M.C. Hammer
Zum ersten Mal schlug The Hammer nun auch in Europa zu — und das nicht nur auf der Bühne. Beim Tourneeauftakt in Rotterdam fühlte er sich von den Pöbeleien der holländischen Rap-Crew Infobeat so böse provoziert, daß er zusammen mit seinen Bodyguards zwei Schlägereien anzettelte. Resultat: ein gebrochener Kiefer auf der gegnerischen Seite und eine um zwei Stunden verspätete Pressekonferenz, weil Hammer in seinem Hotel von der Polizei verhört wurde (daß er nicht, wie sonst üblich, zur Wache mußte, soll er sich mit Freikarten für die Beamten erkauft haben). Der Album-Titel PLEASE HAMMER. DONT HURT ‚EM is also mehr als nur bloßes Gerede.
Eben noch im Polizeiverhör, jetzt auf unserer Show-Bühne: Nach einem kurzen, aber wirkungsvollen Auftritt von Hammers Labelkollegen Joey B. Eilis 1,,1’m glad to be here in Amsterdam!“) und nach einer unnötig langen Wartezeit, die sich das Publikum – von acht bis 18 Jahren— mit zahlreichen Maradona-Wellen vertreibt, ist es endlich soweit: Hammer Time! Zu den Klängen von, Also sprach Zarathustra“ stürmen mehr als 30 Tänzer und Musiker auf die dreistöckige Bühne, über der überdimensionale Leucht-Hämmer schweben. Nach mehreren Explosionen steht der echteHammerauf der Bühne und zieht eine Show ab, wie sie die europäische Rap-Szene noch nicht gesehen hat.
Mit dieser Live-Show bringt M. C. Hammer seine zahlreichen Kritiker zumindest zeitweise zum Verstummen. Des Rappers kratzige Stimme („Sie kling: so wie ein verstopftes Waschbecken, das sich selbst zu reinigen versucht“,schrieb die New Yorker Village Voice) und seine lahmen Texte (laut Rap-Magazin The Source „so kreativ wie ein Glas warme Milch“) sind vergessen, wenn Hammer und seine Tänzer-Horden in perfekter Synchronisation auf der Bühne herumwirbeln.
Die Inbrunst, mit der sich Hammers Posse der Show widmet, mag damit zu tun haben, daß dies wohl der einzige Spaß ist, den sie in Europa haben werden: Wer beim US-Auftakt der Welttournee eine Viertelstunde nach der Rückkehr ins Hotel nicht in seinem Zimmer war. mußte 100 Dollar Strafe zahlen (was bei Hammers Sparsamkeit in etwa dem Taschengeld für eine Woche entsprechen soll).
Selbst das sample-lastige Oldie-Recycling von Hammers Hits wird im Konzert durch Live-Schlagzeuger und -Bassisten sowie ein jazziges Bläsertrio wettgemacht. Ein Teil der Musik und des Gesangs wird trotzdem als Konserve eingespielt, was den baßlastigen Rumpel-Sound in Rotterdam noch unverständlicher erscheinen ließ.
Auch wenn Hammers verbale Anmache des Publikums selten Sesamstraßen-Niveau übersteigt und seine Versuche, den verletzten Lover heraushängen zu lassen, vollends in die Hose gehen – die atemberaubende Mischung aus dem Überschwang von Aerobics-Meisterklassen, der Perfektion bester Broadway-Musicals und dem Pomp von Las Vegas dürfte auch hartgesottene Miesmacher 90 Minuten lang hervorragend unterhalten.
Hammer hat recht, wenn er sich von der Rap-Szene abgrenzt und sich statt dessen mit den Entertainern dieser Welt vergleicht. Seine Disneylandisierung des HipHop wird hoffentlich keine allzu tragischen Folgen haben —echte Besorgnis ist erst dann angebracht, wenn der real existierenden Hammer-Puppe (kein Scherz!) eine Barbie-Version von Public Enemy Chuck D folgen sollte.