Kein Ende in Sicht
DIE FIRMA aus Köln hat ihren Blick für die Befindlichkeit dieser Welt geschärft. Und sieht mit dem Dritten Auge nun noch besser.
Die Firma wird ganz sicher nicht vergessen wo sie war, am 11. September, und was sie gemacht hat, als das Antlitz der Welt von den Rauchschwaden über Manhatten verdunkelt wurde. „Wir drehten auf Kuba das Video zu ‚Hör ma!‘, der ersten Single aus unserem neuen Album“, erklärt Produzent und Firmen-Chef Daniel Sluga alias Fader Gladiator. „Da die Insel in derselben Zeitzone wie New York liegt, haben wir morgens live im Fernsehen mit anschauen müssen, wie das World Trade Center einstürzte.“ Für ihn wie für die Rapper Ben Härtung (Def Benski) und Aiex Terboven (Tatwaffe), die schon immer gern mit Wellverschwörungstheorien und Apokalypsen hantierten, schien offensichtlich, dass es sich um den Dritten Weltkrieg handelt und man das letzte bisschen Zukunft der Menschheit noch rasch bei Nostradamus nachlesen könne.
Aber als sich die Blitz-Apokalypse längst schon in den langwierigen Prozess eines Dauer-Bombardements der Nato gegen Afghanistan verwandelt hatte, stand die Band noch unter dem Eindruck der „Ereignisse“. Folglich findet sich auf dem neuen Album „Das dritte Auge“ ein Beitrag zum Thema. Und nicht nur das, „Kein Ende in Sicht“ ist der ebenso ernsthafte wie ehrenwerte Versuch, die Themen Terror, Horror und Leid künstlerisch zu verarbeiten. Textautor Alex Terboven verweist auf Profiteure, Hintermänner und Jahrhunderte alte Konflikte, und er müht sich, dabei nicht in die Falle eindimensionaler Schuldzuweisungen zu tappen. Ein ambitioniertes Stück, und dazu gute HipHop-Tradition. Denn mit derlei Stellungnahmen besinnt sich Die Firma auf die alte Funktion des HipHop, die im Battie über Chart-Eitelkeiten längst verloren schien: Sprachrohr sein, gegen das fronten, was faul ist im Staat oder in der Nachbarschaft.
Zugleich fügt sich der aufwühlende Track in die bekannte Sound- und Themenwell der Firma ein und gibt so ein Statement dafür ab, dass ein Leben mit Alltagsnormalitäten weiterhin gestattet sein muss. Fader Gladiator gefällt sich noch immer als Rubens der HipHop-Soundmalerei, baut fetteste Streicherwände um geradlinige Beats – ein üppiges Klanggemälde zwischen Mafia-Soundtrack, Spaghetti-Western und Missjon-Impossible-Melodie, vor dessen Hinlergrund Def Benski und Tatwaffe diverseste Realitäten überblenden oder in geheimer Mission durch die Welt jetten. Bliebe nur zu fragen, ob es wirklich gelungen ist, die ollen Super-Gangster-Schimären weiterhin als Form des Entertainments zu präsentieren. „Wenn wir das alles angezweifelt hätten“, entgegnet Gladiator Daniel, „dann hätten wir unsere künstlerischen Grundlagen völlig in Frage gestellt.“
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