Keine Dogmen. Danke.


Warum sollte man Folk, HipHop, Elektronika und Indierock sauber getrennt halten? Das fragen sich Why? auch. Unter anderem.

Fragt man Jonathan „Yoni“ Wolf, dann sähe er die Platten seiner Band Why? am liebsten unter „undefinable“ oder ,“free of genre“ einsortiert. Sie passen aber auch ins Fach für depressive Kurzgeschichten mit Musik, denn neben dem Genre-unwilligen Sound sind es die präzisen Beobachtungen Wolfs und seine gnadenlosen Bekenntnisse, die die Band aus Oakland kennzeichnen. Geschichten von der Hinterseite des Einkaufszentrumsgebäudes, von schlaflosen Nachtstunden.

Wolf zog in den (joern als rappender Genre-Sprenger aus Ohio nach Kalifornien, wo er in dem freigeistigen Hiphop-Kollektiv Anticon auf Gleichgesinnte stieß. Da passte Wolf gut rein, er beherrschte Elektronika und Hiphop, verstand aber auch den Zeitgeist des San Francisco psychedelic Folk. Als Teil des Trios CLOUD-DEAD erschuf er aus Rap, Folk und Twin-Peaks-Traumsequenzmusik einen völlig eigenen Verquer-Sound. Schon damals wurde der Mann, der sich bald nach der größten aller Fragen Why? nannte, mit Beck verglichen, einem anderen Genre-Verweigerer. „Aber dann wurde selbst Hiphop dogmatisch. Es hieß nur noch ,Das ist Hiphop, das ist kein Hiphop‘. Schlimm, dabei hatte alles so offen begonnen.“

Es war also Zeit für ein neues Statement gegen das verhasste Schubladendenken: Wolf lernte Instrumente, holte Bruder Josiah und Kumpel Doug McDiarmid herbei und gründet eine Band, die er nach seinem Pseudonym taufte. 2005 erschien elephant eyelash, das im Wesentlichen noch nach Folkpop mit Sprechgesang klingt – plus die grantigen Geschichten und die eindringliche Stimme. Im Why?-Kosmos ist das Album jedoch ein gewaltiger Schritt gen Sonne. Auf der neuen Platte alopecia verdüstert sich der Himmel wieder, aber es ist das bislang schlüssigste Werk der Band. Viele Songs beginnen luftig und kollabieren in Moll, Wolf bellt seine Gemeinheiten über flächige Synthies. Live spielt er dazu im Stehen Schlagzeug und bedient Sampler, während Xylophone, Harmoniegesänge und Feedback durch die Luft schwirren (zu bestaunen auf der dieser Tage laufenden Deutschland-Tour; Termine siehe Tourneeseiten). Textlich war Wolf nie näher an der detailversessenen Bekenntnisprosa von Raymond Carver. „Ich wollte immer die Stimme der Straße sein. Ich kann nicht anders als dem Leid ins Auge blicken.“

Und dann legt er los – so, als habe er monatelang das Haus nicht verlassen – und drückt jetzt dem erstbesten Passanten seine Tiraden auf: atemlos, verrückt und ergreifend.

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