Kiss
MEINE GÜTE, WAS WURDE IM VORFELD NICHT alles berichtet über diesen Event. Unvergessen der Auftrieb in Hollywood, wo die Herren Simmons, Stanley, Criss und Frehley aus Limousinen stiegen und – über einen roten Teppich flanierend -ihre Tourpläne verkündeten. Was daraufhin folgte, war ein gespanntes Innehalten im sonst so hektischen Moloch Los Angeles. 55.000 Menschen verfielen dem Mythos und pilgerten ins „Dodgers Stadium“, um sich berauschen zu lassen. Ob sie immer noch berauscht sind, ist mehr als fraglich. Daß sie sich so bald kein Kiss-Konzert mehr antun mögen, ist dagegen eher wahrscheinlich. Was war? Nix war. Jedenfalls nichts besonders Einfallsreiches. Nachdem die Smashing Pumpkins ihren soliden Support abgeliefert hatten, kamen Kiss. Laut und brachial wie schon 1997 bei ihrer Reunion-Tour, natürlich mit Böllern und Raketen bewaffnet, selbsverständlich mit einem blutspuckenden Gene Simmons und einem halbnackten Paul Stanley. Soweit, so gut. Soweit, so einfallslos. Über den Scherz, das Konzert durch die beim Einlaß verteilten 3-D-Brillen zu verfolgen, konnte man beim besten Willen schon nach 10 der 120 Minuten nicht mehr lachen. Zu platt, zu wenig spektakulär, zu unausgegoren, einer Band wie Kiss eben nicht würdig. Wieso die selbsternannte „größte Band der Welt“ unfähig war, sich über die Distanz von zwei Stunden zu bewegen, mag an ihrem fortgeschrittenen Alter liegen. Wieso das Viergestirn aber nur drei Songs vom aktuellen Album „Psycho Circus“ spielte (wo es der Welttour doch den Titel gibt), wird ihr wohlgehütetes Geheimnis bleiben. Als Reminiszenz an die Kiss’sche Ewigkeit bleiben nur Klassiker wie „I Was Made For Lovin’You“,“Deuce“,“Cold Gin“, „Detroit Rock City“ oder „Black Diamond“ bestehen. Immerhin – und das spricht wenigstens für die Fürsorglichkeit der Rockprofis-wurden dem zwischenzeitlich desinteressierten Konzertbesucher spektakuläre Ablenkungsmöglichkeiten geboten. So priesen diverse Merchandising-Dealer auf sensationell gefüllten Gabentischen Waren an, die die Pleite auf der Bühne schnell verdrängen halfen. Beim Anblick von Kiss-Weinflaschen stellte sich beim enttäuschten Fan schließlich doch noch das ein, wofür Kiss-Konzerte lange Jahre standen: minutenlanges, fassungsloses Erstaunen. Neben dem Kiss-Kommerz-Overkill ist im Grunde nur noch ein Detail wirklich der Erwähnung wert: Der ehedem solide Schlagzeuger Pete Criss hat sein Gestühl gewechselt. Der Mann ist jetzt mit Rückenlehne ausgestattet. Sie sind eben in die Jahre gekommen, die Herrschaften.