Keret House: Das wohl schmalste Gebäude der Welt ist 122 Zentimeter breit
Architekt Jakub Szczesny verwirklichte seine Vision von einem schmalen Haus in der polnischen Hauptstadt Warschau.
Wohnen auf engstem Raum – was in Japan bereits zum Alltag geworden ist und von Architekten in ausgeklügelter Perfektion bedacht wird, ist in Europa meistens eine Ausnahme. In Warschau ist 2012 das wahrscheinlich schmalste Haus der Welt entstanden. Was zunächst als vage Idee des Architekten Jakub Szczesny startete, wurde nur wenige Jahre später zum realen Werk. Das erste Mal präsentierte er seinen ausgefallenen Entwurf auf dem polnischen WolaArt Festival im Jahr 2009.
Das Keret House schmiegt sich zwischen zwei bestehende Bauten aus zwei unterschiedlichen Epochen – und macht von außen nicht den Eindruck einer vollwertigen Behausung. 125 Zentimeter Platz bietet der Gebäude-Zwischenraum – eine architektonische Herausforderung, die in diesem Fall dennoch geschickt gelöst wurde. An seiner breitesten Stelle misst das Haus 122 Zentimeter und schlanke 72 Zentimeter an der engsten Stelle. Das Haus gilt zwar eher als Kunstinstallation, ist aber durchaus bewohnbar. Es soll nämlich ein Heim für Künstler oder Schriftsteller auf der Durchreise sein – den Anfang machte 2012 der israelische Autor Etgar Keret.
Jakub Szczesny wollte mit seinem Projekt die Grenzen der Architektur ausloten. Was zunächst als unmöglich erscheint, ist manchmal durchaus umsetzbar, so sein Motto. Er konnte seine Vision in die Realität übertragen und reagiert damit außerdem auf die vorherrschende Architektur in Warschau – eine Mischung aus zufällig angeordneten Strukturen. So scheinen auch das Keret House mit transluzenter Fassade und die beiden anschließenden Häuser, ein Mauerwerksbau aus der Vorkriegszeit und ein Wohngebäude aus Beton, optisch kaum zusammen zu passen.
Neben der Vielfalt war ein weiterer Grund für die Wahl des Ortes die Geschichte Warschaus. Das Keret House ist dort angesiedelt, wo sich im zweiten Weltkrieg einst das große und das kleine „Ghetto“ trafen – ein von den Nationalsozialisten errichtetes Sammellager für polnische und deutsche Juden.