Interview

Lutz van der Horst im Blind Date: „Eine tuntige Raumschiffbesatzung war schon damals verzichtbar gewesen“


Der lustigste Typ mit viel Frisur im deutschen Fernsehen? Ganz klar: Lutz van der Horst! Der Kölner gehört unter anderem zum Ensemble des ZDF-Satire-Dauerbrenners „heute-show“ und moderiert auf Tele 5 die Sendung „Der Filmtalker“. Mit ihm wagen wir uns auf schwieriges Terrain: Pop und Humor.

Studio Braun — „Mariacron“

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Lutz van der Horst: Also die Stimme habe ich erkannt – Heinz Strunk, muss das sein? Das Stück kenne ich aber nicht. Geht ja schon gut los …

Heinz Strunk stimmt schon mal. Das ist er mit Jacques Palminger und Rocko Schamoni. Als Studio Braun haben sie diesen Song vor Ewigkeiten aufgenommen, über das YouTube-Video wurde er mit Verspätung zum Kult.

Lutz van der Horst: Ich besitze mehrere CDs von Studio Braun mit ihren Telefonstreichen, die halte ich wirklich für unfassbar lustig. Von Heinz Strunk habe ich außerdem jedes Buch gelesen. Ich schäme mich jetzt in Grund und Boden, dass ich die Nummer nicht kannte!

Das ist hier ja keine Prüfung.

Lutz van der Horst: (skeptisch) Beruhigend.

Stefan Raab — „Space Taxi“

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Lutz van der Horst: An diesen Song hätte ich vermutlich nie wieder gedacht. Ohnehin besitzen gerade witzige Songs eine eher geringe Halbwertzeit, dieser hier dürfte dazugehören. Dass er von Stefan Raab komponiert wurde, hört man sehr stark heraus, finde ich. Seine Songs besitzen meist einen Einschlag vom Funk – unverkennbar. Ich habe übrigens gestern zum ersten Mal Bully Herbig persönlich kennengelernt – und Raab war auch da.

Wie du lebst!

Lutz van der Horst: Na ja, ich habe eben „Blamieren oder Kassieren“ für „TV Total“ moderiert und danach noch mit beiden reden können.

In dem Song und dem Film basieren viele Scherze auf einer Klischeedarstellung von Homosexualität.

Lutz van der Horst: Ich sitze hier gerade vor meiner riesigen Wand aus DVDs, aber ich muss gestehen, „(T)Raumschiff Surprise“ habe ich nie gesehen. Dennoch ist klar, diesen Song und vor allem den Film dazu könnte man heute so nicht mehr machen. Interessant auch, dass man genauso den viel größeren Bully-Erfolg, „Der Schuh des Manitu“, heute nicht mehr würde bringen können. Damals wurde noch ganz anders auf diese Filme geschaut, man ging davon aus, dass Bully es gut meint mit seinen Figuren, das hat als Legitimation gereicht. Heute ist das anders. Allerdings war für mich auch schon damals diese tuntige Raumschiffbesatzung verzichtbar gewesen. Ich werde jetzt aber keinesfalls etwas Negatives über Bully sagen – schließlich will ich, dass er mich noch zu „LOL“ einlädt.

Die Ärzte — „Ein Lied für Jetzt“

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Lutz van der Horst: In meiner Jugend waren Die Ärzte das große Ding – haben mich aber tatsächlich nie so angesprochen. Gereizt hat mich höchstens, dass in den Achtzigern zwei Platten von ihnen auf dem Index waren. Die hätte ich zu jener Zeit echt gern gehabt! Ansonsten kann man sich vieles in dem Genre Fun-Punk nun wirklich nicht anhören, aber den Ärzten gelingt es immer noch, lustige Musik zu machen. Ich finde sie heute auch deutlich besser als früher. Apropos: „Kann man heute nicht mehr bringen“, die Ärzte haben sich zuletzt doch von ihrem Song „Die fette Elke“ losgesagt, sich sogar entschuldigt, meine ich. Da hatte ich wie auch bei „Dicke“ von Westernhagen ohnehin immer gedacht: Das ist doch null witzig, was haben alle nur immer damit?

„Ein Lied für Jetzt“ war auch einer von vielen „humorigen“ Lockdown- Songs aus 2020, du hast als Tippy Toppy mit Thilo Gosejohann dich selbst in dem Genre betätigt.

Lutz van der Horst: Das war echt eine spannende Zeit, die ich im Nachhinein nicht missen möchte. Weil da viele Sachen entstanden sind, zu denen es sonst nie gekommen wäre. Auch ich saß daheim, hatte keine Aufträge und habe einfach mal gemacht, was ich schon immer machen wollte. Die Zeit dafür war ja plötzlich da.

Die Rheinischen Frohnaturen — „Bin ich erst mal blau“

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Lutz van der Horst: Ist das die Antilopen Gang?

Genau, aber unter anderem Namen mit einem subversiven Ballermann-Stück.

Lutz van der Horst: Sauf-Songs – das ist natürlich ein interessantes Genre. Gerade wenn man in Köln lebt, kann man sich dem nicht entziehen. Sauf-Songs sind hier überall, der Karneval tut da sein Übriges. Ob so was aber auch nüchternen Ohren standhält? Ich glaube nicht. Das funktioniert nur mit Alkohol und mit anderen in einem Raum. Dann entfaltet so was seine, na ja, Magie…

The Toten Crackhuren im Kofferraum — „Bau mir nen Schrank“

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Lutz van der Horst: Vorweg: Ich kenn’s nicht, aber das besitzt eine gute Energie. Mir gefällt auch, wie da offensichtlich eine Umkehr zu klassischen Rap-Texten stattfindet. Grundsätzlich finde ich Spaßlieder immer dann scheiße, wenn es nur um einen spaßigen Text geht – und die Musik mal wieder vergessen wurde. Hier ist das anders, das geht richtig nach vorne. Dazu würde ich in der „Disse“ sofort tanzen.

Jeans Team — „Bomberjäckchen“

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Lutz van der Horst: Das ist für mich einer dieser Songs, bei denen ich sage: Finde ich lustig, aber möchte ich mir jetzt kein zweites Mal anhören. Für mich ist Musik einfach was sehr Emotionales, ich brauche Musik, um Schmerzen zu verarbeiten, ich verstehe meine Plattensammlung daher auch als Apotheke – aus der ich mir meine Medikamente ziehen kann gegen diverse seelische Leiden. Und da haben lustige Songs einen schweren Stand. Ich kann sie am ehesten ertragen, wenn mir auch die Musik gefällt – und das ist hier eher nicht der Fall.

Deichkind — „In der Natur“

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Lutz van der Horst: Das sind Deichkind. Die sind generell super, ihr letztes Album WER SAGT DENN DAS? habe ich mir auf Vinyl gekauft. Dieser trockene norddeutsche Humor, der bei der Band drinnen steckt, ist für mich eigentlich der schönste. Und ihr Klassiker „Bon Voyage“ hat bei mir fünf Punkte in iTunes. Das ist eine hohe Auszeichnung! Ich habe meine ganze CD- Sammlung digitalisiert – und jeder Song hat eine Wertung.

Klingt ziemlich nerdy.

Lutz van der Horst (lacht): Letztes Jahr habe ich alles auf eine neue Festplatte transferiert und dachte kurz, all meine Sterne, alle scheiß Albencover wären weg. Das war nicht mehr lustig. Aber zum Glück konnten die Sachen dann doch wieder lesbar gemacht werden.

Lutz van der Horst wurde 1975 in Köln geboren und tritt sowohl als Autor als auch vor der Kamera für zum Beispiel die „heute-show“ in Erscheinung. Van der Horst taucht aber auch in unzähligen Sendungen des hiesigen Comedy-Betriebs auf, war sogar mal die Stimme der Pro7-Show „Gina-Lisas Welt“. Im Pandemie-Jahr 2020 sorgte sein ironisches Pop-Projekt Tippy Toppy für Aufsehen. Im ZDF-„Fernsehgarten“ wurde der virale Hit „Disdance“ aufgeführt und bestaunt. In „Lutz van der Horst – der Filmtalker“ bespricht der unter- haltsame Rheinländer mit wechselnden Gästen Themen wie Zensur, „Star Trek“-Kult und den Reiz von Trashfilmen wie „Sharknado“.

Dieses Blind Date erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 02/2023.