Kunst, Kitsch oder Wahnwitz? – Rick Wakeman’s Show-Spektakel auf dem Eis
Das war die spektakulärste Rock-Show des Jahres: Am 30., 31. Mai und 1. Juni zelebrierte Tastenkönig Rick Wakeman im Londoner ‚Wembley Empire Pool‘ die monströse Live-Aufführung seines neuen Kolossal-Werkes ‚The Myths And Legends Of King Arthur And The Knights Of The Round Table‘. Umgeben von dem 58köpfigen ‚New World Symphony Orchestra‘ und dem 48stimmigen ‚English Chamber Choir‘ unter der Leitung von Dirigent David Measham, zwischen den ‚Nottingham Festival Singers‘ und seiner Begleitgruppe ‚English Rock Ensemble‘ thronte Rick Wakeman inmitten seiner Keyboard-Runde auf einer zinnenbewehrten Bühnenburg. Dazu tanzten 25 Eiskunstläufer in historischen Kostümen auf der spiegelglatten Eisfläche der Arena.
Es ist mehr als die Anfangsbuchstaben seines Namens, was Rick Wakeman mit dem großen deutschen Komponisten Richard Wagner gemeinsam hat.
Mit seiner Vorliebe für klassische Themen und Produktionen der Superlative hat Wakeman ähnlich dem alten Meister auf seinem Gebiet alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt. Nach dem Aufstieg von den Strawbs zum vielgelobten Tastenvirtuosen von Yes und der Veröffentlichung seines ersten Albums in eigener Regie „The Six Wives Of Henry VIII“ verwirklichte Wakeman mit der aufwendigen Live-Aufführung seines zweiten Werks ‚Journey To The Centre Of The Earth‘. Anfang 1974 erstmals seinen Wunschtraum von einem Gesamtkunstwerk. Im Anschluß an die festliche Premiere und LP-Aufzeichnung mit dem „London Symphony Orchestra“ in der Stärke einer Hundertschaft und dem Englischen Kammerchor führte Rick’s Mourney . . .‘ bis nach Amerika und Australien. Auch wenn sich der musikalische Feldherr Wakeman dabei etwas einschränkte, war er bei diesem Kreuzzug immerhin mit einem Troß von rund 120 Musikern unterwegs. Bei jedem Konzert der Tournee kamen Ausschnitte des utopischen Films nach Jules Vernes phantastischen Erzählungen zum Einsatz, und natürlich gingen auch die Spezialanfertigungen der Urwelt-Monster mit auf die Reise.
Mit seinem neuen Werk „The Myths And Legcnds Of King Arthur And The Knights Of The Round Table“ hat sich Rick Wakeman nun wieder selbst übertroffen.
All der Pathos und pompöse Aufwand erinnert an Richard Wagners Bayreuther Festspiele und den Größenwahn von ‚Bayernkönig‘ Ludwig II.
Ein neuer Meilenstein in der Rock-Geschichte oder Kitsch und Wahnwitz im Großformat?
„Die Aufführung eines neuen Werkes ist für mich ein besonderes Ereignis“, verrät Rick. „Es muß eine totale Sache werden. Dabei sollte man nichts dem Zufall überlassen. Ich habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Heute scheue ich keine Mühe mehr, und auch der größte Kostenaufwand ist mir nicht zu viel, wenn ich dadurch zu einem besseren Ergebnis komme.“
Als ambitionierter Musiker und kompromißloser Perfektionist hat Rick Wakeman sein neues Album selbst komponiert, geschrieben und produziert.
Die Grundidee zu diesem Werk über „Mythen und Legenden von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde“ kam Rick auf seiner Farm in der Gegend von Tintagel, wo König Arthur laut Überlieferung gelebt haben soll.
Wakeman sammelte zahllose Erzählungen über den sagenhaften König und verarbeitete die Geschichte zu einem gehaltvollen Rock-Epos von klassischer Eleganz: sieben Stücke über König Arthur und den Zauber seines Schwertes, über die Festlichkeiten am Hofe und den Edelmann Lancelot, der die Königin liebt und gegen den schwarzen Ritter kämpft; über den weisen Zauberer Merlin und die letzte Schlacht der Ritter der Tafelrunde. Mit ausgereiften Arrangements von Rockinstrumentation und Orchesterpassagen, mit wechselvollen Rhythmuselementen und Choreinlagen zelebriert Rick Wakeman eine unglaubliche Verschmelzung von Rock und Klassik, Operette und Drama.
Bei der Aufführung im Londoner ‚Wembley Empire Pool‘ wurde das Werk zum Kostüm-Spektakel auf Eis.
Ritter auf Schlittschuhen, Rock und Streicher…
22.000 Besucher erlebten an den drei Abenden Rick Wakeman’s ‚Greatest Show On Ice‘: Wakeman-Alben, Wakeman-Poster, Wakeman-T-Shirts und Programmhefte an den Verkaufsständen in den Gängen der Vorhalle und Wakeman selbst im Mittelpunkt seines gigantischen Musiker-Gefolges auf Eis.
Verstärkerbatterien und Lichtanlage hingen auf zwei Plattformkonstruktionen von der Decke herab und gaben so die Sicht auf das gewaltige Schauspiel frei. Rick Wakeman – wieder in seinem bestickten weißen Seidenumhang – sprach einige einführende Worte („. . . besten Dank auch für die Unterstützung der National Westminster Bank!“) und eröffnete das Konzert nur in Begleitung von Rockgruppe und Chor mit Auszügen aus seinem ersten LP-Opus ‚The Six Wives Of Henry VIII‘ und einigen Passagen seines Soundtracks für den neuen Film ‚Lisztomania‘ mit Roger Daltrey.
Doch die Super-Rockshow kam nur langsam ins Rollen. Das Zusammenspiel von Rockmusikern und Chor wirkte anfangs recht schwerfällig, und so konnte Wakeman im ersten Teil des Konzertes nur wenige völlig in seinen Bann ziehen. Man wartete auf das große Ereignis, auf das totale Rocktheater mit der Inszenierung von „The Myths And Legends Of King Arthur And The Knights Of The Round Table‘, was auch von zwei Kamerateams mitgefilmt wurde. Nach der Pause war es dann soweit:
Die Musiker-Heerscharen versammelten sich auf dem Eisfeld – und dann gingen rund um das Bühnenbollwerk die Lichter aus. Zum voluminösen Orchestersound mit Pauken und Hörnerschall zogen Ritter in glänzenden Rüstungen und Burgfrauen mit wehenden Schleiern in gleißendem Scheinwerferlicht ihre Kreise durch die Arena. Die Eiskunst-Weltmeister Reg Park und Pat Pauley hatten die Rolle von König Arthur und ‚Guinevere‘ übernommen.
Vor der wuchtigen Kulisse der zinnenreichen Bühnenflanken fanden heroische Turniere, Reiterkämpfe, Tanzszenen und blutige Schlachten statt. Zwischendurch eine Filmeinlage mit Rick Wakeman als Merlin – stets ausdrucksvoll umwoben von dynamischem Tastenspiel im Spannungsfeld von Rock und Symphonik.
Nach einem etwas langatmigen Zugabe-Exkurs ‚Journey To The Centre Of The Earth‘ neigten sich die Köpfe von Rick Wakeman, Dirigent David Measham und ihrer 120 Musiker und 25 Eiskunstläufer vor den begeisternd applaudierenden Zuschauermassen.. .