Lust auf Beben?


Die Ärzte, Placebo, HIM, Beck, Calexico und 60 andere Acts spielen bei Terremoto am letzten August-Wochenende auf dem Gelände des ehemaligen Bizarre Festivals.

Terremoto ist ein komisches Wort, aber ein sehr ökonomisches dazu. Es hilft nämlich dabei, die Inflation im globalen Wortschatz einzudämmen. Weil es in zwei Sprachen genau dasselbe bedeutet. Wenn die Italiener und Spanier „terremoto“ sagen, meinen sie Erdbeben damit. Terremoto ist aber auch der Name eines Festivals mit einem ökonomischen Anspruch: ein breites Spektrum an Bands bieten, zwischen (alternativem) Rock und Pop, mit großen und nicht so bekannten Acts, und alles zu einem okayen Preis.

Preis-Leistungs-Verhältnis: 65 Bands spielen an drei Tagen auf drei Bühnen für 89 Euro. Macht 1,37 Euro pro Band. Zum Vergleich: ein grantiger alter Mann spielt für zwei Stunden auf einer Bühne, auf der sonst ein Symphonieorchester sitzt, für 117 Euro. Macht 117 Euro pro grantigem alten Mann und 58 Euro und 50 Cent pro Stunde. Wenn Sie bei dieser Milchmädchenrechnung an Neil Young denken, dann denken Sie gar nicht mal so falsch. Geiz ist zwar nicht wirklich geil, aber Geldzumfensterrausschmeißen auch nicht unbedingt. Wenn von Freitag, 29. August, bis Sonntag, 31. August, auf dem Flughafen Niederrhein in Weeze (Kreis Kleve) das Terremoto Festival über die Bühnen geht, bedeutet das aber auch die Wiederbelebung einer großen Tradition. Die Fortsetzung der „Mutter aller alternativen Festivals“ in Deutschland: Bizarre.

Nachdem der Veranstalter des Bizarre Festivals, die Concert Cooperation Bonn, im Februar 2003 Insolvenz angemeldet hatte, wurde die Veranstaltungsreihe Anfang des Jahres von Scorpio Konzertproduktionen und der Peter Rieger Konzertagentur gemeinsam übernommen. Es folgte ein mediales Hickhack zwischen Rieger und der Concert Cooperation, weil beide Veranstalter das Recht am Namen „Bizarre“ für sich beanspruchten. „Die Streitigkeiten konnten bis heute noch nicht endgültig geklärt werden“, sagt Elke Ulferts, Pressesprecherin von Scorpio, „so dass wir, um möglichst frühzeitig mit dem Line-up an die Öffentlichkeit gehen zu können, uns für den Namen ‚Terremoto‘ entschieden haben.“

Das erste Bizarre Festival fand 1987 als Zwillingsveranstaltung in Berlin und auf der Loreley statt. 23.000 Zuschauer wollten damals Acts wie Iggy Pop, Siouxsie & The Banshees und New Model Army sehen. Eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass sich die Musik der ersten Bizarre-Acts damals in einer Grauzone befand. Irgendwie waren sie nicht mehr ganz indie-alternative und irgendwie noch nicht ganz mainstream. Im Laufe der Jahre wurde die vermeintliche Spartenmusik immer populärer, Bizarre immer größer – vom eintägigen zum zweitägigen zum dreitägigen Festival – und irgendwann schließlich zur Legende der Indie-Festivals in Deutschland. Auch wenn es nicht so recht eine Heimat finden wollte. Von der Loreley über Gießen bis nach Köln (das Gelände, auf dem jetzt die Kölnarena steht, und auf dem ehemaligen Militärgelände Butzweiler Hof) reiste das Festival, bevor es schließlich im Jahr 2000 auf dem Flughafen Niederrhein in Weeze landete, auf dem heuer auch das Terremoto Festival stattfindet vor erwarteten 30.000 Besuchern. Gut 30 Acts (siehe Kasten) hatten bis Redaktionsschluss ihre Teilnahme zugesagt, darunter Placebo und Die Ärzte als Headliner. Farin Urlaub, Rod und Bela B. veröffentlichen am 29. September ihr neues Studialbum und gehen ab 9. Dezember zusammen mit Fettes Brot auf die „Jenseits der Grenze des Zumutbaren“-Tournee. Vorher muten sie dem Publikum auf dem Flughafen Niederrhein aber erst noch den Festivalauftritt zu.

Neben den Großen wie HIM, Beck, Die Fantastischen Vier oder den Foo Fighters stehen aber auch unbekanntere, aber nicht weniger wichtige Acts wie Mogwai, Grandaddy, The Coral oder The Polyphonic Spree auf der Liste. Und: „Das Booking für das Terremoto Festival ist noch lange nicht komplett“, verspricht Elke Ulferts, „es sind noch einige Überraschungen zu erwarten.“ Insgesamt soll das neue Festival „kompakter“ werden als seine Vorgänger. Der Schwerpunkt soll auf den Live-Bands liegen, Kirmesschnickschnack und Off-topic-Events wie Bungeejumping oder Ballonfahrten wird es nicht geben. Ähnlich wie bei Hurricane und Southside. „Mit diesen Festivals haben wir durchweg positive Resonanz bekommen, weil die Leute drei Tage lang Musik pur bekommen haben. Alles andere würde ein Festival zu einem Massenevent machen“, sagt Ulferts.

Und Wie War das nochmal mit dem Namen? „Er ist angelehnt an das sehr erfolgreiche Terremoto Festival 2000 in Hamburg. Damals spielten unter anderem Limp Bizkit, Foo Fighters, Deftones und Beck“, sagt Ulferts. „Der Name passt unheimlich gut zu einem Rockfestival, weil die Bands die Erde zum Beben bringen“. „Terremoto“ ist ein sehr ökonomisches Wort. Es hat nicht nur eine Bedeutung im Italienischen und Spanischen, sondern auch im deutschen Festival-Sprech: „Bizarre“.

>>> www.terremoto.de