Kleopatra des Krawalls


Wer gut gekleidet ist, entscheidet Jan Joswig. Heute vor dem Stilgericht: M.I.A

Pop als ewiger Teeniefasching, das würde M.I.A so passen. Bau dir die Welt, wie sie dir gefällt. Vom Kostümfest-Fundus direkt in die Realität. M.I.A steht mittlerweile als Großmeisterin des unverfänglichen Posierens mit politischen Zeichen da. Die Göre mit dem vergoldeten Stinkefinger. Frauen- und Volksbefreiung hat sich die Tochter eines tamilischen Revolutionärs und Lebensgefährtin eines kalifornischen Warner-Bros-Erben als Unique Selling Point für ihre Musik ausgesucht. Sie verhandelt die Themen auf einer symbolischen Ebene, die alle Verbindlichkeiten im bunten Trubel auflöst. Yo, Madame, was denn nun? Cheerleader, Gladiatorin, ägyptische Kaiserin? Hauptsache, es ist laut und sexy und macht auf weiblichen Hansdampf. Der Kleopatra-artige Kopfputz, der sowohl das Ägypten eines märchenhaften Kaiserinnenreiches wie das des revolutionären Arabischen Frühlings aufruft, setzt die Rhetorik ihres Videos zu „Bad Girls“ fort. M.I.A plündert politische Brennpunkte – und nimmt es gezielt ungenau. Die Burkas der Frauen und die Beduinentücher der Männer stellt sie als gleichberechtigten Guerilla-Chic nebeneinander. Alle sind verhüllt, niemand wird diskriminiert, Diskussion zu Ende, Party ab. Was für eine hohle Krawallmacherin sie ist, zeigte schon das provokante „Born Free“-Video, dessen vermeintlich radikale Rassismusparabel sich bei genauerer Betrachtung im absurden Nichts auflöst. M.I.As Spiel mit den Revoluzzerposen fehlt jegliche Agenda. Wenn Madonna sich Raketenspitzen von Gaultier auf die Brüste setzt und sich in den Schritt greift, injiziert sie der grob gestrickten Emanzipationsbewegung von Alice Schwarzer postfeministischen Glamour, sie positioniert sich in einem klar umrissenen Diskurs. Aber M.I.As symbolische Rhetorik will nicht argumentieren, sondern nur provozieren. Und das gegen nichts und niemanden. M.I.A will Party, dazu braucht sie Futter von außen, je brisanter, desto besser. Politik sorgt für das nötige Quentchen Feuerwerk auf ihrem Fasching, hallo und krachbumm.

M.I.A will das volle Programm. Sie begnügt sich nicht mit dem Traum von der Prinzessin, die vom Helden auf dem Mustang gerettet wird. In ihrem Super-Bowl-Kostüm vereinigt sie Prinzessin und Held. Der Allmachtsanspruch einer verwöhnten Teenie-Blage. Mit ihren 36 Jahren ist sie der pöbelnde Peter Pan im Nimmerland des Pop.

Jan Joswig ist studierter Kunstgeschichtler, wuchs in einer chemischen Reinigung auf, fuhr mit Bowie-Hosen Skateboard und arbeitet als freier Journalist für Mode, Musik und Alltag. Was LL Cool J in den Achtzigern die Kangolmütze bedeutete, ist ihm der Anglerhut.