Lenny Kravitz: Lenny Kravitz im Interview


Auf der Bühne gibt er den wilden Mann. Dabei schwärmt der 34jährige von der weiblichen Energie.

Du machst einen wesentlich entspannteren Eindruck als früher. Wie kommt’s?

Ich bin gerade von den Bahamas zurückgekommen. Dort habe ich übrigens auch an meinem neuen Album gearbeitet.

Apropos Album: Am Anfing Deiner Karriere hast Du die neue, digitale Aufnahmetechnik immer verteufelt und das Hohelied auf die alte, analoge Technik gesungen. Nun arbeitest auch Du digital. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Nach vier Alben wollte ich mal etwas Neues machen. Und inzwischen habe ich die Vorzüge der digitalen Aufnahmetechnik entdeckt. Mit ihr ist es schließlich viel einfacher, Songteile auszutauschen oder umzustellen. Allerdings habe ich den alten Sound beibehalten. Ich habe meine Musik zuerst durch die alten Geräte geschickt, bevor ich sie digital bearbeitete. Mein Toningenieur Terry Manning hat mir dabei geholfen. Er leitet das Compass Point Studio in Nassau.

Du zeigst In den neuen Songs wieder eine Menge unterschiedlicher Facetten von Dir. Aber jetzt klingt das Ganze, anders als bei „Circus“, wie aus einem Guß. Hast Du die unterschiedlichen Seiten Deiner Persönlichkeit letzt besser Im Griff?

Eindeutig. Ich bin der Typ mit der weiten Hose und den harten Stiefeln. Der mit der Peitsche in der Hand. Der Zirkusdirektor. Aber ich habe mein Alter ego im Griff. Man muß diesen Typen zähmen, sonst tanzt er einem auf der Nase herum.

Deine Grundstimmung hat sich verändert. Die neuen Songs klingen optimistischer als die der letzten CD.

Stimmt. Obwohl mir die Songs auf „Circus“ auch gefielen, weil sie meine damaligen Gefühle widerspiegelten. Damals ging es mir ziemlich dreckig. Ich war ausgelaugt. Ich wußte nicht mehr, wer ich war, weil ich dauernd unterwegs gewesen bin. Dann starb meine Mutter…

…der Du Ja auf „5“, der neuen Platte, mit „Thinking Of You“ einen Song gewidmet hast.

Es war sehr schwierig, dieses Lied zu schreiben. Ich wollte nicht, daß es pathetisch klingt. Der Text ist sehr melancholisch, aber der Refrain klingt relativ fröhlich.

Der Text ist sehr einfach, er erinnert an ein Kinderlied. Ist diese Wirkung beabsichtigt?

Ich wollte es so. Manchmal ist es zwar ganz nett, wenn man seinen dichterischen Ambitionen nachgeht. Aber für mich sind immer die einfachsten Songs die besten gewesen. Wenn Du Dir die Highlights von John Lennon oder Bob Marley anhörst – das waren auch immer die ganz einfachen Lieder. Die, die auf den Punkt kommen, mit denen sich jeder, vom fünfjährigen Kind bis zum 100jährigen Greis, identifizieren kann. Ich wollte meine Mutter wissen lassen, daß ich die Dinge kapiert habe, die sie mir übers Leben beigebracht hat.

Glaubst Du daran, daß Du eine Verbindung zu ihr hast?

Ich weiß zwar nicht, wie die spirituelle Welt funktioniert. Aber ich bin sicher, daß meine Mutter mitbekommt, was hier bei uns passiert. Inzwischen habe ich übrigens das Gefühl, daß mir die Energie meiner Mutter hilft.

Wie denn das?

Es ist, als stünde jetzt nichts mehr zwischen uns, als müßte ich nur noch mit ihrem Geist klarkommen, seit der physische Teil tot ist. Deshalb kommt es mir vor, als wären wir uns jetzt näher als früher.

Wie macht sich das bemerkbar?

Ich fühle mich, als wäre ich voll von ihrer Energie. Ich hatte ja schon immer unglaublich starke weibliche Energien um mich herum. Meine Großmutter, meine Mutter und meine Tochter sind oder waren starke Frauen. Und meine besten Freunde sind Frauen.

Was schätzt Du am weiblichen Geschlecht besonders?

Die weibliche Energie ist der männlichen überlegen. Frauen haben eine stärkere Intuition. Oft tut ihr Frauen so, als wüßtet ihr nicht, was läuft. Weil ihr es gerade nicht wissen oder damit nichts zu tun haben wollt. Aber in Wahrheit wißt ihr immer ganz genau, was wir Männer tun. Frauen kann man nichts vormachen. Manchmal denke ich, ich kann sie täuschen. Aber das klappt nie. Frauen sind außerdem loyaler und stärker als Männer.

Etwa so wie die Roboterfrau aus Deinem Song „Black Velveteen“?

Die ist genauso eine Horrorvision wie die vom geklonten Menschen. Das ist ein zynisches Lied über eine Frau, die du dir nach deinen Bedürfnissen zurechtprogrammierst. Sie kocht, wie du es willst und macht auch beim Sex alles genau so, wie du’s gern hättest.

Das klingt doch gar nicht mal so übel, oder?

Meine Traumfrau ist ein Mensch, und ich suche sie immer noch.

Wie sieht sie denn aus, Deine Traumfrau?

Möglichst exotisch. Ich liebe Frauen, bei denen man nicht genau weiß, was sie sind – schwarz oder weiß, Spanierin oder Italienerin. Sie sollte künstlerisch begabt sein und intelligent. Ich möchte eine Frau heiraten, von der ich etwas lernen kann. Ich finde es gut, wenn eine Frau meinen Horizont erweitem kann. Aber ich bin immer noch auf der Suche nach der wirklich perfekten Beziehung. Ich fühle, daß sie da draußen ist und träume immerzu von ihr. Aber im Moment lebe ich allein.

Und Zoe, Deine Tochter? Lebt sie nach wie vor bei Deiner Ex-Frau Lisa Bonnet in Los Angeles?

Ja. Aber als ich für die Plattenaufnahmen auf den Bahamas war, hat Zoe zwei Monate bei mir gelebt. Im Vergleich zu früher ist das eine richtig lange Zeit. Ich habe Zoe früher ja nur an Wochenenden oder in den Ferien gesehen. Diesmal habe ich zum erstenmal den Alltag mit ihr erlebt. Sie hat in Nassau eine Schule besucht, und ich mußte sie jeden Morgen um sieben wecken. Ich machte Frühstück, schmierte das Pausenbrot, fuhr sie zur Schule, holte sie wieder ab und karrte sie zu Freunden. Wenn du dauernd auf Tour bist, bist du wie betäubt. Du verlernst das normale Leben. Aber weißt Du, was das Tolle an der Zeit mit Zoe war?

Da bin ich aber mal sehr gespannt.

Ich habe keinen Moment an Frauen gedacht. Ich bin nicht ausgegangen, habe keine Frauen zu Besuch gehabt. Und das war sehr befriedigend. Früher hatte ich nur Frauen im Kopf. Diesmal hab ich sie gar nicht vermißt. Ich habe meine Zeit ganz Zoe, meiner Nummer 1, gewidmet…

…und ihr mit „Little Girl’s Eyes“ auch gleich einen Song gewidmet.

Das war ein Geburtstagsgeschenk. Ich schickte die CD in einem Player mit Ballons dran nach Los Angeles in das Restaurant, in dem Zoe ihre Party feierte. Zuerst las sie den Text. Als sie sah, daß er sehr persönlich war, nahm sie den Player mit aufs Klo und schloß sich dort mit ihrer besten Freundin ein. Die beiden setzten sich auf den Boden und hörten sich das spezielle Lied in Ruhe an. Sie wollten es erst ohne die anderen hören. Zum Glück gefiel Zoe der Song.

Macht sie auch selbst Musik?

Sie ist sehr intelligent und künstlerisch begabt. Insofern sind wir uns sehr ähnlich. Und sie hat tolle Ideen und gibt mir wunderbare Ratschläge. Sie spielt afrikanische Drums, Piano, Gitarre, Flöte und Cello. Auf dieser Platte allerdings noch nicht. Aber als ich die Musik für dieses Album schrieb, hat sie mit mir auf dem Key board gejammt. Das war wirklich ausgesprochen cool. Außerdem habe ich ganz neue Sachen entdeckt – ihr Lieblingsspiel zum Beispiel.

Und was für eine Art Spiel, bitte sehr, ist das?

Als meine kleinen Verwandten von der Insel Eleuthera auf die Bahamas rüberkamen, um Zoe zu treffen, tauchte natürlich die alte Frage auf: Was spielen wir? New Yorker Kids würden sagen: „fernsehen.“ Aber diese Kinder schlugen vor: „Laßt uns Wolken beobachten spielen.“ Wolken gucken, das ist doch eine wunderbare Beschäftigung!

Was sagt Deine Ex-Frau Lisa Bonnet zu der engen Beziehung zwischen Eurer gemeinsamen Tochter und Dir?

Nach der Trennung haben wir eine ganze Zeit gebraucht, bis unsere Wunden verheilt waren. Wir wollten aber auch nicht in eine Therapie. Statt dessen schlössen wir uns zu zweit ein und arbeiteten noch einmal die letzten zehn Jahre durch. Wir ließen all diese Gefühle raus. Dadurch sind wir wieder richtig gute Freunde geworden.

Die Öffentlichkeit ist schon immer sehr interessiert an Deinem Liebesleben gewesen. Bisheriger Höhepunkt waren Paparazzi-Fotos, die Dich und Deine ehemalige Freundin Vanessa Paradis nackt am Strand der Bahamas zeigten.

Oh Gott, ja, mit nacktem Hintern am Strand. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man sich auf diese Weise in manchen Blätter wiederfindet. Da hat jemand vom Boot aus mit einem Objektiv so groß wie dieses Zimmer hier Fotos geschossen. Wir hatten geglaubt, ganz allein zu sei. Immerhin war das ja ein Privatstrand. Inzwischen versuche ich, mich mit solchen Dingen zu arrangieren. Man kann sich ja nicht immerzu verstecken. Außerdem habe ich manchen Sachen gegenüber eine andere Haltung entwickelt. So bin ich zum Beispiel dankbar, daß ich immer weiß, daß meine nächste Mahlzeit gesichert ist und daß ich ein Dach über dem Kopf habe. Andere Sachen sind mir nicht mehr so wichtig. Nichts ist perfekt.

Triffst Du noch ab und zu Deine alten Bekanten Sean Lennon und Yoko Ono?

Sean habe ich getroffen, bevor ich auf die Bahamas ging. Er hat mir sein Album vorgespielt. Es ist eine der besten Platten, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Mit Yoko telefoniere ich nur ab und zu. Ich finde es schade, daß die Menschen ihre Musik nicht verstehen. Was sie macht, ist einfach zu modern für die meisten Leute.

Apropos Freunde, wie geht’s eigentlich Deiner Pythonschlange?

Die habe ich bei einem Freund in Pflege gegeben. Ich konnte ja nicht immer mit meiner Schlange rumreisen. Das war zu umständlich. Und meine Wohnung in New York habe ich aufgegeben. Die New Yorker Energie macht mich fertig. Die ist mir zu intensiv. Ich habe jetzt ein Domizil in Miami. Das ist näher an den Bahamas dran. Dort verbringe ich nämlich die meiste Zeit. Da kann ich am Meer entlangspazieren und frisches Gemüse kaufen und Fische direkt vom Fischer.

Stimmt es, daß Dich zu „Can We Find A Reason“ die CNN-Nachrichten inspirierten?

Ich saß in meinem Haus in Miami und glotzte gerade die CNN-Nachrichten. Da sagte ich zu meinem Freund: „Mann,die Nachrichten sind einfach schrecklich. Da sollte doch mal jemand ein neues Programm mit nur guten Nachrichten machen, wenigstens eine halbe Stunde täglich.“ Und während ich das sagte, lief dieser Bericht über einen jungen Mann, der mit seinem Kleinlaster zu den Seen und Flüssen im Staat Mississippi fährt und überall Müll zusammenklaubt – ohne jede Hilfe. Er sammelt einfach Müll. Metallgegenstände, ganze Maschinen, Flaschen und all den anderen Scheiß und lädt ihn in seinen Truck. Ich fand das so unglaublich, daß ich diesen Typen anrief und mich eine Stunde mit ihm unterhielt. Ich sagte, wie toll ich finde, daß er selbst was tut und nicht wartet, bis andere in die Gänge kommen.

Hast Du ihm auch angeboten, hinzufahren und ihm zu helfen?

Wir haben darüber geredet. Aber erst mal schrieb ich einen Song für ihn.

Bist Du der Held in Deinem Song „Super Soul Fighter“?

Das ist nur ein schwarzer, funky veranlagter Held, der auf einer riesigen Gitarre herumfliegt und Kriege stoppt, positive Vibrationen vermittelt und gute Musik macht. Er ist ein Cartoon. Ich arbeite gerade an einem Buch über diese Figur.