Liebe statt Hass: Was Pur mit den Böhsen Onkelz gemein haben – und was nicht
Was passiert, wenn man einen Refrain aus dem Kontext reißt? Dann werden Pur und die Böhsen Onkelz plötzlich zu Brüdern im Geiste und stilisieren ihre Fans zu Opfern.
Ihr müsst jetzt ganz stark sein, Onkelz-Fans: Zufällige Synapsendurchschüsse in der Online-Redaktion des Musikexpress (Re: Sommerloch) haben zutage getragen, dass Eure Lieblingskapelle nicht die einzige deutschsprachige Band ist, die ihre Fans durch kalkulierte Vereinnahmung von Ausgegrenzten rekrutiert. Nein: Die Randgruppenrolle, die bisher scheinbar exklusiv bei Euch Nichten und Neffen, wie Ihr Euch unironisch nennt, lag, brachte bereits 1991 ein ganz anderer Frontcharismatiker mit Nackenmatte unter seine Gefolgschaft. Vier Jahre, bevor Kevin Russell die Zeilen „Mit dieser Band hast Du nicht viele Freunde, doch die, die Du hast, teilen Deine Träume / Die, die Du hast, teilen alles mit Dir“ („Danket dem Herrn“, 1995) kläffte, war es nämlich kein Geringerer als Pur-Sänger Hartmut Engler, der mit seinen ähnlich frisierten Freunden „Ein Lied für all die Vergessenen“ schrieb. Und zumindest dessen Refrain sollte man sich in seiner subtilen Genialität auch über 25 Jahre später auf seinem Herz verreiben:
„Das ist ein Lied für all die Vergessenen
Die nie im Rampenlicht stehn
Für alle die, die nie drauf versessen sind
Die ganz großen Räder zu drehn“
Versteht uns nicht falsch: Wir möchten Pur noch weniger unterstellen, in braunen Gewässern zu fischen, wie wir einst den Böhsen Onkelz oder ihren Fans nachsagen wollten, sie seien doch alle Nazis. Im Gegenteil: Wir wundern uns bloß darüber, wie es die eine kommerziell sehr erfolgreiche Band schafft, mit ihrer Musik scheinbar Ausgegrenzte einzugrenzen und dabei nichts als Liebe zu säen, während die andere kommerziell sehr erfolgreiche Band mit ihrer Musik tatsächlich Ausgegrenzte eingrenzt und dabei sehr viel Hass sät.
Und damit viele Grüße aus dem Sommerloch!