Lautstärke als fünfter Mann: Big Sugar aus Toronto


Wenn man mit Labelchef Michael Tedesco über sein neuestes Silvertone-Signing Big Sugar spricht“, warnt das amerikanische ‚Billboard‘-Magazin, „sollte man das Wort Blues besser nicht in den Mund nehmen.“ Der Mann hat offenbar Angst, die hundert Jahre alte Genrebezeichnung könnte den Eindruck erwecken, Big Sugar seien konservative Zwölftaktverwurster, die B.B.King für Gott und Gary Moore für seinen rechtmäßigen Sohn halten. Wer Big Sugars Major-Debüt ‚500 Pounds‘ gehört hat, weiß, daß sich der besorgte Geschäftsmann keinen Kopf zu machen braucht. Big Sugars Basis ist der Blues, doch ihr Gestus ist zeitgemäß, Gordie Johnsons übersteuerte Gitarrenbreitseiten lassen Traditionalisten wie Robert Cray und Jeff Healey unerhört alt aussehen.

„Wir sind keine Museumswärter“, bekräftigt Johnson, dem neben Drummer Stich Wynston, Bassist Garry Lowe und Harmonikaspieler Kelly Hoppe noch ein weiterer Aktivposten zur Seite steht: Lautstärke. „Es ist ein uraltes Rezept“, erklärt Johnson, „man erinnere sich nur an Led Zeppelin. Sie feierten Triumphe mit keltischem Druidenkram, ‚Herr der Ringe‘-Mythologie und amerikanischem Blues. Und warum gefiel es jedem? Weil sie schweinelaut waren!“ Kein Problem für Johnson, der bei Live-Shows „die Marshall-Türme bis unter die Decke stapelt.“ Big Sugar als laute Bluesband abzutun, entspricht aber nur der halben Wahrheit, denn die Band aus Toronto läßt auch Reggae-Rhythmik, Jazz-Motive und Hardrock-Riffs in ihr Repertoire einfließen. In ihrer Heimatstadt spielten sich Big Sugar durch die gesamte Clubszene, sie zählen neben Tragically Hip, Colin James und den Barenaked Ladies zu den erfolgreichsten Bands Kanadas. Über 50.000 Stück von ‚500 Pounds‘ gingen über die Ladentische, doch Labelchef Tedesco ist noch immer besorgt: „In Kanada erfolgreich zu sein heißt noch lange nicht, auch woanders Fuß zu fassen.“ Gordie Johnson ist ohnehin lieber zuhause. „Ich liebe es, hier mit meinen Kumpels R&B zu spielen. Wir packen den Standbaß aus, werfen die Orgel an und geben ein paar akustische Gigs.“