Julian Cope schreibt über Krautrock aus der Fan-Perspektive


Deutschland hatte 1945 nicht nur – gottlob! – den Krieg verloren, sondern weit mehr als das: seine gesamte kulturelle Identität. In den 50er Jahren war der Rock’n’Roll erfunden worden, in den 60er Jahren der Beat, und all das unter Ausschluß der deutschen Musikszene. Erst als die siebte Dekade dieses Jahrhunderts ins Land zog, war das Selbstbewußtsein junger deutscher Musiker stark genug, um der Pop-Historie ihren eigenen Stempel aufzudrücken. So entstand ein merkwürdiger Sound namens „Krautrock“, geprägt von ebenso skurrilen wie genialen Bands namens The Can, Kraftwerk, Amon Düül II oder Popol Vuh. Musik wie ein langer LSD-Trip, die mit Elvis Presley soviel zu tun hatte wie Richard Wagner mit den Beatles. Denn hinter all diesen Formationen mit ihren mystisch-merkwürdigen Namen stand der unbedingte Wille, das Leben in der chaotischen Umbruchsstimmung der frühen 70er Jahre in Deutschland in einen ebenso chaotischen kreativen Kontext zu stellen.

Von diesen wenigen verrückten und künstlerisch einzigartigen Jahren in Deutschland berichtet ausgerechnet das Buch eines Engländers: Julian Cope, Krautrock-Fan der ersten Stunde, selbst Musiker (vormals The Teardrop Explodes, jetzt solo) und selbsternannter Magier. Cope beschreibt die „Krautrock“-Ära unvollständig, liebevoll und aus der Perspektive des unbestechlichen Fans. Sein englisch ist so holperig und enthusiastisch wie die ersten Platten der „Krautrock“-Ära, keine Anekdote ist ihm abgedreht genug, sie nicht zu erwähnen, sein schmales Bändchen erinnert an einen Comic ohne Bilder. Und vielleicht ist diese Form der Annäherung ja auch die einzig mögliche an eine Ära, die gerade mal ein Vierteljahrhundert her und in Zeiten des perfekt organisierten Rock & Roll-Zirkus doch unendlich weit weg erscheint. Damals schien alles möglich und richtig voran ging eigentlich nichts, weil die „Krautrock“-Musikanten viel zu individuell, engagiert und abgedreht waren, um sich der großen Mama Erfolg auch nur annähern zu können. Spätestens 1975 war der „Krautrock“-Zug dann abgefahren – zuviel Irrsinn, zuviel Drogen, zuwenig Professionalität. Daß ein Buch wie Copes „Krautrocksampler“ 20 Jahre später ein „Krautrock“-Revival zur Folge haben könnte, ist klar – aus denselben Gründen, aus denen der Krautrock verschied…