Kraftklub & Marteria: Die Ruhe und der Sturm
Marteria und Kraftklub gehören zu den erfolgreichsten deutschen Acts überhaupt. Beide veröffentlichen jetzt neue Platten, alle sind sie gut befreundet. Wir sind mit ihnen Spazieren gegangen, vor den Toren Berlins, dort, wo sich Haselmaus und Wildschwein Gute Nacht sagen.
Der Kellner, der so blickt, als müsse er nicht nur diverse Biere an unseren Tisch tragen, sondern, als würde ganz nebenbei auch noch das Schicksal der Welt auf seinen Schultern lasten, ist indigniert. Und daran ist Motte schuld. Motte steht im Weg. Beim zweiten Mal – diesmal trägt er Schnitzel, Beelitzer Spargel, Entenkeulen und Streuselkuchen – wird der Kellner wirklich ungehalten. „Das geht doch nicht. Ich bringe hier doch das Essen“, sagt er verzweifelt. Motte, die eigentlich gar nicht im Weg steht, schüttelt ihren Hundekopf. Und wir sagen auch lieber nix. Denn eigentlich ist es ja so schön gerade. Wir – das sind der Journalist und zwei Kolleginnen, die Gruppe Kraftklub, der Rapper Marteria und einige assoziierte Personen – sitzen in einer Ausflugsgaststätte in Grünau. Wir waren wandern, dort, wo Berlin langsam zu Brandenburg wird. Wo einem kein Mensch auf den Waldwegen begegnet. Der Specht klopfte, einmal huschte eine Maus über den Waldweg. Nur manchmal schickte der stramme Nordwind Fetzen einer Lautsprecherdurchsage zu uns herüber: Auf der Regattastrecke, vielleicht 500 Meter entfernt, wird Wassersport betrieben.
Auf jeden Fall sind wir in dieser Ausflugsgaststätte gelandet, die auf einer Lichtung am Rande des Waldes liegt. Vom Eingang der dunklen Holzhütte grüßt ein verwittertes Hirschgeweih, im Inneren des Lokals rustikale Bierhumpen. Seit 140 Jahren wird hier Gastronomie betrieben. Es herrscht ein kasernenhofiges Regiment über den vornehmlich älteren Gast, es riecht nach vielen, vielen Fleischgerichten, nach dem ein oder anderen Pils und ein kleines bisschen auch nach den Zigaretten, die hier früher geraucht wurden. Auf den Tischen im Freibereich liegen rote Kunststofftischdecken. Zwei ältere Damen unterhalten sich über Wildschweine. Die haben schon wieder zwei Vorgärten durchgepflügt.Vier Stunden zuvor. Wir haben uns an einem Parkplatz am Waldrand getroffen. Marteria fährt in der G-Klasse vor. Hellgrün und gedrungen ist das Marsimotomobil. Ein Ochsenfrosch, mit dem man gerne mal Wildschwein spielen und den ein oder anderen Vorgarten durchpflügen würde. Kraftklub kommen, bis auf Drummer Max und seinen Hund Motte – der alte Volvo Kombi hält sich wacker –, im unauffälligen Mietwagen. Sie steuern ihn erst einmal durch die größte Pfütze, die der Parkplatz zu bieten hat. Marteria lacht.
„Angeln ist nicht sitzen und warten und dazu drei Dosenbier. Das ist richtig Action.“ – Marteria
Der Rapper und die fünf Boys aus Karl-Marx-Stadt sind ein eingespieltes Team. Es ist nicht nur so, dass bei den Fans trotz eines durchaus unterschiedlichen Stils wohl eine erhebliche Schnittmenge festzustellen ist. Auch die Künstler kennen sich seit Jahren. Eigentlich seit jenen Zeiten, in denen beide noch keine etablierten Acts waren, die die größten Hallen der Republik füllen, sondern sie als Newcomer darum kämpften, überhaupt eine Position zu finden in Deutschlands Musiklandschaft. Als sie noch in Clubs spielten, in denen maximal 200 Leute Platz fanden. „Das erste Mal haben wir uns in Trier gesehen, oder? Du warst kurz zuvor als Support mit den Fantastischen Vier unterwegs und hast davon so Gruselgeschichten erzählt. Und wir standen kurz vor unserer Tour mit Fettes Brot und dachten nur: Ach du Scheiße!“, sagt Felix und fügt an: „Und dann habe ich immer, wenn wir in Berlin feiern waren, Marten getroffen. Das war zu der Zeit, als unser Verhältnis zu Berlin so ambivalent war. Wo wir nicht wussten: Hassen wir diese Stadt, lieben wir diese Stadt? Die Leute gingen mir auf den Sack, aber Marten war immer einer von den Guten. Der Fels in der Brandung.“ „Wir sind zusammen gewachsen“, wird Marteria später sagen und mehrfach betonen, wie selten und wie wertvoll so eine Freundschaft zwischen Künstlern ist.