Videoanalyse

Katja Krasavice feat. Fler: Darum ist „Million Dollar A$$“ ein teures Video für den Allerwertesten


Viel Bling Bling und wenig Inhalt: Das von Specter produzierte Video zu Katja Krasavices „Million Dollar A$$“ kostete 175.000 Euro. War es das wert?

Am 22. Oktober erschien das lang erwartete Musikvideo zu Katja Krasavices „Million Dollar A$$“ feat. Fler. Die YouTuberin, Sängerin, Autorin und neuerdings Rapperin hat sich die Single-Auskopplung zu ihrem bald erscheinenden Album EURE MAMI schlappe 175.000 Euro kosten lassen. Inszeniert wurde es von Specter Berlin, der bereits bei Rammsteins „Deutschland“ Regie führte. Zeit, sich dieses Big-Budget-Projekt mal genauer anzusehen.

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Das Intro

In „Million Dollar A$$“ beginnt alles wie in einem dieser Animationsfilme aus dem „Barbie“-Franchise. Auf einem begrünten Vorplatz eines Märchenschlosses galoppiert die Prinzessin auf einem Einhorn durch einen farbenfrohen Regenbogen. Das Bild erscheint, als hätte man es durch mehrere Instagram-Filter gejagt, um ihm jegliche Natürlichkeit zu entziehen. Eine weiße Taube nimmt hinter der Prinzessin auf dem Pferd Platz. Ein Symbol der Unschuld? Von wegen: Die Prinzessin ist fast nackt. Auch die kurzen Filmschnipsel entblößter Körperteile samt erotischem Stöhnen, die die Ruhe des Intros unterbrechen und die so wirken als hätte Tyler Durden aus „Fight Club“ beim Schnitt seine Finger im Spiel gehabt, legen die Vermutung nahe: Der Rest vom Video ist NSFW und nichts für Kinder.

Das Märchenschloss

Im Inneren des Märchenschlosses wimmelt es nur von wilden Tieren, männlichen und weiblichen Stripper*innen, tropischen Pflanzen und großen Teddybären. Die Schauplätze wechseln im Sekundentakt von barocken Sälen zu verspiegelten Räumen mit Gogo-Stangen, zu Gewächshäusern mit Shisha-Lounges bis hin zu Swimming-Pools, in denen fröhlich ein paar Delphine auf- und untertauchen. Hausherrin dieser LSD-Version von Pipi Langstrumpfs Villa Kunterbunt ist Katja Krasavice, die sich mühelos von der nackten Barbie zur burlesquen Tänzerin, zur Schlängenflüsterin mit Turm-Perücke, zur Meerjungfrau mit Fischschwanz und wieder zurück verwandelt. Disney trifft Moulin Rouge trifft 50 Cents „Candy Shop“. Und während ein zufällig gewählter kreativer Impuls den Nächsten jagt, drängt sich die Frage auf: Wie passt das jetzt alles zusammen? Und warum jetzt genau?

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Der Text

Der Song wird eingeleitet durch Featuregast Fler, der den ersten Teil der Hook übernimmt: Wenn ein Baby mit mir datet, ist es Update (uh) / Denn ich esse ihre P***y wie ein‘ Cupcake (ah) /“. Begleitet werden diese Zeilen von Katjas Stöhnen, der die banalen Wortspiele und Metaphern zu gefallen scheinen. Sie ergänzt im fortlaufenden Text: „Er will eine Freak-Ho, die bad ist (uh) / Baby, immer wenn ich twerke, ist es Magic/“ Thematisch wird diesen Aussagen nicht mehr viel hinzugefügt. Es wird getwerkt, gefeiert, gebangt und die „Kiddies kriegen Boner in ihren Dickies“. Ab und zu werden Scheine auf „Bitches“ geschmissen, was bei Katja dann „Charity“ bedeutet, während Fler die Weiber „splashen“ lässt wie „Jet-Skis“. Hervorzuheben ist Katjas angenehmer Rap-Flow, der bei ihren vorangegangenen Singles noch etwas unsicher wirkte. Ansonsten beschränkt der Inhalt sich auf Wortspiele rund um Sex, auch wenn der bei Katja wohl ziemlich „rich“ zu sein scheint.

Der Visionär

Hinter dem Musikvideo zu „Million Dollar A$$“ steckt Specter Berlin, einer der kreativen Wegbereiter des legendären Berliner HipHop-Labels „Aggro Berlin“, der u.a. bereits Rammsteins „Deutschland“ kostspielig inszenierte. Ähnlich wie bei dem Video zu „Deutschland“, geht es bei dem Video von Katja Krasavice vor allem um eines: Provokation. Während es aber bei Specters Version zu dem Rammstein-Song zusätzlich noch um Themen wie toxische Männlichkeit und ihr Beitrag zur Geschichte einer Nation ging, verspürt man bei „Million Dollar A$$“ hinter der knallbunten und übersexualisierten Oberfläche eine schwerwiegende und gähnende Leere der Ideenlosigkeit. Halbnackte Frauen und Männer, die das tun, was sie eben so in HipHop-Videos tun, popkulturelle Referenzen aus dem vergangenen Jahrhundert – alles in irgendeiner Form schon mal da gewesen und wenig schockierend.

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Das Fazit

Die Vermutung liegt nahe, dass das die Zur-Schau-Stellung von Katja Krasavices Körper gepaart mit ihrem selbstbewussten Auftreten als Empowerment verstanden werden soll. Demgegenüber steht das Gefühl, dass hier eine visuelle Orgie popkultureller Bilderwelten gefeiert wird, die zum Einen schon etwas überholt wirken (wenn man sie isoliert betrachtet) und deren sexistischer und frauenverachtender Grundtenor zum Anderen schon diverse Male analysiert und ausdiskutiert wurde. Insofern wird hier versucht dem Status Quo beim Thema „Frauen im Deutschrap“ eine ironische Krone aufzusetzen. Schließlich ist hier die Frau nicht das sexy Sidechick des Mannes (Fler), sondern die Hauptdarstellerin. Fler bleibt „nur“ das Feature. Das Umdrehen der Geschlechterrollen und dazugehöriger Machthierarchien im Rap haben aber beispielsweise schon SXTN mit dem Song „Die Ftzn sind wieder da“ praktiziert. Und das um einiges origineller. 

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Den Effekt, den der Song und das Video vor allem bei männlichen Zuschauern auslösen soll, kann im Grunde auf die (unfreiwillig komische) Zeile von Fler runtergebrochen werden: „Ich hab Katja nicht gebangt, doch ich würde gerne“. Schade eigentlich. Da wäre bestimmt noch mehr drin gewesen.

Katja Krasavices Album EURE MAMI soll am 29. Januar 2021 erscheinen.