Kings of Leon, Tocotronic, Jagwar Ma: So war der Samstag beim Lollapalooza Berlin


Mit 70.000 Besuchern, bestem Wetter und den Kings of Leon als erste Headliner startete das Lollapalooza in seine zweite Ausgabe.

Nach einigen Auseinandersetzungen mit den Anwohnern konnte das Lollapalooza Berlin am Samstag, 10. September, doch noch im Treptower Park starten und schien trotz der Umstände im Vorfeld unter einem guten Stern zu sehen. Der Wettergott ist dem Festival wohl gesonnen, Gedränge an den Eingängen und lange Schlangen vor den Toiletten scheinen kein Thema mehr zu sein. Die in „Lollapalooza Walk of Stars“ umbenannte Puschkinallee wurde von 70.000 Besuchern erobert und ist gleichzeitig die Hauptachse, von der aus alle Teile des Geländes erreicht werden können. Wir haben uns für Euch ins Getümmel gestürzt und uns die Bands des ersten Lollapalooza-Tages zu Gemüte geführt:

Catfish And The Bottlemen

 

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Während Catfish And The Bottlemen in Großbritannien ein bereits etablierter Name im Indie-Game sind, ist das waliser Quartett in Deutschland noch relativ unbekannt. Da mag es etwas unorthodox wirken, dass die Lollapalooza-Macher die Band für ihren Slot um 14 Uhr auf die Main Stage gebucht haben und nicht für die Alternative Stage. Aber das Konzept geht auf: Die Band um Sänger Ryan McCann kann an diesem schwülen Samstagnachmittag in Alt-Treptow alle mitreißen, seien es Mädchen mit Glitzer im Gesicht oder Jungs mit Libertines-Shirts und Bier in der Hand.

Die Musik der Band wirkt wie eine Fusion aus den Libertines und den Pop-Punkern You Me At Six: Es geht um Exzess, Liebe und einen letzten tollen Sommer. Vielleicht funktioniert der dröge Sound deshalb so gut beim jungen britischen Publikum: Er verleitet dazu, noch einmal so richtig zu eskalieren, bevor der EasyJet einen wieder in die Realität zwischen Erstsemester-Parties und Brexit schleudert. Ein bisschen ähneln Catfish And The Bottlemen in dieser Angelegenheit Tocotronic, die wenige Stunden später auf der gleichen Bühne das deutsche Publikum in ebenjene Ekstase katapultieren werden.

Louisa Zimmer

Jagwar Ma

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Das Trio um Sänger und Multiinstrumentalist Jono Ma kämpft sich am frühen Nachmittag auf verlorenem Posten ab. Es ist nicht so, als sei die Konkurrenz auf den anderen Bühnen während ihres Slots zu groß. Auf der Main Stage britrocken die Waliser Catfish & The Bottlemen selbstherrlich vor sich her und von der Perry’s Stage wehen die einfallslosen Einpeitschansagen eines gesichtslosen EDM-Clowns hinüber. Dennoch füllen sich die ersten Reihen bei Jagwar Ma nur flüchtig – was sehr sehr schade ist, denn diese Band weiß live zu überzeugen. Das Problem ist: Den Australiern steht der Sonnenschein über dem Treptower Park einfach nicht so gut ins Gesicht wie die Dunkelheit eines schweißnassen Clubs. Der Bass pumpt sich durch die Eingeweide, wie man es vom Debütalbum HOWLIN gewohnt ist und auch die zwischendurch eingestreuten neuen Songs des demnächst erscheinenden Zweitlings klingen bereits wohl vertraut. Gut, wer sich hierhin, in die hinterste Ecke des Festivalgeländes verirrt hat.

Dominik Sliskovic

Tocotronic

Tocotronic, Lollapalooza Berlin 2016

 

Wie kann man nur so schön altern wie diese Band? Nicht nur äußerlich, sondern insbesondere musikalisch ist es wundervoll mit anzusehen, wie galant das Quartett den Gang der Zeit verstanden hat.
Mit dem Repertoire Tocotronics würden sich andere Bands längst auf die faule Haut legen und eine Best-of-Tour nach der anderen spielen. Die „Tocs“ bleiben jedoch frisch und progressiv wie etwa „Ich öffne mich“ vom aktuellen „Roten Album“ live mehr als eindrucksvoll beweist.
Abgesehen von der über die Jahre eingespielten musikalischen Klasse hat das Quartett in Dirk von Lowtzow immer noch den Sänger und Redner, der die tollsten exaltierten und überakzentuierten Ansagen der Show-Welt macht. Wie er vor „Aber hier leben, nein danke“ mit dem Publikum interagiert, hat so viel Charme; es würde den ganz großen Rockbands des Festivalzirkus guttun, sich auch nur einen Deut bei ihm abzuschauen und die alberne „Wo sind Eure Hände?“-Fragerei wäre schneller passé als wir adé sagen könnten.

Dominik Sliskovic

Lindsey Stirling

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Lindsey Stirling ist der Thermomix im diesjährigen Lollapalooza-Lineup: Die vor allem in den USA immens erfolgreiche Kalifornierin ist mit sehr vielen verschiedenen Fähigkeiten bestückt, zwischen denen sie scheinbar auf Knopfdruck und je nach Bedarf hin- und herwechselt. Geige spielen ist dabei quasi ihre Kernkompetenz, aber das scheint 2016 nicht mehr auszureichen. Also spielt sie Geige, während sie eigenartige Tanzfiguren aufführt, deren kulturelle Hintergründe schwer decodierbar sind. Manchmal erinnert es an Ballet, dann wieder an jemanden, der einer Wespe ausweicht, im nächsten Moment sendet sie Grüße aus der Bollerdisco oder macht eine Yoga-Figur, und das alles in einem Kleid, das an Küchenböden aus den Frühneunzigern erinnert. Eine vierköpfige Band und eine gut bestückte Musikbibliothek begleiten sie dabei mit einem Rock-Pop-Dance-ganz-bisschen-Dubstep-Ethno-Mix. Quasi die Schnittmenge aus Skrillex, Enya und Anne-Sophie Mutter. Fun Fact: Lindsey Stirling studierte „Therapeutische Entspannung“. Sowas kommt von sowas!

Jochen Overbeck

Max Herre & Kahedi Radio Orchestra

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Leiserpalooza oder was? Der Sound beim Auftritt von Max Herre ist eine Zumutung. Einmal scheint die linke Seite der Anlage komplett wegzubrechen, auch sonst sind keinerlei Feinheiten zu erkennen. Was genau die sicher sehr guten Orchestermusiker da veranstalten, lässt sich, steht man nicht direkt vor der Bühne, kaum nachvollziehen, richtig laut sind eigentlich nur die Vocals. Max Herre scheint das zu bemerken, verhaspelt sich einige Male, startet Songs neu. Trotzdem natürlich ein schöner Spaziergang durch seine Laufbahn, dessen Höhepunkte, man wird mit dem Alter ja nostalgisch, die beiden Freundeskreis-Hits „Esperanto“ und „A.N.N.A“ sind, aber auch neuere Stücke wie „Berlin – Tel Aviv“ vom 2012 erschienenen Album „Hallo Welt“, machen, von erwähnten Soundproblemen abgesehen, Spaß. Als Gäste mit auf der Bühne: Ehefrau Joy Denalane, Megaloh, Afrob und Philipp Poisel.

Jochen Overbeck

Kings Of Leon

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Die Kings Of Leon beweisen als erste Headliner des Festivals mal wieder eindrucksvoll, dass sie so was von mitten im Mainstream angekommen sind. Das bekommen auch die Zuschauer in den hintersten Reihen mit, denn der erste Song der Show, „Over“, klingt dort nicht nur soundtechnisch als würde ein Radio im Nebenzimmer laufen, sondern ist auch sonst kaum von anderen Radio-Schlagern zu unterscheiden. Im Anschluss spielen sich die US-Amerikaner brav durch ihren Backkatalog und packen dabei wahre Goldstücke aus, nur um den guten Eindruck mit einer auffällig langen, fast schon bettelnden Ansage kaputt zu machen, die „besten Fans der Welt“ mögen doch bitte das neue Album WALLS kaufen.

Irgendwann wird der Sound dann doch noch lauter, genau wie das Publikum, das sich klaustrophobisch eng aneinander reibt und nach Ende des Konzerts vom Gelände walzt. Aber natürlich nicht ohne noch zu „Sex On Fire“ mitzuwippen und ein „Happy Birthday“ für Gitarrist Matthew Followill zu singen, während auf den Videoleinwänden ein kitschig nostalgisches Bild von ebenjenem als blondes Kind eingeblendet wird. Hach, wie zahm und niedlich Rockmusik doch sein kann.

Annette Schimanski

Andreas Meixensperger
Christina Wenig
Christina Wenig
Andreas Meixensperger
Christina Wenig
Christina Wenig