Keith Emerson: „Wir öden uns an“
Eine ganze Generation von Supergruppen scheint auseinanderzubrechen. Uriah Heep hält die Zusammenarbeit als Gruppe nur noch mühsam aufrecht, und Gruppen wie die Rolling Stones, Pink Floyd und Ten Years After existieren nur noch in (und vor) den Augen ihrer Anhänger. Einmal jährlich kommt man zusammen auf die Bühne oder ins Plattenstudio und unternimmt anschließend wieder monatelange private Solo-Ausflüge. Auch ein eventuelles Fortbestehen von Deep Purple bedeutet eher ein finanzielles als musikalisches Bedürfnis. Und was ist mit Emerson, Lake and Palmer?
Eine lange Pause
Nach der Gewalt-Tour vor einem Jahr kam von ELP nur noch die Verlegenheits-Veröffentlichung der dreiteiligen Live-LP „Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends“. Das war vor zehn Monaten. In Wirklichkeit aber ist die „Show“ schon lange zu Ende. Emerson, Lake und Palmer kommen nur noch selten zusammen ein neues Album oder eine weitere Tournee sind dieses Jahr nicht zu erwarten. Statt neuer Kompositionen tragen Greg Lake und Carl Palmer in London gegenseitige Streitigkeiten aus – und Keith Emerson bereist die Welt. ME traf Keith in Venedig. Keith war zu einem Konzert der italienischen Gruppe „Banco“ in die Traumstadt gekommen. Nach PFM ist Banco die zweite Formation aus Italien, die Emerson, Lake und Palmer auf ihrem Platten-Label „Manticore“ vorstellen.
Das Interesse an anderen Musikern scheint bei ELP inzwischen größer geworden zu sein, als die eigene Schaffenskraft. Und die (Finanzierungs-)Geschäfte mit ihrer Produktionsgesellschaft sind anscheinend das einzige, was das Trio noch zusammenhält. Keith: „Gute Musik interessiert mich immer. Ich höre gerne andere Gruppen und bin froh, daß ich die Möglichkeit habe, einige wirklich ausgezeichnete Musiker auf unserem Platten-Label einem größeren Publikum nahezubringen.
Mit der geschäftlichen Seite von „Manticore“ habe ich kaum etwas zu tun -darum kümmert sich hauptsächlich Greg.“
Aber: Wer denkt an die Fans von ELP?
Versinken die Aktivitäten von ELP in organisatorischen Problemen und Firmenpolitik, wie die Kunstschätze von Venedig in der Lagune? Wer von Emerson, Lake und Palmer beschäftigt sich überhaupt noch mit der eigenen Gruppe?
Keith zuckt die Achseln: „Wir öden uns an und sind des ELP-Projektes ziemlich überdrüssig geworden. Im Moment gehen wir alle unsere eigenen Wege. Es gibt keine Zukunftspläne – weder Tourneen noch ein neues Album. Nichts!“ Für die unzähligen ELP-Fans bedeutet das weiter warten. Aber worauf?
Ist das die Ruhe vor dem Sturm, und werden Emerson und Co. eines Tages eine neue musikalische Offenbarung präsentieren? Oder erwartet uns das traurige Schauspiel vom Untergang des gigantischen Triumvirats? Auch Keith weiß keine Antwort. Mehr kann (und will) er nicht zu diesem Thema sagen: „Es gibt für uns jetzt nur noch eine Möglichkeit: Wir müssen abwarten, wie sich unsere persönliche Beziehung untereinander entwickelt, und ob wir vielleicht ganz von selbst wieder musikalisch zusammenfinden. Nur eines steht fest: Irgendwie werden wir weitermachen . . .“