M. Walking on the Water
Wir leben im Jahr des Pluto, und vier Krefelder sind seine Jünger. Ihr neues Album PLUTO, MÜV-Sieger dieser Ausgabe, ist ein echter Himmels-Stürmer. ME/Sounds-Mitarbeiter Christoph Becker war beim Astrologie-Unterricht und weiß jetzt, wieso das chinesische Orakel I-Ging selbst beim Tanken hilft.
Die Vier von M. Walking On The Water lieben es, Journalisten auf den Arm zu nehmen und grundlos albern zu sein. Schon so manches Mal haben sie uns schreibenden Zeitgenossen Bären aufgebunden. Daß sie allesamt ehemalige Jehovas-Zeugen seien, beispielsweise. Oder in direkter Linie von Walther von der Vogelweide abzustammen. Warum auch nicht?
M. Walking On The Water waren nie nur eine Band. Am Anfang waren sie auf der Bühne mit roher Leber oder pinkelten im Kreis, inzwischen sind sie sanft geworden und beschäftigen sich mit Astrologie und chinesischen Orakeln.
„Unsere früheren Eskapaden haben wir inzwischen abgelegt. Die Musik ist immer mehr in den Vordergrund gerückt, und wir müssen nicht mehr über unsere Unfähigkeit hinwegtäuschen, früher haben wir, wenn wir nicht mehr weiterwußten, Bananen mit einer Stichsäge zerschnitten und an das Publikum verteilt.“
Trotzdem steht das Quartett vom Niederrhein immer noch auf Experimente. Das macht die neue LP PLUTO deutlich. M. Walking On The Water haben die sechssaitige Streitaxt hervorgeholt und schwingen mit ihr – ganz im Sinne der Pixies (ihre großen Vorbilder) – mächtig herum. Extrem verzerrte Gitarrensalven prägen den Stil neu. Nicht mehr das Akkordeon steht, wie auf dem Debüt Album oder der skurrilen Mini-LP „The Waltz“, im Vordergrund, sondern eine ungewöhnlich aggressive und ungeschliffene Klampfe. Das ist durchaus gewagt. Denn kaum hat sich die Band mit ihrem sowieso schon unkonventionellen Stil etabliert, ein festes Publikum geschaffen und für eine Independent-Band bemerkenswerte 12 000 LPs verkauft, schlägt sie den Fans schon wieder seine inzwischen liebgewonnenen Gewohnheiten um die Ohren.
Doch auch wenn die Gitarre schon mal brachial daherscheppert, sind sie ihrem Folk-betonten Stil und dem klaren Bekenntnis zu deutscher Musiktradition treu geblieben: ein bißchen Proll, ein bißchen Garage, ab und zu auch mal knapp daneben; aber immer mit reichlich Dampf gespielt. Zwei Jahre hat sich die Band Zeit gelassen, um nach den ersten Studioerfahrungen ein neues Werk anzugehen. Wohl überlegt, denn auf PLUTO hat das erste Mal die britische Connection richtig eingeschlagen. Pat Fish, der Kopf von Jazz Butcher“, und Nikki Sudden sind spontan ins Studio gekommen und haben bei den Aufnahmen von „Love“ mitgewirkt. „Durch unsere England-Touren haben wir – vor allem in London – einen Kreis Musiker kennengelernt, zu denen wir beste Beziehungen haben. Wir treten schon mal zusammen auf oder helfen eben wie m unserem lall auf den jeweiligen Platten aus. Eigentlich sind wir gar keine Krefelder, sondern echte Kosmopoliten. „
Daß aber selbst der Planet Erde dieser Band manchmal ein wenig eng wird, beweist das neue Album. Der Blick geht in Richtung Weltall. „Wir haben das Jahr des Pluto“, erklärt Bassist Ulrich Kisters. “ Und wer sich ein wenig mit Astrologie beschäftigt, weiß, daß Pluto zwanghaft in Beschlag nimmt. Er überfällt dich, besetzt dich. Wir pressen unsere Seele in schwarzes Vinyl und kriegen dafür rauhe Mengen Geld. Von PLUTO werden wir 20-30000 verkaufen. Das hat uns das I-Ging verraten. In prekären Lebenslagen fragen wir immer das I-Ging. Zum Beispiel, ob unser Tankvorrat noch bis nach Hause reicht. „