Kleine, freche, schlaue Biene


M.I.A.

Maya

XL Recordings/Beggars

****1/2*

Mit diesem Album verschwindet die Künstlerin hinter ihrer Kunst und hinterlässt damit ein paar irritierende Abdrücke auf der Landkarte von Ethno, Electronica und Space-Rock.

Mathangi „Maya“ Arulpragasam war dann doch wieder schnell. Bevor überhaupt nur ein Wörtchen über die Qualität ihrer neuen Songs getwittert werden konnte, hatte sie mit „Born Free“ ein Stück Hochleistungs-Rock’n’Roll rausgeschossen, das von einem „Skandal-Video“ angeführt wurde, in dem US-Milizen eine Gruppe von Rothaarigen auf ein Minenfeld schicken. Am Ende des schnell von YouTube verbannten Neun-Minuten-Clips von Romain Gavras fliegen zerfetzte Körper durch den Wüstensand, Holzschnitthollywood auf Kontrakurs. Dass dieses Video in aufreizend gefährlichem Verhältnis zum durchgestylten Guerilla-Chic der Künstlerin steht und zu Missverständnissen geradezu einlädt, gehört zum Programm von MAYA, M.I.A.-Album Nummer drei seit ARULAR 2005, dem letzten großen Urschrei der Popmusik. Ferne Echos dieses Urschreis zirkulieren auf MAYA noch durch „Lovalot“, den vielleicht kunstvollsten neuen M.I.A.-Song, der sich unter reichlich Gepolter und Geschnarre, unter rhythmischen Flechtarbeiten aus dem diasporischen Soundlabor meldet: „I really love a lot, but I fight the ones that fight me“. M.I.A. is alive lautet die knappe Botschaft, „and kicking“, müsste man ergänzen. Kind, Kunst, Kriegserklärung, alles geht. Wer nach „Paper Planes“, dem zu Weltberühmtheit gelangten M.I.A.-Song vom letzten Album KALA, eine Sammlung größerer und kleinerer Hits erwartete, muss enttäuscht werden (MAYA enthält allenfalls kleinere Hits). Waren die Vorläufer-Alben noch ein Angriff auf die angloamerikanische Weltordnung des Pop, verschwindet die Künstlerin diesmal hinter der Kunst. Auf dem Cover des neuen Albums wird Maya von Audio-Stream-Ladebalken überdeckt, der Augenschlitz darf an eine Burka erinnern. Irgendwo spielt M.I.A. mit den Bildern einer hasardierenden islamischen Jugend, es gibt Songtexte, die auf dem Terrormoment drehen, am Ende aber mehr Bilder zeichnen als Positionen einnehmen („Like a hand-me-down sucker throwin‘ bombs out at Mecca“). Ein Großteil der Inhalte verschwimmt im schieren Gestrüpp aus Beats und Noises, aus Echo und Auto-Tunes, aus Ethno-Anleihen und Ballerblues. MAYA klingt wie ein schlecht gelauntes DJ-Kicks-Album, und M.I.A. legt erstaunlich weite Strecken zurück, vom Adrenalin-Rock „Meds And Feds“ bis zur kleinen Hymne zum Finale, „Space“, eine Leihgabe aus dem Animal-Collective-Universum am anderen Ende des Pop. Weiter nach vorne in den Mainstream bewegt sich die Künstlerin nicht.

Artverwandtes: Diplo Florida (2004) Major Lazer Guns Don’t Kill People… Lazers Do (2009)

www.miauk.com

Story ME 7/2010