Lake
Noch vor knapp einem Jahr machten Lake als Geheimtip die Runde. Keine Plattenfirma wollte die Hamburger Band haben, weil ihre Musik nicht nach kommerziellem Deutsch-Rock roch. In kleinen Hamburger Clubs konnte man sie hin und wieder hören; ansonsten fristete sie ihr Dasein in schnöden Tanzschuppen, wo sie an Wochenenden fürs Landvolk aufspielte. Der feste Glaube an die eigene Musik ließ die Gruppe allerdings überleben und zahlt sich nun aus: Knapp zwei Monate, von Mitte Oktober bis Anfang Dezember waren Lake in Amerika un terwegs. Sie wurden gefeiert wie etablierte Stars, presch ten mit ihrer ersten LP vor bis ins Mittelfeld der US-Hi« listen und landeten mit ,,Time Bomb" einen Single-Hit. Es ist nicht das erste Mal, daß eine deutsche Band versucht, in Amerika Fuß zu fassen. Doch bislang ging es fast immer in die Hose. Atlantis kamen ohne Anlage wieder, weil ihnen das Geld ausgegangen war. Kraftwerk spielten in halbleeren Hallen, Triumvirat schafften zwar einen LP-Hit, aber keinen Anschlußtreffer mehr. Alle lebten sie ihren Amerika-Traum, hatten jedoch ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht.
James Guercio spitzte seine Ohren
Bei Lake war das ganz anders. Sie gingen auf Einladung von James William Guercio in die Staaten. Guercio ist einer der mächtigsten Männer im amerikanischen Showbiz. Der erst 32jährige war früher Produzent von Blood, Sweat & Tears und zeichnet heute für die Erfolge von Chicago verantwortlich. Also konnte man sicher sein, daß er seine Sache im Griff hatte, als er Lake auf seine Caribou Ranch einlud, um sie danach auf die ausgedehnte Amerika-Tournee zu schicken. Ihm haben es Lake zu verdanken, daß ihre LP überhaupt auf dem US-Markt erschien. Denn er war der einzige, der bei der letzten CBS-Versammlung in Atlanta die verwöhnten Ohren spitzte, als die Lake-Platte vorgestellt wurde. Und da die CBS seinen Ohren diverse Milliönchen zu verdanken hat und seine Prognosen als fast unfehlbar gelten, brachte die Firma halt in Gottes Namen die LP von Lake auf den Markt. Sie entwickelte sich im Nu zu einem Lieblingskind der US-Radiostationen und tauchte schon kurze Zeit später in den Bestseller-Listen der Zeitschriften Bill
Kein Kuhjunge aus dem Westen, sondern ein Gitarrist aus Hamburg: Alex Conti live in Miami
World auf. Die Sensation war perfekt, und Guercio fühlte sich wieder einmal mehr bestätigt. Er nahm Lake endgültig unter Vertrag, und nach langen behördlichen Querelen landeten Detlev Petersen, Alex Conti, Geoff Pacey, James Hopkins-Harrison, Martin Tiefensee und Dieter Ahrend vor einem Vierteljahr mit ihrem Equipment in der Colorado-Metropole Denver, um sich auf der Caribou Ranch in 3000 Meter Höhe auf ihre erste Amerikatournee vorzubereiten. Illusionen hatten sie keine, denn die Amis sind mit guten Gruppen mehr als gesegnet, und gegen Maßstäbe wie Steve Miller oder Foreigner anzukommen, ist bestimmt kein Kinderspiel.
Am 15. Oktober ging es schließlich los. Ihr erstes Konzert bestritten Lake mit Lynyrd Skynyrd in Miami.Bei den Konzerten in den amerikanischen Südstaaten wurde eine Radiostation in Atlanta auf Lake aufmerksam. Der Sender machte mit Lake eine eigene Radio-Show, was dazu führte daß die LP in den örtlichen Verkaufslisten auf Platz 3 stieg. Eine weitere Sensation bahnte sich bei Konzerten mit Black Oak und Blue Öyster Cult an, wo Lake den beiden US-Supergroups die Show stahlen.
In Seattle sollte schließlich die Tournee mit Nektar als Headliner beginnen. Aber irgendjemand ließ das Konzert ausfallen. Also machten sich Lake bis zum nächsten Konzert mit Nektar in Kalifornien selbstständig. In Los Angeles wurde die Gruppe mit einem großen Bahnhof empfangen. Alle Plattengeschäfte hatten mit Lake dekoriert. In Pasadena machten sie vor 3500 Zuhörern ihre zweite Ratioshow. Danach gingen allein in Los Angeles und Umgebung über 30 000 LPs über die Ladentische. Don Kirshner, einer der wichtigsten Impresarios der Rockmusik, lud Lake in seine Fernsehshow ein, die jeden Sonnabend ab Mitternacht in ganz Amerika ausgestrahlt wird. Während der Aufnahmen kam es zu spontanen Beifallskundgebungen im Studio, und Kirshner erwog sogar, mit Lake eine eigene Fernsehshow zu machen. Terminverpflichtungen erstickten leider diese Idee im Keim, da die Tournee mit Nektar angesagt war.
In St. Louis spielten Lake sogar Robin Trower an die Wand
Nach ein paar Konzerten mit Nektar in Kalifornien flogen Lake nach St. Louis, wo sie als Vorprogramm zu Robin Trower auftreten sollten. Nach dem Konzert wußte das Trower-Management, daß es einen Fehler gemacht hatte, als es Lake verpflichtete. Denn die Hamburger spielten den Gitarren-Gott Trower schlicht und ergreifend an die Wand, was die 12 000 Fans mit Ovationen honorierten. Danach waren Lake wieder in Miami eingeladen, wo sie Mitte November auf dem New World Music Festival 1977 spielten. Zwischen St. Louis und Miami passierte allerdings ein größeres Malheur: Als Lake in Miami angekommen waren, mußten sie feststellen, daß ihre Anlage noch in St. Louis lagerte. Die Fluggesellschaft sah keine Möglichkeit mehr, die Anlage auf die Schnelle nach Miami zu schaffen; also war guter Rat teuer. Schließlich stellten die Ozark Mountain Daredevils ihr komplettes Equipment zu Verfügung.
Eine arge Schlappe für Nektar: Lake sind plötzlich die Headliner
Auf dem Festival in Miami spielten auch Dr. Hook, die Outlaws, der Grand Funk-Torso Mark Farner und als Hauptattraktion Neil Young zu seinem 32. Geburtstag und seinem zehnjährigen Bühnenjubiläum. Ein Discjockey der ortsansässigen Radiostationen meinte nach dem Festival ganz unverblümt, daß Lake neben Neil Young wohl der Höhepunkt gewesen seien. Mit soviel Lob eingedeckt reiste die Band dann weiter nach Kansas City, wo sie die Tour mit Nektar durch den Mittleren Westen fortsetzte. Im Verlauf dieser Tournee drehte sich für Nektar der Spieß um: Lake wurden plötzlich als Headliner gefeiert. Für den 10. Dezember war schließlich im New Yorker Palladium das Abschiedskonzert angesetzt. Resümee dieser Tournee: Ihre Anlage hat die Band noch, Amerika kennt sie und mag sie, und am Schluß fielen auch noch ein paar Dollars für die Musiker ab. Von Lake’s Debutalbum wurden in den USA mittlerweile weit mehr als 200 000 Exemplare verkauft. Bei all diesem Erfolg haben die Hamburger jedoch ihre Heimat nicht vergessen. Im Frühjahr soll eine große Tournee durch Deutschland laufen. Dann wird auch die zweite LP von Lake erscheinen.