Leonard Cohen, Berlin, O2-Arena


Der stille Weise im brüllend Dummen: Legende verwandelt Kommerztempel in Triumphstätte.

In Berlin ist die frisch eröffnete O2-Arena am Spreeufer ein echtes Politikum, weil man selten moderne Architektur so ordinär hat marktschreien hören. „Los Leute, kommt rein! Gebt Geld aus!“ Entsprechend schwer tat sich denn auch der stille Weise im brüllend Dummen: Leonard Cohen in der O2-Arena, das ist, als träte Eric Satie in der Münchener Olympiahalle auf oder Peter Handke im „Quatsch Comedy Club“.

Dass der 74-Jährige dann doch sämtliche Herzen in der herzlosen Halle im Sturm nahm – und er nahm sie gleich im ersten Song, „Dance Me To The End Of Love“, mit einem Kniefall vor der Flamenco-Gitarre seines virtuosen Mitstreiters Javier Mas – spricht für das krisensichere Charisma des Kanadiers. Es dürfte aber auch die schlichte Tatsache an sich, das kleine Wunder, dass da vom tatsächlich Leonard Cohen auf der Bühne stand, dazu beigetragen haben. Wäre er nicht durch eine betrügerische Managerin um sein Altenteil gebracht worden, er säße wohl noch in seinem Zen-Kloster bei Los Angeles. Vor 14 Jahren, rechnete Cohen launisch vor, sei er das letzte Mal in Berlin gewesen, im Alter von 60 Jahren: „I was just a little kid with a big dream.“

Zu erleben war diesmal ein „old guy“ mit einer so langen Werkschau so unsterblicher Songs, dass selbst Bob Dylan darüber wenn schon nicht erblassen, so doch erröten sollte: „Bird On A Wire“ wuchtete Cohen als Blues, „Who By Fire“ als Flamenco, „Hallelujah“ als Schunkelstück, „First We Take Manhattan“ als Disconummer auf die Bühne – mit tatkräftiger Unterstützung seiner neun (!) Begleitmusiker, die zu den bestvorgestellten Gruppen aller Zeiten gehören dürfte. Mindestens fünf Mal deklinierte Cohen, den Hut ehrfürchtig vor der Brust, die ganze Musikantenschar durch: neben Javier Mas an der Gitarre, Roscoe Beck als „musical director“am Bass, Neil Larsen am Keyboard, Bod Metzger an der Gitarre, „time keeper“ Rafael Gayol am Schlagzeug, Dino Saldo an den Blasinstrumenten und das unfehlbare Vokal-Dreigestirn Sharon Robinson sowie die „sublime“ Webb-Sisters.

Bei aller Bescheidenheit enttäuschte auch der überraschend behände Cohen nicht: Duster war die Stimme, wo sie duster sein sollte, und hell wie in jungen Jahren, wo sie hell aufleuchten musste. Er flirtete, croonte, lächelte in sich hinein und schwang gar dann und wann die Hüften, immer professionell: Nicht einmal das brutale Echo in der Riesenhalle konnte ihn aus der Ruhe bringen, und so hatte er am Ende auch über die widrigen Umstände triumphiert: mit Würde. Ach, wenn man SO alt werden könnte.

www.leonardcohen.com