir vor wie ein Schwerarbeiter, denn ich musste am laufenden Band Fragen produzieren.

Du hast einmal auf der Buhne gesagt, Musik verändere sich dauernd und Du möchtest Teil dieser permanenten Veränderung sein.

John: Ja, das ist richtig.

Hast Du dich musikalisch im letzten Jahr sehr verändert?

John: Ich weiss nicht. Mir fällt nur auf, wie sich meine jetzige Band von Abend zu Abend verändert. Es ist die totale Improvisation, und das ist nur möglich, weil diese Band so wahnsinnig lebendig ist.

Bist Du damit einverstanden, wenn ich die gegenwärtige Musik des „weissen“ ‚King of Blues‘ „Funky Jazz“ nenne?

John: Ja, ich denke man kann es so nennen, aber der Name spielt überhaupt keine Rolle.

Wie sieht’s aus mit einem neuen Album?

John: Nun, wenn diese Tournee zu Ende ist, machen wir uns an die Arbeit. Die Platte dürfte dann im Spätherbst herauskommen. Wenn die Tour zu Ende ist, hat sich die Band so richtig aufeinander eingespielt, das ist genau der richtige Zeitpunkt, um wieder ins Studio zu gehen.

Wo wird die Scheibe aufgenommen?

John: In Los Angeles.

Hättest Du nicht mal wieder Lust auf ’ne richtige Jam-Session?

John: In meiner letzigen Band habe ich dauernd das Gefühl, an einer Jam-Session beteiligt zu sein. Darüber hinaus habe ich keine konkreten Jam-Session Pläne. Das überlasse ich dem Zufall. Ich gehe gern zum Vergnügen in kleinere Clubs und mische bei den dortigen Bands ein wenig mit.

Hast Du ‚was davon gespürt, dass inzwischen eine viel jüngere Rock-Generation herangewachsen ist?

John, wo fühlst Du dich am meisten zu Hause?

John: In Los Angeles.

Die Stadt scheint in Mode zu kommen…

John: Ich wohne dauernd dort, deshalb fällt’s mir wohl nicht so sehr auf, wer kommt und geht.. . Existiert noch immer die Band deines Drummers Keef Hartley?

John: Eigentlich nicht, aber Keef hat gerade wieder ein paar Musiker zusammengetrommelt, um ein neues Album aufzunehmen. Es unterscheidet sich vollkommen von den früheren LP’s der ‚Keef Hartley Band‘ und heisst ‚Lancashire Hustler‘.

Hast Du bei den Aufnahmen mitgewirkt?

John: Nein, Keef hat genug gelernt, er kann seine eigene Band zusammenstellen und Songs für sie schreiben, ohne dass ich mithelfen muss.

Mir fallen keine Fragen mehr ein.

John: Allright…

Viel lieber hätte ich mich mit Mayall an den Tresen gesetzt und bei einem Glas Bier zwanglos geplaudert, aber der grosse Meister war in Gedanken schon bei seinem wartenden Abendessen. Das Interview verlief nett, aber routiniert langweilig. Denselben Eindruck hatte ich auch beim Konzert: routiniert langweilig. Musikalisch verlief der Abend astrein, die Band und auch John spielten sauber, locker, mit viel Improvisation – aber routiniert langweilig. Es fehlte die Würze, der Drive … was immer. Ich hoffe, dass Mayall irgendwann den Dreh schafft und aus der Rolle eines lebenden Denkmals entschlüpft. Ich fände es schade, wenn man ihn plötzlich vergessen hätte.