kurz & live


T. Mills im

Privatclub, Berlin

So sieht sie aus, die Generation iPod: Punks – von der Emo-Sorte, aber auch „richtige“, also dreckige – stehen neben HipHoppern, daneben versucht ein rotäugiger Kurt-Cobain-Lookalike, nicht umzufallen. Um sie herum tanzen in den mittleren Neunzigern geborene Mädchen in White-Trash-Klamotten zum Mittneunziger-HipHop des Vorprogramm-DJs. Die Verfügbarkeit von allem hat die Stilgrenzen eingerissen. Dann kommt T. Mills, diese aufwendig tätowierte YouTube-Sensation mit den großen Fleischtunneln in den Ohren und präsentiert um Unanständigkeit bemühten HipHop mit Elektro-Einschlag und den Botschaften des Rock’n’Roll. Die vielen Oberflächen suggerieren Massenpotenzial, doch hinter ihnen steckt kein erinnerungswürdiger Song. Eine einzige Stimme begehrt nach Zugabe. T. Mills kommt trotzdem noch mal. So lange er eben noch kann.

Michael Kiwanuka

im Roten Salon, Berlin

Wenn der Erstplatzierte der „Sound of 2012“-Vorschau der BBC seine Augen weit öffnet, ist es, als knipste jemand einen zusätzlichen Scheinwerfer an. Was für ein durchdringender Blick. Michael Kiwanuka strahlt. Sein erstes Deutschlandkonzert ist ausverkauft. Und die, die es ausverkauft haben, strahlen auch, bejubeln die zum Zeitpunkt der Show noch unveröffentlichten Songs des Albums Home Again, als wären es vertraute Klassiker. Dabei gibt es an diesem Abend nur einen einzigen wirklichen Klassiker zu hören: ein Cover von Bill Withers‘ „I Don’t Know“ aus dem Jahr 1972 als stark geforderte Zugabe. Der Retro-Soul des 24-jährigen Kiwanuka wirkt zwar, als käme er aus derselben Zeit, aber Klang allein ist für diesen Applaus nicht verantwortlich. Der Londoner weiß, wie man einen guten, besser: wie man mehrere gute Songs schreibt.

Wareika im Salon zur

wilden Renate, Berlin

Im Inneren des Clubs, einem ehemaligen Wohnhaus, fühlt man sich wie eine Speise, die sich durch Alfs acht Mägen zwängt. Räume neben-, über-, in- und durcheinander und in jedem davon andere Elektro-DJs, andere Beats. Das Herz, um im Organbild zu bleiben, schlägt hier aber auf dem sogenannten Halligalli-Floor (Berlin, Hauptstadt des durchironisierten Nachtlebens): Ab vier Uhr morgens verschmelzen Wareika aus Hamburg Genres und Besucher. Das Geheimtipp-Trio bringt mit Gitarre, Gesang und allerhand elektrischen Gerätschaften House, Minimal, Jazz, Dub und Rock zusammen. Ein Cover von „Riders On The Storm“, kleine Eurodance-Einsprengsel, als Finale Hans Abers‘ „La Paloma“ – sind wir immer noch in der Welt der Ironie? Hat man sie irgendwann zwischen späten und frühen Stunden hinter sich gelassen? Ist es egal? Das ist es. Herz auf, Kopf aus.