Jukebox Heroes
"Some day he's gonna make it to the top - to be a jukebox hero with stars in his eyes." Die Songzeilen von Mick Jones und Lou Gramm treffen den Nagel auf den Kopf: Mit AGENT PROVOCATEUR haben sie einmal mehr ihren Ruf als unschlagbare Jukebox-Matadore unterstrichen. Unter Verzicht auf Experimente schufen Foreigner ein musikalisches Trademark, das durch immense Professionalität und Effizienz besticht. Daß einem solche Talente nicht in den Schoß fallen, liegt auf der Hand. Nicht "some day", sondern etliche Jahre dauerte es, bis Mick Jones sein Band-Baby "to the top" führen konnte...
Dreieinhalb Jahre ließen sie ihre Fans warten. Doch die nahmen ihren Idolen die Foreigner-lose Zeit keineswegs übel. Im Gegenteil. Wie Ausgehungerte stürzten sie sich dies- und jenseits des Atlantiks auf die jüngste Single „I Want To Know What Love Is“ sowie das mittlerweile fünfte Album AGENT PROVOCATEUR. Selbst in Deutschland grassiert das Foreigner-Fieber: Die 45er bekommt absolutes Airplay – und die LP löste gar Duran Duran und Tina Turner an der Charts-Spitze ab.
Dabei taten sich Foreigner in Deutschland immer schwer – bis sie im Sommer 1981 den längst überfälligen Entschluß faßten, auch den Krauts einmal einen Besuch abzustatten.
Im August stellten sie sich anläßlich ihres vierten Albums „4“ auf Open-airs in Stuttgart, Darmstadt und Nürnberg vor. Doch erst der Anfang Januar 1982 ausgestrahlte „Rock-Pop In Concert-Auftritt half den deutschen Markt endgültig zu brechen: Drei Singles plazierten sich in der Hitparade, das Album wurde zunächst gold-, später gar platinveredelt. Und die erste, richtige Deutschlandtournee im April wurde zu einem Triumphzug durch die größten Hallen der Bundesrepublik.
Vergessen war die blamable Vorstellung von 1978, wo lediglich Gls „ihrer“ Gruppe frenetisch Beifall klatschten, alle anderen aber, selbst jene mit dem dicksten Fell und Hornhaut auf den Trommelfellen, flugs das Weite suchten. Schlechter Sound, schlimme Organisation, kurzum, eine einzige Katastrophe für die erfolgsverwöhnten britischen Emigranten.
Bei unserem Interview vor dem „Rock-Pop In Concert“-Gig kam Sänger Lou Gramm denn auch nicht umhin, das Desaster von damals einzugestehen. Das schlechte Gewissen drückte ohnehin. Und die schlechte Reputation hierzulande reizte gleichermaßen, das Image der selbstgefälligen Superstars zu korrigieren. „Ich glaube, ein Problem außerhalb Amerikas bestand immer darin, daß man aufgrund unseres US-Erfolges anderswo automatisch eine vorgefaßte Meinung von uns hatte. Jetzt, wo man auch anderswo die Chance bekommt, uns mit neuer Besetzung live zu sehen, hat das Publikum die Möglichkeit, sich fernab jeden Hypes eine eigene Meinung zu bilden.
Daß wir nicht vorher rübergekommen sind, lag nicht – wie mehrfach unterstellt – an einem grundsätzlichen Desinteresse am deutschen Publikum. Aber die Dinge liefen so vorteilhaft für uns in den Staaten, daß wir uns erst einmal auf die USA konzentrieren wollten.“
Dort, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, schafften Foreigner, damals noch als Sextett, Hits quasi aus dem Stand. Als im März 1977 das Albumdebüt FOREIGNER erschien, bekam die Formation gleich das Etikett „brightest new hope on the rock ’n‘ roll-horizon“ angeheftet.
Foreigner erfüllten diese Hoffnungen gleich in mehrfacher Hinsicht: Der LP-Erstling verkaufte sich allein in den Staaten dreimillionenfach (!). Und FOREIGNER warf zudem mit „Feels Like The First Time“, „Cold As Ice“ und „Long, Long Way From Home“ noch drei Mega-Single-Seller ab.
Kaum ein Jahr vor diesem Über-Nacht-Erfolg war das Bandprojekt nicht mehr als ein vages Konzept im Kopf des englischen Gitarristen und Neu-New Yorkers Mick Jones. Jones, gelernter Landvermesser, hatte in den späten Sechzigern mit Musik begonnen: Als – nach eigener Aussage – 24. Gitarrist bei Nero & The Gladiators (!). Nämliche Combo tourte u.a. auch in Frankreich. Und ausgerechnet dort fand Micky seinen neuen Arbeitgeber: Johnny Halliday, Galliens Antwort auf Elvis Presley.
Zurück auf der Insel, tat sich Mick mit dem Keyboarder Gary Wright zusammen, um das kurzlebige Projekt Wonderwheel auf die Beine zu stellen – und schließlich Spooky Tooth für drei weitere Produktionen Leben einzuhauchen. Mit dem Aus für diese Truppe nahm Jones in England, wo’s ihm zu eng geworden war, seinen Hut und jettete nach N.Y.C.
Dort jobte er kurzzeitig als A&R-Manager (das sind die Herren, die für die Künstlerauswahl und deren Repertoire verantwortlich zeichnen) bei einer Plattenfirma, wo er über Schicksale meist jüngerer Kollegen zu entscheiden hatte. Die dortigen Erfahrungen stachelten seinen Ehrgeiz, es dem Nachwuchs noch einmal zu zeigen, offensichtlich an.
Wieder die Klampfe in der Hand, stieg er zunächst in die Band des Ex-Mountain-Gitarreros Leslie West ein, eine eher mäßige Kopie des legendären britischen Trios Cream. Letzte Station auf dem langen Weg zur eigenen Band war schließlich eine gemeinsame Studio-Session für Sänger lan Lloyd.
Hierbei traf Jones auf einen weiteren Briten im US-Exil: lan McDonald. Der Multi-Instrumentalist (Gitarre, Keyboards, Saxophon, Flöte) und Sänger konnte zu diesem Zeitpunkt als Sessionmusiker u.a. auf Engagements bei Herbie Mann oder T. Rex zurückblicken, ganz zu schweigen von seiner Mitgliedschaft bei der englischen Kultband King Crimson, die er anno ’69 mit Robert Fripp und Greg Lake ins Leben gerufen hatte.
Als dritten Briten im Bunde verpflichtete man Drummer Dennis Elliott, der sich seine Sporen bei der Jazz-Rock-Gruppe If, der Roy Young Band und Ian Hunter/Mick Ronson verdient hatte.
Als amerikanische Fraktion der englisch-amerikanischen Freundschaft komplettierte das eher unbeschriebene Klee-Blatt AI Greenwood (Keyboards), Ed Gagliardi (Baß) und Sänger Lou Gramm, vormals bei der (mit den erklärten Vorbildern Free, Spooky Tooth und Traffic ohnehin britisch-orientierten) Band Black Sheep.
Halbwegs unverbrauchte Musiker hatte sich Jones für sein BandBaby gewünscht. Der Wunsch war in Erfüllung gegangen. In der Folge durfte er erleben, daß er die richtigen Griffe getan hatte: Die Chemie (erklärtes Lieblingswort der Foreigner-Musiker) stimmte einfach. Zunächst jedenfalls. Und neben dieser sicherlich lapidaren Erklärung für die immensen Erfolge versuchten Außenstehende, den „transozeanischen Einfluß“ auf den Stil der Band für die Breitenwirkung ihrer Musik verantwortlich zu machen. Mit anderen Worten: Das gleichberechtigte Nebeneinander englischer und amerikanischer Rocktradition wurde als wesentlicher Erfolgsfaktor immer wieder herausgestrichen.
Den Musikern konnte es gleichgültig sein: Von der ersten Minute ihrer Existenz an waren sie Favoriten des amerikanischen Radiosystems. Und das Publikum kaufte ihre schwarzen Scheiben wie wild.
DOUBLE VISION, Anfang ’78 aufgenommener LP-Zweitling, und die ausgekoppelten Singles „Hot Blooded“ und „Double Vision“ festigten den Status der Band. Allein von dem Album verkauften Foreigner in ihrer neuen Heimat fünf Millionen Exemplare. Von Eintagsfliege, wie vorschnell gemutmaßt, konnte also wirklich keine Rede sein.
Bei diesem Grad an Popularität treten zwangsläufig Kritiker und Kritikaster auf den Plan. „Ein besonders sarkastischer Kollege hat einmal, nicht allzu ernsthaft allerdings, vorgeschlagen, Foreigner mögen ihren Namen doch in Sitting Duck verwandeln. Weil sie nun einmal eine so einfache Zielscheibe für Kritiker-Hiebe sind.“ So erinnerte sich der Rezensent der Los Angeles Times an die allgemein vorherrschende Kritiker-Stimmung. Das „Schulbeispiel einer Durchschnittsband“ (Kurt Koelsch) wurde praktisch zum „Sündenbock des 70er Rocks“ hochstilisiert, wie das Musikblatt Circus einmal kommentierte.“.Jedermann scheint Probleme mit der Combo zu haben. Außer jenen, die die Platten kaufen. Vielleicht liegt’s am Image der Band oder, besser gesagt, daran, daß sie gar keines haben.“ Aber dazu später mehr.
„Ich hatte immer das Gefühl, wir hätten etwas durchaus Substanzielles und Wertvolles produziert“.
greift Mick Jones die Thematik auf. “ Wir haben nie Ausverkauf betrieben. Wir haben nie etwas bewußt Billiges produziert. Wir haben wirklich etwas Besonderes geschaffen. Nichts Neues, total Neues. Aber wir haben unser eigenes Eckchen gefunden, sind unsere Musik anders angegangen. Doch wie ich später erkennen mußte, taten wir’s wohl nicht mit ausreichender Identität. „
Kurt Loder brachte es im Rolling Stone einmal auf die Formel: „Foreigner sind eine Band mit Massen-Appeal. Sie kultivieren gutartig harmlosen Middle-of-the-road-Rock, der ein Publikum eher einlullt,
als es auf irgendeine Weise zu fordern, aufzuputschen. Und obwohl dieses Kommerzialität-um-jeden-Preis-Genre nicht unbedingt von jenen geliebt wird, die Erfindungsreichtum für einen wesentlichen Aspekt der Rockmusik halten, muß man doch konstatieren: Wenn diese Art von Musik gut gespielt wird, kann sie durchaus ihren Reiz haben. „
Foreigner mußten es sich in diesen ersten Jahren des öfteren gefallen lassen, mit Bands wie Kansas oder Boston, auch Styx verglichen zu werden. Gramm kommentierte lakonisch: „Ich will hier keine Namen nennen. Aber ich möchte nicht dauernd mit diesen Bands in den gleichen Topf geworfen werden. „
„Die Musik, die wir spielen, reflektiert natürlich auch die Musik, die wir gehört haben, als wir uns für Rock VT Roll zu begeistern begannen. Und das beinhaltet alles – von Buddy Holly und Gene Vincent bis hin zum Rhythm & Blues und Marvin Gaye“. bringt Mick Jones die ungeliebte Stil-Diskussion zu einem Ende.
Eines aber hatten die Köpfe der Band schon realisiert: „Um unseren Sound härter werden zu lassen, mußten wir uns von unserem Bassisten trennen.“
Nachfolger von Ed Gaghardi, dem ersten „Opfer“ der Foreignerschen Begradigungspolitik, wurde ein weiterer Engländer: Rick Wills. Der alte Spezi von Pink Floyds David Gilmour, Mitkomponist des Peter Frampton-Hits „Do You Feel Like We Do?“, Aushilfskraft u.a. bei Roxy Music und mit geschätzten ein Meter achtzig der größte der Small Faces, brachte genau den trockenfurzigen Baß-Sound in die „Band-Chemie“ ein, die Foreigner erlaubte, fortan „Schmutzigeres“ wie etwa „Dirty White Boy“ zu intonieren.
HEAD GAMES, 1979 erschienen, hieß das dritte LP-Werk – das erste mit Wills am Baß. Und nicht nur wegen des angeblich sexistischen, letztlich aber nur dümmlichen Plattencovers bekam die Combo Breitseite um Breitseite ab.
Klar: Auch diese Scheibe verkaufte sich millionenfach. Aber das konnte die Betroffenen nicht trösten. „Diese LP war eine einzige Enttäuschung“, gab Gramm dem Rolling Stone zu Protokoll.
Während der Japan-Tournee Anfang ’80 brodelte es in der Gruppen-Chemie. Eine Explosion schien unausweichlich: die Kommunikation zwischen den Mitgliedern hatte ihren Tiefpunkt erreicht. .. Wir wußten damals nicht, ob wir jemals wieder ins Studio gehen würden“, erinnert sich Gramm. „Ob wir überhaupt je wieder etwas produzieren könnten. Ich kann es nicht für die anderen sagen: ich persönlich war jedenfalls reichlich desillusioniert. Ich wollte nur noch weg. raus aus der Gruppe. Da war diese verdammte Selbstgefälligkeit bei einigen Mitgliedern. Die nahm einem wirklich die Luft. Ich entdeckte auch schon Ansätze bei mir selbst. Und das mochte ich überhaupt nicht.“
Vor der sich abzeichnenden Konsequenz aber hatte das Quartett Gramm-Jones-Elliott-Wills, das sich noch am ehesten einig war, letztlich doch große Muffen. „Schließlich
halten AI und lan jahrelang konkrete Beiträge zu Foreigner geleistet. Aber das war einfach vorbei.“
Dennoch: Die Konfrontation blieb zunächst aus; man begann sogar gemeinsam am vierten Album zu arbeiten.
Wunsch-Producer „MuH“ Lange (u.a. erfolgreich mit AC/DC) rümpfte jedoch die Nase, als er im Sommer erste Demos hörte. „.Wenn ihr zehn Songs aus diesem Müll wählt, könnt ihr letztlich froh sein, wenn ’s ein Top-20-Album wird‘, holte uns Lange zusätzlich auf den Teppich“.
erinnert sich Gramm in einem Gespräch.
Also wurde sämtliches Material über Bord – und Greenwood und McDonald aus der Band geworfen. „Es war eine Erlösung“, kommentierte Lou. Lediglich zu viert ging man ins Studio, um „4“ in Angriff zu nehmen.
Rund 16(!) Millionen Platten hatte man bis dato weltweit verkauft. Geldprobleme dürfte keiner der Burschen mehr gehabt haben. Eher Probleme mit dem angeknacksten Selbstwertgefühl: Wozu zum Teufel sind wir eigentlich noch fähig?
“ Wir hatten einfach das ehrliche Bedürfnis, mit diesem Album wieder das Feuer zu entfachen, den Spaß am Spielen wieder zu entdecken, so wie es eben in den Anfangstagen war“, markierte „4“ nicht nur für Jones einen Wendepunkt. …Mutf half uns. unser Material erst einmal auf das Wesentliche zurückzuschrauben. „
Und diese wurden dann mit Hilfe von Gastmusikern je nach Lust, Laune und Bedürfnis mit für Foreigner teilweise ungewöhnlichen Sounds aufgefüllt. Thomas Dolby spielte Synthesizer und teilte sich den Job mit Mr. Synergy, Larry Fast; Mark Rivera blies ins Saxophon und für „Urgent“, Foreigners ersten „Disco“-Hit, konnte man schließlich Junior Walker (der vorher sicher nie etwas von Foreigner gehört haben dürfte) verpflichten.
Der Einsatz lohnte sich. „4“ wurde Foreigners erstes internationales Nr. 1-Album. Zusammen mit den Bühnen-Gästen Rivera (Saxophon, Gitarre), Bob Mayo und Peter Reilich (beide Keyboards) gelangen Foreigner auch erstmals wirklich überzeugende Konzerte – so zumindest der Tenor vieler Reviews.
„Den einzigen Gimmick. den sich die Gruppe auf der Bühne leistete, war eine überdimensionale, aufblasbare Musikbox bei Jukebox Hero“, urteilte der Record Mirror.
Ansonsten beschränkte man sich darauf, Musik pur und vergleichsweise überzeugend zu präsentieren. Gutes Licht, klar. Bühnen-Brimborium und gestylte Klamotten, nein danke!
„Klar, ich denke, wir haben dieses Image“, raffte sich Micky Jones in einem Gespräch einmal mehr auf, diesen von vielen als Mangel empfundenen Punkt zu relativieren. “ Wir haben das Image, eine Band zu sein, die gute Alben und gute Songs abliefert. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sind ein Haufen ehrlicher Burschen, die mit dem, was ihnen Spaß macht, ehrliche Kohle zu machen versuchen.“
Und daß er, Mick Jones, der immer aussieht wie ein braungebrannter Businessman mit leicht angegrautem Pilzkopf, bei dem Status seiner Band auch noch relativ anonym geblieben ist, freut ihn besonders. Hier mal ein Autogramm, dort ein Hallo; Sting, Nena oder Boy George können nur davon träumen. “ Wenn wir auf der Bühne sind, sehen wir wohl exakt so gut aus wie Otto Normalverbraucher“, witzelte einmal Rick Wills.
Daß so ein „boys next door“-Image genauso oft einen potentiellen Käufer „gängiger“ (meint nicht die Qualität, sondern Form und Inhalt) Musik zum Konsum motivieren kann, wie andererseits auch der Griff zum Exoten (etwa Cyndi Lauper) von Zeit zu Zeit logisch erscheint, um Träume neu zu entdecken, erklärt auch, warum Foreigner neben all den neuen Pophelden bestehen konnten.
Einen derartigen Status zu erreichen, ist sicher ein hartes Stück Arbeit. Ihn aber zu festigen und über die Jahre noch weiter auszubauen, ist nur mit einer gehörigen Portion Glück auf der einen – und sehr viel Willenskraft auf der anderen Seite zu realisieren.
Da gilt es einmal den inneren Schweinehund zu bekämpfen. Man muß sich immer wieder neu motivieren und kreative Hintertürchen offenhalten. Ständiges Wiederholen einmal erfolgreicher Normen kann erfahrungsgemäß schnell zum Selbstplagiat führen.
Zum anderen aber muß man, zumal auf dem amerikanischen Markt, konstant darauf achten, die eigene künstlerische Befriedigung in der Form von Innovation und Experimentierfreudigkeit in vom Publikum nachvollziehbaren Bahnen zu halten. Sonst kann selbst bei einem etablierten Act wie Foreigner, kommerziell gesprochen, schnell der Ofen aus sein.
Für Mick Jones ist eine Trennung zwischen Musik und Business denn auch überhaupt nicht mehr denkbar: „Es wäre wohl ziemlich naiv zu glauben, in dieser Größenordnung Musik ohne Beachtung des Business machen zu wollen.“
Schließlich war es ja nicht zuletzt die professionell orientierte US-Szene, die die Briten nach ihrer Übersiedlung faszinierte. Geschlaucht von der damaligen Management-Situation im Vereinigten Königreich, mußten sich Jones und Co. bei Mickey Maus und Coca Cola wie im Schlaraffenland vorkommen.
„Warum es in Amerika bessere Managements gibt? Weil in Amerika alle am Geschäft interessiert sind“.
glaubt Wills den Hauptgrund erkannt zu haben. „Es bleibt einfach kein Raum für Stümper. Wer in Amerika versagt, ist automatisch eine große Null.“ Und für Nullen interessieren sich Foreigner sicherlich nur im Rahmen von Umsatzzahlen.
Daß Foreigner bei der Arbeit an AGENT PROVOCATEUR ihren bislang üblichen Zweijahres-Rhythmus um gut 1’/? Jahre überzogen, mag neben musikalischen Differenzen zwischen Mick Jones und Lou Gramm auch daran gelegen haben, daß selbst solch ausgebuffte Profis Angst vorm Versagen haben. Da kann es schon passieren, daß man in eine solch schizophrene Situation hineinrutscht, ein besonders spontanes, erdiges Werk produzieren zu wollen – und sich letztlich Monat um Monat länger im Studio herumdrückt.
Mick Jones hat noch eine Erklärung parat: „Irgendwann einmal an einem Punkt unserer Karriere habe ich einfach festgestellt, daß sich die Band auf Dauer an der Album- Tour-Album-Routine aufreiben würde. Also haben wir beschlossen. In Zukunft mehr Gedanken, mehr Arbeit in unsere Produktion zu investieren. „
Für die nächsten drei Jahre müssen sich Foreigner jedenfalls keine Sorgen machen. Auch Album Numero Fünf (den Sampler RE-CORDS nicht mitgezählt) kam beim Publikum glänzend an. „Falls mich jemand fragen sollte, was nun verglichen mit den Vorgängern an AGENT PROVOCATEUR anders ist, könnte ich z. B. antworten: Möglicherweise haben wir die langsameren Songs veredelt. Einige Balladen sind vielleicht noch einen Tick emotionaler geworden, vielleicht auch dramatischer. Und gleichzeitig sind wir auch härter geworden, was unsere Rocksongs betrifft.“
Selbst Experimente wollen sie gewagt haben, was bei Foreigner natürlich nur relativ zu verstehen ist. Mick: „Das fing schon mit einem funky Titel wie .Urgent‘ auf ,4′ an, mit einem nicht gerade alltäglichen Saxophonsolo. Und auf dem neuen Album denke ich vor allem an die Ballade, zumal mit einem Gospelchor im Hintergrund und das auch noch als erste Single! Und, Stranger In My Own House‘ ist eine interessante Heavy-Nummer. nicht unbedingt straight zu nennen. Das gefällt mir. „
Und trotzdem: So ganz scheint selbst das erfolgreiche Bandprojekt den Gründer und Gitarristen nicht zu befriedigen. Laura Canyon vom HM-Magazin Kerrang konnte Jones gar entlocken, er plane über kurz oder lang ein Soloprojekt. „Das ist schon denkbar. Schließlich schreibe ich die verschiedensten Sachen, die nicht alle bei der Gruppe Verwendung finden können. Ich habe tatsächlich Ambitionen, die mehr in Richtung Avantgarde tendieren und vielleicht schon in diesem Jahr realisiert werden können.“
Einen möglichen Partner ließ er auch schon durchblicken: Chic’s Nile Rodgers.