Julee Cruise
Im November 1989 wurde Julee Cruise aufgehängt Sie baumelte an Drähten über der Bühne der Brooklyn Academy Of Music, konnte aber trotzdem noch das Repertoire ihres Debütaibums FLOATING INTO THE N1GHT singen. Regisseur David Lynch und sein Hauskomponist Angelo Badalamenti hatten der hübschen Julee nicht nur die wohl merkwürdigste und zugleich interessanteste Platte des Jahres 1989 auf den Leib geschneidert — sie waren auch die Initiatoren jener Jndustrial Symphony No 1″, in der die Sängerin an die Decke ging. Das nur einmal aufgeführte Spektakel glich einer irrealen, dunklen Schattenwelt voller mysteriöser Gestalten — mit Zwergen, Autowracks und allerlei Industrie-Müll. Über dieser Szenerie schwebte Julee Cruise wie ein kitschiger Rauschgoldengel und sang ihre von Sirup süßer Sinnlichkeit triefenden Songs, in denen unterschwellige Begierden und Lüste immer wieder bedrohlich aus den Kulissen lugen.
Diese „Industrial Symphony“ war Vorbote des morbiden, maroden Seifenopemkrimis „Twin Peaks“, der seit 1990 über Amerikas und Englands Bildschirme flimmert. Der synthesi- ¿ Kurz vor der Kitsch-Kollision: Jutees Blues.
zer dumpfe Gitarren-Hall des Songs „Falling“ ist Leitmotiv der TV-Scrie — kein Wunder also, daß das Publikum im vollgestopften Symphony Space auf Manhattans Upper West Side, das eindeutig aus „Twin Peaks“-Fans bestand, in spontanes Beifallsgemurmel ausbrach.
Julee Cruise stand an diesem Abend zur Abwechslung mal mit beiden Beinen fest auf dem Bühnenboden. Begleitet von einer fünfköpfigen Band sang sie hintereinander weg die zehn Songs ihres Albums FLOATING INTO THE NIGHT. Befreit vom Bühnenwirrwarr der Aufführung im vergangenen Jahr, schrammten Badalamentis surrealistische und oft auch symphonisch wirkenden Songs gefährlich oft am Kitsch der Rock n^Roll-Bailaden der 60er Jahre vorbei. Die Texte von David Lynch mit tiefschürfenden Lamenti wie „Liebe hat unsere Herzen entflammt“ oder „traurige Träume schweben durch dunkle Bäume“ — tun dazu ein übriges. Julee Cruise rettet freilich mit ihrer engelsgleichen Sopransrimme auch die gefährdeten Songs vor fatalen Kitsch-Kollisionen und sprüht statt dessen die Gefühlsduschen wie musikalische Tautropfen in den dunklen Saal und in die Ohren der Zuhörer.