Low


Die Götter aus Minnesota, endlich wieder live. Zu schön für Worte, eigentlich. Hier doch ein paar. Freilich unadäquate.

Wenn nach der Vorband erst einmal ringsum die Unterkiefer hochgeklappt werden müssen, ist das ein gutes Zeichen. Darren Jackson, ein Typ mit Anzug, Hornbrille und Witta-Pohl-Frisur und Christopher McGuire, ein schwitzender Riese mit offenem Hemd sind Kid Dakota. Zu Jacksons Folk/Indie/Noise-Songs und drahtiger Gitarre leistet McGuire an seinem Minimalschlagzeug eine Tour de Force ab, wie man sie selten sah. Brennt lichterloh, spielt mit dem ganzen Körper, verschmilzt wie in Trance mit seinen Geräten, küsst seine Becken zum Abschied, wenn er sie – auch während des Songs -gegen andere austauscht, die er aus einer Tasche neben sich fingert wie ein DJ sein Vinyl. Zur Hälfte des Sets kommen zwei Männer mit komischen Mützen. Gitarre und Bass dazu und jetzt werden richtig Köpfe gewaschen. Die Männer sind Alan Sparhawk und Zak SaLty von Low und sie spielen gerade das zweitgrandioseste Konzert des Abends.

Bei Low-Konzerten kann man eine Stecknadel fallen hören, sagt das Klischee. Als Low zum letzten Mal in München spielten, vor vielen Jahren, wäre das nicht gegangen, weil die Deppen an der Bar zu laut plapperten. Die ersten drei Songs heute abend könnten die da hinten ein paar Altglascontainer auskippen, es wäre egal. Low sind laut. Gewaltig, überwältigend laut und atemberaubend schön darin. Wie blitzende Klingen hacken die Akkorde aus Sparhawks Telecaster einher, man wirft sich hinein, die Ohrstöpsel weg. Mit Low taub werden is such a heavenly way, taub zu werden. Irgendetwas rumort in Sparhawk, er bebt, fahrig, aufgeladen, was die Präzision und Konzentration noch aufregender macht, mit der er Riffs setzt und seinen Gesang in den von Ehefrau und Minimal-Drummerin IStandtom, Snare, Becken) Mimi Parker flicht. Der Harmoniegesang Sparhawk/Parker: Das Fundament von Lows Musik und einer der schönsten Klänge in rock überhaupt. Ein Hoch der Macht, die diese beiden Stimmen zueinandergeführt hat. Zeitlupen-Stecknadel-Songs und funkelnde Noise-Monolithen wechseln sich jetzt ab, „That’s How You Sing“, „Amazing Grace“, „The Plan“, „Monkey“, „Silver Rider“, „When I Go Deaf“, ein Götterfunken nach dem anderen, am Ende der Zugaben ein (nur mir?) unbekannter Song, auf der Setlist als „Trust“ geführt, zorniges, kathartisches Gleißen. Danach kann eigentlich nichts mehr kommen, aber der Jubel tost. Was sie noch spielen sollen? „Will The Night“, wünscht sich einer, ein Song, zu schön für Worte. „Okay“, sagt Sparhawk und reibt sich beim Stimmen einen alten blauen Fleck an der Stirn. „Don’t you hate it when your bruises turn yellow? Looks like I’ve been wiping my ass with my forehead“, schimpft er. „That’s a nice sentiment to start this lovesong on“, sagt Mimi Parker mit nachsichtigem Lächeln. Und dann töten sie uns noch einmal. Ganz sanft, mit einem Lied.

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