Mike Colter: „Die Geschichte von Luke Cage ist ein HipHop-Western“
Mike Colter ist der Hauptdarsteller von Marvels Superhelden-Serie „Luke Cage“ auf Netflix. Im Interview erklärt er uns zum Start der Serie, warum seine Geschichte aber auch ohne besondere Kräfte funktionieren würde und ob er Angst vor Hardcore-Fans hat. Am Freitag startet die zweite Staffel der Show auf Netflix.
Der nächste Superheld ist da – anders konnte es ja nicht kommen. Nachdem „Daredevil“ und „Jessica Jones“ auf Netflix gut anliefen und tatsächlich auch qualitativ weitestgehend überzeugen konnten, startet der Streaming-Dienst gemeinsam mit Marvel die dritte exklusiv produzierte Serie über Menschen mit besonderen Kräften. Es folgten „Iron Fist“ und „The Defenders“, nun ist „Luke Cage“ mit der zweiten Staffel zurück.
Zur ersten Staffel 2016 trafen wir Mike Colter, den Hauptdarsteller zum Interview. Damals erklärte er seine Figur und sprach darüber, wie real das Harlem in der Serie wirklich ist.
„Luke Cage“, der von Mike Colter gespielt wird, hat kugelsichere Haut und ist besonders stark. Er hat also so ziemlich die langweiligsten Fähigkeiten des Marvel-Universums abbekommen. Der Serie tut das allerdings nur gut. Aus „Luke Cage“ kann man durch vorhersehbare Action kein wildes Spektakel machen, deshalb mussten sich die Macher eine gute Geschichte über Gang-Kriminalität und die Vorherrschaft im Stadtteil Harlem ausdenken. Und die ist – auch wenn gewiss nicht jede Szene und vor allem nicht jeder Dialog sitzt – ein angenehmer Downer in der bunten Welt der Superhelden, die in „Luke Cage“ ziemlich weit weg scheint. Auch wenn auf den Straßen Harlems ein Junge DVD-Material der Avengers-Schlacht um New York vertickt.Mike Colter spielte seinen Helden Luke Cage bereits als Nebenrolle in „Jessica Jones“, bald wird er in der nächsten Marvel-Serie „The Defenders“ wieder Kugeln abprallen lassen. Im Interview erklärt er uns, warum seine erste eigene Serie allerdings mehr Western als Superhelden-Genre ist. Und warum man auch als schwarzer US-Bürger gegen die „Black Lives Matter“-Bewegung sein kann.
me.Movies: Deine eigene Marvel-Serie startet am 30. September auf Netflix, ab dann bist Du nach einer Nebenrolle in „Jessica Jones“ angekommen im ganz großen Zirkus. Aufgeregt?
Mike Colter: Ich mache mir nicht viele Gedanken über Ruhm. Alle Leute um mich herum scheinen das aber für mich zu machen. Ich glaube nicht, dass mein Leben ab jetzt anders sein wird. Die Bekanntheit wird zwar auch Vorteile haben, aber als Schauspieler will man eigentlich nur, dass die Leute Spaß an deiner Arbeit haben.
Hast Du bereits Angst vor den Hardcore-Fans, die die Serie kritisieren werden, weil Figuren oder Handlungsstränge in den Comic-Vorlagen anders waren?
Passiert. Ohne die Fanbase, ohne deren Wunsch nach diesen Projekten wären wir jetzt aber überhaupt nicht hier. Einzigartig an Netflix und deren Marvel-Reihe ist, dass sie ein Programm für ein erwachsenes Publikum kreieren. Und das besteht eben nicht zwangsläufig aus Fanboys, die sich mit den Comics auskennen. Wir versuchen eine realistische, geerdete Show zu machen.
Ich schätze mal Du bist froh, dass Du deshalb auch kein Kostüm tragen musst.
Auf jeden Fall!
Zumindest nach den ersten Episoden wird man den Eindruck nicht los, dass die Geschichte von den Gang-Problemen in Harlem auch ohne einen Superhelden funktionieren würde.
Würde sie tatsächlich, auch wenn man etwas anders an die Bösewichte herangehen müsste. Aber im Grunde ist es ein HipHop-Western, wie unser Showrunner Cheo Hodari Coker immer sagt. Es geht einfach um einen Typen ohne Namen, der in eine fremde Stadt kommt, in der eine etablierte Hierarchie herrscht. Und auch wenn die Oberen dieser Hierarchie nur das Beste für die Stadt wollen, sind die Leute nicht glücklich und wenden sich an den Neuankömmling.
https://www.youtube.com/watch?v=snJ-nRgx8o0
Der Stadtteil Harlem ist nahezu der zweite Hauptcharakter in „Luke Cage“. Wie werden wohl Leute aus dem echten Harlem auf die Serie blicken?
Hoffentlich sind sie ein bisschen stolz auf die Geschichte ihres Stadtteils. In der Vergangenheit war es ein Ort, an dem man hinfällt und wieder aufsteht. An dem man das Beste aus jeder Situation macht. In den 70ern war Harlem sehr kreativ, dann kamen die Drogenprobleme. Heute gibt es Starbucks. Es gibt so viele Shops, breite Straßen und so viel zu tun. Ich habe dort selbst für circa fünf Jahre gelebt. Hätte ich mal Eigentum gekauft. In der Serie zeigen wir nur einen kleinen Teil von Harlem und heben die Kriminalität hervor, weil es zur Dramaturgie passt.
Ursprünglich kommst Du aber aus South Carolina. Hast Du jemals selbst in so einer harten, mit Kriminalität durchtränkten Gegend wie in der Serie gewohnt?
Ich komme aus einer ruhigen Gegend. Kühe, Schweine, Hühner. Teilweise gab es bei mir Straßen, die nicht gepflastert waren. Also war ich zum Glück keiner innerstädtischen Gewalt und Gangs ausgesetzt.
Alfre Woodard spielt in „Luke Cage“ eine kriminelle Politikerin. Direkt in der allerersten Episode nutzt sie „Black Lives Matter“ in einem hinterhältigen, zynischen Tonfall. Mutig, die Bewegung in einer Serie von einer Schwarzen dermaßen missbrauchen zu lassen.
Man kann eben nicht alles generalisieren. Es gibt schwarze Bürger, die sich zynisch über die „Black Lives Matter“-Bewegung äußern. Ich spiele jetzt mal den Advocatus Diaboli: Wenn man ein Schwarzer in den Vereinigten Staaten ist, gehen die Leute direkt davon aus, dass man liberal und ein Demokrat ist. Das passt dann immer gut zu dem Bild, dass wir von den schwarzen Bürgern haben. Aber es gibt eben auch dunkelhäutige Republikaner. Ich selbst kenne welche davon, die sind dann auch Waffenbesitzer, konservativ und mögen Dinge, die teilweise ziemlich rechts sind. Macht es diese Leute weniger schwarz? Tut es nicht. Sie haben einfach eine andere Meinung. Ich will auch nicht Teil jeder Gruppe, jeder Bewegung sein. Trotzdem stimme ich vielen Sachen zu, für die „Black Lives Matter“ steht. Wenn unsere Leute ohne Grund getötet werden, dann ist das einfach Mord. Darauf wollen wir die Aufmerksamkeit lenken. Wenn ein Mann in den USA einen Hund tötet, würde er schneller ins Gefängnis kommen als wenn er einen Schwarzen tötet.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Anmerkung: Das Gespräch wurde durch freundliche Einladung von Netflix nach Paris ermöglicht.