„Lena, wer soll das sein?“
Oben in den Hitparaden, eine ausverkaufte Tournee, Liebling des Feuilletons: Adele Laurie Blue Adkins räumt mit ihrem zweiten Album 21 ab. Ein Gespräch über Produzent Rick Rubin, idiotische Exfreunde, Gothic-Mütter, Sarah Palin und die Geschichte mit den Extensions von Duffy.
Ihr erstes Album 19 stand weltweit oben in den Charts. Es wurden mehr als 2,2 Millionen Einheiten verkauft. Wie geht man mit so etwas um?
Das war wirklich ein Schock! Und um ehrlich zu sein: Mir war das bis vor Kurzem gar nicht bewusst. Denn natürlich hat mir das niemand gesagt – bis ich die Endabrechnung für das Album bekam. Ich habe damals einen Vertrag über zehn Cent abgeschlossen. Das meine ich jetzt nicht wörtlich, aber es war eben kein richtig großer Deal. Es gab keinen Krieg zwischen irgendwelchen Labels oder so was. Ich hatte allenfalls erwartet, dass es eine Underground-Sache wird und sich auf den Großraum London beschränkt. „Chasing Pavements“ hatte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geschrieben. Das ist erst entstanden, nachdem man mir Vorschläge gemacht hat, mit wem ich arbeiten könnte – und der Name Mark Ronson auftauchte. Da habe ich schnell etwas komponiert, von dem ich dachte, dass es ihm gefällt – und er allein deshalb Interesse haben könnte, mit mir zu arbeiten.
Und was ist dann passiert?
Dann kamen die Brit Awards und all die anderen Veranstaltungen, die es für meinen Geschmack schon viel zu sehr aufgeblasen haben. Obwohl: Ich habe seit meinem fünften Lebensjahr davon geträumt, irgendwann einen Brit Award zu gewinnen. Ich stand mit einer Dose Haarspray, die den Award darstellen sollte, vor dem Spiegel und hielt verschiedene Dankesreden. Aber man darf nicht vergessen, wie lange es in anderen Ländern gedauert hat. Amerika lief schleppend. Ich bin durch winzige Hallen getourt – mit ganz kleinem Budget und schrecklichen Hotels. Die Interviews waren vor allem mit Bloggern. Meine Songs wurden nie im Mainstream-Radio gespielt. Und MTV hat mich nicht beachtet, bis ich zwei Grammys bekam. Es war ein langsamer Prozess.
Zwei Jahre später: ein neues Album mit einem anderen Sound. War das beabsichtigt?
Unbedingt! Schon als ich das erste Album promotet habe, war mir klar, dass ich mich definitiv weiterentwickeln wollte. Mehr in Richtung Blues und Gospel. Gleichzeitig sollte es etwas verspielter, frecher und sarkastischer sein. Ohne mich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Denn ich wollte die Fans, die ich gewonnen hatte, ja nicht gleich wieder verlieren.
Wobei es im Vorfeld hieß, Sie würden mehr in Richtung Country gehen. Letztlich ist es aber nur ein Song, der solche Einflüsse hat, oder?
Ich habe in Interviews einfach zu viel über den einen Country-Song auf dem Album gesprochen. Auf meiner letzten Amerika-Tour hatte ich einen Busfahrer aus Tennessee, der mir all diese Country- und Bluegrass-Sachen vorgespielt hat. Jede Nacht, während er gefahren ist. Ich bin mit ihm zusammen aufgeblieben, wir haben uns alte und moderne Sachen angehört, er hat mir Geschichten dazu erzählt. Aber mal im Ernst: Können Sie sich vorstellen, dass ich ein Country-Album aufnehmen kann? Mit meinem Akzent? (lacht)
Wobei 21 auch einige „Chasing Pavements“-Momente aufweist. Und sei es nur, weil die Texte erneut von einer unglücklichen Beziehung handeln.
Ja, vor allem „Set Fire To The Rain“ ist ein bisschen wie „Chasing Pavements“, oder? Das liegt an meinem besten Freund, der schwul ist und zu mir meinte: „Wann schreibst du mir endlich eine Schwulenhymne?“ Darauf ich: „Ich werde mich drum kümmern.“ Und dann fiel mir der Titel „Set Fire To The Rain“ ein – schwuler geht es ja kaum. Ich kann mir schon vorstellen, wie die Jungs dazu abtanzen. Ein Riesenspaß!
Gilt das auch für Ihre Version von „Lovesong“? Oder was hat Sie dazu veranlasst, das Stück von The Cure zu covern?
Ich wollte unbedingt eine Coverversion machen. Meine erste Wahl war „Never Tear Us Apart“ von INXS, weil ich den Song liebe. Es war der erste, den ich auf dem Klavier gelernt habe, die Stimme von Michael Hutchence ist großartig. Es gibt einen guten Grund, warum den Song niemand erfolgreich interpretiert hat – niemand kriegt ihn so gut hin wie Hutchence. Es gibt eine Version von mir, die irgendwann veröffentlicht wird. Wahrscheinlich erst in 20 Jahren.
Weil sie so schlecht ist?
Weil ich Rick Rubin gesagt habe, dass ich sie nur ungern verwenden würde. Deshalb haben wir uns nach anderen Optionen umgesehen, und Rick hat mir erzählt, dass er ein Album mit Barbra Streisand produzieren sollte. Aber das ist daran gescheitert, dass sie ausschließlich Coverversionen von Bossa-nova-Stücken aufnehmen wollte und er und Smokey Hormel, der auf vielen der von ihm betreuten Platten Gitarre spielt, damit nichts anfangen konnten – weil sie keine Beziehung zu dieser Musik haben. Was dann die Frage aufgeworfen hat, was mir am Herzen liegt, wozu ich einen Draht habe. So bin ich auf The Cure gekommen. Das war meine erste Show. Ich war drei oder vier und habe sie mir mit meiner Mutter im Finsbury Park in London angeschaut. Meine Mutter ist ein riesiger Cure-Fan.
Ihre Mum ist ein Goth?
Ja, sie war jahrelang ein Goth – mit allem, was dazugehört. Und ich hatte immer ziemliche Angst vor Robert Smith, weil er aussah wie Edward mit den Scherenhänden. (lacht)
Ist er mit Ihrer Version vertraut?
Keine Ahnung. Aber Rick Rubin und er kennen sich ja ziemlich gut. Ich hoffe, dass es ihm gefällt. Ich wäre am Boden zerstört, wenn das nicht der Fall wäre. Ich meine, Bob Dylan hat meine Fassung von „Make You Feel My Love“ sehr gut gefallen.
Wie ist Rick Rubin eigentlich als Produzent, Mensch und Labelchef?
Einfach toll! Das erste Mal habe ich ihn bei „Saturday Night Live“ getroffen – dem vielleicht wichtigsten Moment in meiner Karriere und vielleicht sogar in meinem Leben. Ich habe ihn dann ein paar Abende vor den Grammys wieder getroffen. Er war so begeistert von meinem Auftritt, dass er auf mich zukam und meinte: „Ich will dein nächstes Album produzieren.“ Und es war toll, mit ihm im Studio zu sein. Es hat mich daran erinnert, warum ich Musik mache – und warum ich das schon getan habe, ehe es auch nur irgendjemanden interessiert hat. Nämlich, weil ich es liebe. Und mit ihm zu arbeiten bedeutet einfach, in einem Raum zu sitzen und so lange zu jammen, bis dir etwas einfällt, das du magst. Ganz anders als mit vielen anderen Produzenten, die sich erst mal die Top 20 anhören, um da reinzupassen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich liebe, was in den Charts passiert. Und ich mag etliche der neuen Dance-Sachen, aber das ist nicht das, was ich selbst singen möchte. Denn es würde nicht zu mir passen. Genau wie viele andere Dinge, die heutzutage damit einhergehen, ein Musiker zu sein. Sprich: Drehbücher für Videos, supermodische Klamotten, schrille Haarfarben, Sex mit irgendwelchen angesagten Leuten und all diese Sachen. Das finde ich schrecklich. Deshalb habe ich mich für die Aufnahmen in Malibu regelrecht abgeschottet. Denn Rick wollte nicht, dass ich von einer externen Meinung beeinflusst werde, solange die Songs noch nicht fertig sind.
Aber es gibt doch schlimmere Orte auf der Welt als Malibu, oder?
Na ja, ich muss ehrlich sagen, dass mir Malibu nicht wirklich gefallen hat. Da lebt jeder hinter verschlossenen Toren und dicken Mauern. Und du kannst nichts zu Fuß erreichen, ich saß die ganze Zeit im Auto – zudem bin ich allergisch gegen Sonne. Weshalb mich die Jungs am Strand auch nicht wirklich attraktiv finden – genauso wenig, wie ich sie.
Zumindest inhaltlich gibt es auf 21 Parallelen zum Debüt – es dreht sich immer noch alles um Beziehungen. Sind das eigene Erfahrungen?
Es ändert sich nicht alles, wenn man erfolgreich ist. In Sachen Liebe schlägt sich das kaum nieder. Es wird sogar noch schlimmer. Diesmal singe ich über meine erste Erwachsenenbeziehung. Über ein intimes Verhältnis, bei dem man absolut alles miteinander teilt. Da musste ich lernen, dass ich keine gute Freundin bin. (lacht) Ich habe mal gedacht, ich wäre die beste Freundin der Welt. Aber im Grunde bin ich ziemlich scheiße, weil ich so viel erwarte, viele Macken habe und wahnsinnig bedürftig bin. Und ich war tatsächlich eifersüchtig auf kleine Teenagermädchen, die meinem Freund schöne Augen machten. Ich bin noch längst nicht erwachsen – auch nicht mit 22.
Beim ersten Album ging es um den fürchterlichen Freund, diesmal um die komplizierte Adele?
Das kann man so sagen. Obwohl, mein letzter Freund war eigentlich auch ein Idiot. Und er hat die Idiotin in mir zum Vorschein gebracht.
In was investiert eine so junge Frau? Haben Sie schon Ihren Lieblingsverein, die Tottenham Hotspurs, übernommen?
Nichts lieber als das! Nein, ich habe meiner Mutter ein Auto gekauft – und ein Apartment, in dem wir zusammen leben. Meiner Großmutter ließ ich den Garten richten, denn der wurde nicht mehr gepflegt, seit mein Großvater gestorben ist. Ich habe ihn für sie komplett neu designen und auch den Rosenbusch stutzen lassen, den sie gepflanzt hat, als Opa starb. Ich liebe es, mein Geld zu teilen. Und ich verwöhne alle meine Freunde – ständig. Aber eins habe ich gelernt: Es bringt nichts, seinen Partner mit Geld beeindrucken zu wollen. Meinen Ex habe ich mit Geschenken überhäuft, doch er war vollkommen unbeeindruckt.
Deshalb auch der Blues – gerade in Stücken wie „Rolling In The Deep“?
„Rolling In The Deep“ ist das perfekte Beispiel. Die erste Strophe habe ich schon mehr als zwei Jahre mit mir herumgetragen. Sie entstand auf dem Rücksitz eines Taxis in Amsterdam. Ich saß da und dachte an Wanda Jackson. An ihre dreckige, verrauchte Stimme und an ihre kämpferischen Texte. „Was würde Wanda Jackson mit diesem Song machen?“ Ich wollte keine Ballade schreiben. Dafür war ich viel zu sauer. Es geht um den letzten Streit oder die letzte Unterhaltung, die ich mit meinem Ex hatte. Er meinte zu mir, dass mein Leben ohne ihn total langweilig würde, dass ich einsam sein werde und sowieso eine schwache Person bin, wenn ich es nicht schaffe, unsere Beziehung zu erhalten. Deshalb wollte ich keinen Song, in dem ich Zweifel hege, sondern in dem ich klar auf den Punkt bringe: „Verpiss dich aus meinem Haus, du Bastard.“
Ein gesungener Mittelfinger?
Genau das. Ich muss mich wohl dafür entschuldigen, dass ich ständig solche vulgären Sachen sage – aber das ist meine Art. Ich fluche oft. Und ich habe mich entschieden, von nun an immer Single zu sein – selbst, wenn ich das nicht bin. Ich werde einfach so tun.
Das klingt nach Selbstschutz.
Vielleicht ist es das – aber hauptsächlich geht es mir darum, meinen Spaß zu haben. Und den habe ich vor allem, wenn ich nicht in einer festen Beziehung bin. Dann bin ich lockerer, lustiger und denke weniger erwartungsvoll. Ich mag es eigentlich nicht, mich zu verlieben. Und ich bin auch nicht gerne intim. Von daher kenne ich die Leute, mit denen ich das bin, auch schon länger.
Jetzt haben wir 19 und 21 – kommt als Nächstes die 23?
Wohl eher 45. Im Ernst: Ich weiß wirklich nicht, wie lange ich für das nächste Album brauchen werde. Wenn ich jemanden treffe, werde ich hoffentlich eine ganze Weile glücklich sein. Was bedeutet, dass ihr erst einmal nichts mehr von mir hört.
Haben Sie denn nie versucht zu schreiben, während Sie in einer glücklichen Beziehung waren?
Nicht wirklich. Es gibt ein paar optimistische Songs auf dem Album, aber sie handeln von einem anderen Typen, mit dem ich noch nicht zusammen war, aber den ich sehr liebe.
Bei unserem letzten Gespräch vor zwei Jahren waren Sie in den Bassisten der Arctic Monkeys verliebt – ist das noch aktuell?
(kreischt) Oh, mein Gott! An den habe ich gar nicht gedacht! Nein, momentan stehe ich eher auf den Schlagzeuger von Mona. Aber ich habe gelernt, dass man sich niemals in die Nähe eines Mannes wagen sollte, der für den Rhythmus zuständig ist. Denn das sind alles Spieler – egal, ob Bassisten, Drummer oder Percussionisten -, alle gleich. Und sie wissen, wie man ein Mädchen rumkriegt.
Es heißt immer, dass Bassisten den größten Erfolg bei Frauen hätten, aber mir war nicht bekannt, dass Schlagzeuger eine ähnliche Reputation besitzen …
Bassisten sind definitiv die schlimmsten.
Außer Mona – wer ist sonst noch heiß?
James Blake! Einfach, weil ich ihn wirklich interessant finde. Er hat eine wunderbar soulige Stimme.
In England führt gerade kein Weg an Adele vorbei: Werden Sie eigentlich auf offener Straße erkannt?
Das passiert fast nie. Es sei denn, ich trage viel Make-up, künstliche Wimpern, habe die Haare toupiert und bin toll angezogen. Komischerweise erkennen mich die Leute in Amerika viel öfter. Keine Ahnung, woran das liegt …
An Ihrem legendären Auftritt bei „Saturday Night Live“.
Stimmt. Der war toll. Die Sendung ist in Amerika eine echte Institution. Und Tina Fey war auch dabei – mit dieser tollen Sarah-Palin-Parodie. Die Sache war nur: Sarah Palin war ebenfalls dort. Und als ich sie vor der Sendung sah, dachte ich, es wäre Tina Fey. Also habe ich geschrien: „Tina, Tina, Tina!“ Dabei stand sie hinter Sarah Palin – und hat es nicht mal mitbekommen. (lacht) Aber ich habe Sarah dann auch noch getroffen. Sie ist in meine Garderobe gekommen – genau wie Alec Baldwin und Marky Mark. Und am nächsten Morgen ist das Album dann die Charts hochgeklettert.
Also: Wann treten Sie in „30 Rock“ auf?
Nichts lieber als das! Ich war ja schon bei „Ugly Betty“ dabei, was wirklich lustig war. Ich könnte die Spice Girls imitieren – oder Sarah Palin.
Wie war Ms. Palin denn?
Süß. Sie kam zu mir und meinte: „Wir sind alle große Fans von dir.“ Und das mit diesem fürchterlichen Akzent – und obwohl ich einen riesigen Obama-Button an meinem Busen hatte. Da sie mir nur bis dahin reicht, muss sie die ganze Zeit darauf gestarrt haben.
Sagt Ihnen eigentlich der Name Lena Meyer-Landrut irgendetwas?
Lena, wer soll das sein?
Die Gewinnerin des Eurovision Song Contest 2010.
Ach, die! „I, I …“ (singt im Lena-Stil) Ich habe sie auf YouTube gesehen. Sie ist toll! Und es ist eine verrückte Geschichte: Ich hing zu Hause mit meinem Hund ab, als jemand meinte: „Du bist Nummer drei in Deutschland.“ Und das war Lenas Verdienst. Vielen Dank!
Die Yellow Press berichtet jeden Tag über Sie. Welche drei Dinge möchten Sie nie über sich in der Zeitung lesen?
Nummer drei: dass ich schwanger bin. Egal, ob das stimmt oder nicht. Nummer zwei: Ich möchte nicht lesen, dass ich Duffy in einer Toilette die Extensions rausgerissen hätte. Das wurde schon mal geschrieben, einfach lächerlich. Nummer eins: Ich will auf keinen Fall die Überschrift, dass mein Flugzeug abgestürzt ist und ich gestorben bin.
Andersherum gefragt: Was würden Sie gern über sich lesen?
Dass The Cure meine Version von „Lovesong“ lieben, dass ich irgendwann noch mal einen Grammy gewinne und natürlich, dass ich geheiratet habe.
Gibt es einen Wunschkandidaten, also einen Traummann?
Na ja, Prinz Harry wäre nicht schlecht.
Also eine Doppelhochzeit im April?
Warum nicht? Kate und William sind ein tolles Paar – ich glaube, wir würden uns gut verstehen. Und ich finde die Royals wirklich nett.
Albumkritik ME 2/11