Kurz & Klein


Gleich wird mir wieder wer was erzählen wollen, von einer „anderen Herangehensweise“ und von der „ironischen Brechung“ und dem ganzen Schmarrn, den man in Fällen wie dem folgenden zu bemühen geneigt ist. Sofia, eine Band aus Schweden um das Ex-Model Sofia Allard, macht auf search & destroy a punk Lounge experience (Wild Kingdom/Rough Trade) genau das, was der Titel verspricht. Punk-Songs (The Stooges, Sex Pistols, The Clash und so) in „loungy“ Versionen plus sexy-erotisch-lasziv gemeintem Gesang von ebendieser Sofia. Jetzt kann man streiten, ob „Heart Shaped Box“ von Nirvana Punk ist, „Everlong“ von den Foo Fighters und „The Boys Are Back In Town“ von Thin Lizzy sind es auf keinen Fall. Unbestreitbar ist hingegen die Tatsache: Ich kann sowas nicht mehr hören.

Eine der größten Errungenschaften der 1989er Ost-Revolutionen: Die Menschen in den Ländern hinter dem ehemaligen „Eisernen Vorhang“ hatten ab da endlich die Freiheit, mit derselben Scheiße ihre Zeit totzuschlagen, wie es die Menschen im Westen schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnten. Die Band R.M.F. mit der 23-jährige „Tasten- und Frontfrau“ Arina Popova und ihr Album into (Ministry Of Sound/Edel) beweist, dass Russland gut aufgeholt hat. Die Platte steht jedenfalls dem großen westlichen Casting-Pop-Mist in nichts nach, und wird wahrscheinlich ein Hit werden.

Das hat man ja öfters mal: Bands mit komischen Namen, hinter denen sich irgendwer anderes mit einem fast genauso komischen Namen „verbirgt“. Hinter KLOQ „verbirgt“ sich auch wer. Aber wir lassen es uns nicht nehmen, ihn an die Öffentlichkeit zu zerren: Es ist Oz Morsley, der früher bei den Techno-Industrial-Trance-Rockern Empirion tätig war. Das Album move forward (Out Of Line/SPV) möchte man irgendwie schon lieben können. Trotz vereinzelt guter Soundideen und häufig wirksamer Beats bleibt das aber tendenziell stumpfer Electrorock mit starken Industrialeinschlägen.

In einer ganz anderen Liga spielt dagegen Marc Romboy aus, ähem, Mönchengladbach, contrast (Systematic Recordings/Intergroove), das zweite Album des Produzenten, DJs und Labelbesitzers ist eine Verbeugung vor dem Detroit Techno. Zum harten Maschinenbeat kontrastieren soulful Gast-Vocals von Genrelegenden wie Blake Baxter und K-Alexi.

Wenn der von Rechts wegen sehr absurde Begriff „Mainstream Indie Pop“ von einer Band mit Leben erfüllt wird, dann von By Heart. Das sind vier Schweden (aus Stockholm), die mittlerweile nach Deutschland (Berlin) gezogen sind. Wir schließen die Möglichkeit nicht aus, den ein oder anderen Song (zum Beispiel „Anywhere, Anytime“) ihres Albums exit signs (Universal – Download only) dergestalt in einem DJ-Set verstecken zu können, dass keine erbosten Blicke der Crowd dem Schallplattenaufleger die Schamesröte ins Gesicht treiben, aber als Ganzes ist dass dann doch zu kalkuliertes Zuckerguss-Mainstream-Pop-Zeugs.

Nie Olsen scheint mir nicht nur nicht auf den Kopf gefallen, sondern auch noch dazu ein ganz ausgeschlafenes Kerlchen zu sein. Der Südafrikaner mit Wohnsitz München (bitte keine Vorwürfe wegen Lokalpatriotismus oder so, wir kennen diesen Mann nicht) veröffentlicht zeitgleich zwei Alben seines Projekts Sonofold: 3% baby!!! und change is how you feel (beide Little Teddy Recordings/Broken Silence). Das Erstgenannte enthält eine Mischung aus feedbackenden Gitarrenimprovisationen, circa Thurston Moore, Hardcore-informiertem 9oer-Jahre-Ami-Indie-Rock, circa Sebadoh und Steve Albini, und britisch-exaltiertem, stellenweise psychedelischen (Indie-)Pop. Das zweite Album, change is how you feel, ist dann das elaborierte, akustische Singer/Songwriter-Werk mit wunderbarem Harmoniegesang. Die Weltkarriere – nur eine Frage der Zeit.

Apropos Vorwürfe wegen Lokalpatriotismus oder so. Kommen wir jetzt zu Atomic und ihrem zweiten Album Coming up from the streets (Dandyland/Cargo). Das ist schon ziemlich perfekt gemachte Musik-Mimikry. Hauptsache Gitarren! Indie! Pop! Aus jedem zweiten Riff hört man das Echo von Briten und solchen, die klingen als ob. Das kann aber durchaus Spaß machen.

Wer sich ein bisschen erholen will von Briten und solchen, die klingen als ob, der sollte es einmal mit Kunstmusik versuchen. Zum Beispiel mit Thomas Christoph Heyde. Der Komponist veröffentlicht mit hcf (high culture motherfucker) (HCMF Records/Phantomnoise Records) ein Werk, das sich im Niemandsland von Neuer Musik und Live-Elektronik positioniert. Auffällig ist, dass Heyde in den Werken, die in den Jahren 2000 bis 2008 entstanden sind, ein gewisses Effekt- und Referenz-Overacting betreibt. Da können in dem ganzen Avantgarde-Schnickschnack schonmal absichtlich leise gemischte Metalgitarren auf Vaudeville-haftes treffen. Dabei handelt es sich um ein Humorverständnis, das einem Geistesverwandten wie – sagen wir -Jim O’Rourke völlig fremd ist.

Das Schöne an dieser schönen Rubrik ist ja auch und vor allem ihre Kraut-und-Rübenhaftigkeit. Nach der Besprechung des Albums eines sich zum Frank Zappa der Neuen Musik berufen fühlenden Komponisten kann schon mal die von fünf postrockenden Amis aus der Nähe von Boston folgen. Und genauso ist es: Caspian spielen auf the four trees (Make My Day Records/Alive) Instrumentalmusik, die man der Einfachheit halber gerne Post-Rock nennen darf. Die Band agiert lyrisch-impressionistisch und errichtet stellenweise haushohe Gitarrenwände. Caspian haben also das gesamte Dynamikprogramm drauf.

Sind das die amerikanischen Texas Lightning? Ein bisschen zu klinisch-traditionell geht es auf look out (Nettwerk/Soulfood), dem fünften Album von The Hackensaw Boys aus Charlottesville, Virginia, zu. Ultratraditionelle amerikanische Volksmusik, hochgradig zur Untermalung von Redneck-Barbecues und Squaredancevergnügen geeignet. Tom „Pee Paw“ Peloso, der mittlerweile eine Festanstellung bei Modest Mouse innehat, hat zwei Songs, Gesang und Bassspiel zu diesem Album beigetragen.

Ja, ja, die Finnen können so Einiges. Sie sind versiert in den verschiedensten Beackerungen auf dem weiten Feld der Popmusik. Bei Summer challenge (Bone Voyage/Cargo), dem zweiten Album von Goodnight Monsters, das unter anderem im Altai-Studio ihrer Kollegen 22 Pistepirkko entstanden ist, handelt es sich um eine Pop-Exkursion zu den Tiefen der 60er Jahre – Pop mit den Präfixen Space, Beach Boys, Psychedelia. Und Plinkerplunker, Triangeln, Glöckchengebimmel und allem, was dazu gehört.

Kommen wir zur Abteilung Briten, die nicht klingen wie Briten und solche, die klingen als ob. The Last Army aus London wohnen angeblich im selben Haus wie Art Brut in London (wir wussten gar nicht, dass alle Mitglieder von Art Brut so Beatles-HELPl-mäßig in einem Haus wohnen). Ihr Debütalbum the last army (www.myspace.com/thelastarmy) ist voll von düsterem, minimalistischen Gitarrenrock, der mehr mit The Velvet Underground und Sonic Youth zu tun hat, als mit aktuellem Indie-Gerocke. Dazu gibt es Songs (aka Kompositionen), die diesen Namen auch verdienen. Sie können sich vorstellen, dass Musik wie diese allein schon wegen ihrer Andersartigkeit Pluspunkte beim Rezensenten kassiert.