Kluger Kopf


Mit hohlen Phrasen darf Matt Johnson keiner kommen. Sein Projekt The The setzt einzig auf die Kraft des Geistes.

Matt Johnson hebt den Deckel seiner Teekanne, halt sein Nase über den Rand und schüttelt den Kopf. Wir sitzen in einem stilvollen Hotel in Soho. Nicht Soho, London, son dein Soho, New York. Und spätestens, wenn es um Tee geht, vermisst Johnson, der seit fünf Jahren in Chinatown lebt, seine Heimat. Er musste weg, sagt er, England wurde ihm zu eng. Hier, im weltweiten Künstler-Exil, ist er ein Fremder mit Freunden.The The, sein mittlerweile zwanzig Jahre altes musikalisches Ziehkind, ist schließlich auch eine ständige Erneuerung: „Die Idee war eine Konzeptgruppe wie die Plastik Ono Band. Eine feste Gruppe von Menschen hat nur eine sehr begrenzte Lebensdauer.“ Die Vorteile liegen auf der Hand. Matt Johnson ist ungemein beweglich. Er muss sich nicht anstrengen, um die Geister der Vergangenheit abzuschütteln. Im Gegensatz zu vielen Stadionpop-Musikern der 8oer Jahre hat Johnson keine künstlerischen Abgründe, die es wegzuretuschieren gilt. The The war von Anfang an eher Projekt denn Band, entsprungen aus dem avantgardistischen Umfeld von Cabaret ‚ Voltaire und Wire:“Das war eine Phase der britischen Musik, die ich sehr inspirierend fand, was bestimmt auch an meinem Alter lag. Mit 17 oder 18 bist du empfänglich.“ Punk mochte Johnson nie. Wohl das, wofür er stand. Aber nach einem Jahr war das Ganze „nur noch ein Witz“. Viel mehr hing und hängt sein Herz an John Lennon, weswegen Songwriting ihm auch immer wichtiger war als seinem experimentelleren Umfeld.

The The ist die Balance auf dem schmalen Grat zwischen Pop und Kunst, Anspruch und Vermittlung-eine Fähigkeit, die Johnson auch zu Zeiten seiner größten, von Johnny Marr begleiteten Erfolge nicht verließ, auf den Punkt gebracht in dem Song „The Beat(en) Generation“. Johnson, wertkonservativer Bildungsbürger, hasst die konsumorientierte Gegen wart. Fast alle seine Texte handeln von urbaner Isolation und anderen Übeln unserer Gesellschaft. Sein neues Werk erscheint deswegen auch nicht bei seiner alten Plattenfirma, sondern bei „Nothing“, dem Label von Trent Reznor. Dort ist Johnson nun in der Lage, ohne jedwede Verpflichtung Alben mit wohligem Raumklang zu füllen. Auf „Naked Seif“ umwabern lediglich die Gitarre von Eric Schermerhorn, abgeworben von Iggy Pop, und ein wenig Bass und Schlagzeug Johnsons nach wie vor zwischen Leid und Lust wandernde Stimme. Keine Beats, keineTrends. denn „wenn du das Radio anmachst, klingt eh alles gleich.“ Also wurde analog aufgenommen und alles solange durch alte Effektgeräte gejagt, bis Matt, der Perfektionist, zufrieden war und die Musik beinahe jedes Zimmer in einen staubigen New Yorker Lagerraum verwandelt. Johnson selbst liebt die Ruhe – aber wenn schon Beschallung, dann am liebsten chinesisches Kurzwellenradio: „Wer nichts zu sagen hat, soll still sein. Wenn alle so verfahren würden, gäbe es weniger schlechte Musik.“ Folgerichtig wird 3uch jetzt nicht die große The The-Schwemme losbrechen. Stattdessen: Alle drei Jahre ein nachdenklicher Lagebericht in neuer Besetzung und zwischendrin eine Serie von EPs mit Cover-Versionen von Matts Stücken, gespielt von Geistesverwandten wie dem Noise-Gott Jim Foetus odei dem PJ Harvey-Gitarristen John Parrish. Johnson selbst wird wohl einen Film drehen. Natürlich einen mit Botschaft.