M. Walking On The Water – Pluto
Auf ihrem neuen Album bewahrt sich die Krefelder Gruppe M. Walking On The Water den Charme ihrer Folkrock-Vergangenheit. Zugleich erreicht sie mit starkem Gitarrenrock internationales Niveau.
Ethnopop aus vollstem deutschem Herzen: Diese Formation verschnürt auch das sperrigste musikalische Frachtgut so raffiniert und elegant, daß es sogar untrainierten Ohren reingeht wie Butter. Auf ihrem zweiten Fulltime-Album (zwischendurch gab’s noch die Mini-LP THE WALTZ mit 25 Minuten Spielzeit) treiben es die Wasserläufer noch toller als auf ihrem auch schon recht gelungenen Debütalbum (M. WALKING ON THE WATER, 1988), und sie entfalten dabei eine Langzeitwirkung, der sich selbst wasserscheue Banausen nicht entziehen können.
Bisher sahen sich die Krefelder von den Kritikern immer in die Schublade des folkorientierten Ethnopop eingeordnet, weil sie mit Stehbaß (Ulrich Kisters) und Akkordeon (Mike Pelzer) arbeiten. Und immerhin wartete das Quartett auf THE WALTZ durchgängig mit Stücken im Dreivierteltakt auf. Auf PLUTO hingegen lautet das Motto nicht „Accordions Go Crazy“ – aber dafür verbindet sich das Schifferklavier noch immer mit dem exquisiten, pumpenden Baß zu schrägen Tanznummern oder beschwört – beispielsweise in „Anymore“ – mit Klimperklavier und feuriger Trompete mexikanisches Flair auf der Basis flotter Eingängigkeit wie weiland in den 60er Jahren.
Ohne Zweifel hat diese Band Charisma wie nur selten jemand. Und sie läßt sich keinem Trend einpassen. PLUTO erinnert stellenweise an die verspielte, humorvolle Schrulligkeit von Ray Davies, und die vier Musiker kippen auch nicht alle braven Folk-Bezüge über Bord. Auf der anderen Seite stehen immer wieder herrliche, schräge Gitarrenparts und hin und wieder punkige Rhythmen; Nikki Sudden und Pat Fish (The Jazz Butcher) wirken als Gäste mit. Das alles klingt ungewohnt und zugleich auf Anhieb vertraut, und das ist sicher nicht die schlechteste Voraussetzung für eine solche Platte des Monats oder gar des Jahres, die mit jedem neuen Hören wächst und an Intensität gewinnt.
Die elf plutonischen Weisheiten auf diesem Album fielen abwechslungsreich aus, ohne dabei skurril oder nervig zu wirken – intelligente Popmusik für Entdecker und Genießer.(gil)
SPIEL & SPASS
40 Tage lang standen die Musiker von M. Walking On The Water für die Aufnahmen zum neuen Album im Studio. Mit dem Resultat der intensiven Arbeit zeigen sie sich höchst zufrieden.
„Das ist alles mit unheimlich viel Spaß bei der Arbeit entstanden, und jeder, der mit der neuen Platte konfrontiert wird, ist überrascht, weil wir uns so weiterentwickelt haben. Das Akkordeon ist immer noch wesentlicher Bestandteil, wir haben unseren eigenen Sound bewahrt und trotz allem eine richtige Gilarrenplatte gemacht. Das ist doch Klasse.“ (Markus Maria Jansen, Gitarre, Gesang) „Wir arbeiteten bei allen Grundtracks mit Drumcomputern und sonstigen technischen Hilfsmitteln und hatten von daher viel weniger Probleme mit dem Sound als bei den ersten Produktionen. So konnten wir uns von Anfang an ganz den Arrangements und dem Gesamtsound widmen. Dadurch reiften viele Stücke im Studio noch weiter. Später ersetzten wir diese Hilfsspuren dann durch den echten Drum-Sound.“ Jürgen Jähnke (Schlagzeug) „Wir haben selber produziert und sehr viel gelernt, und Sachen, die wir bei früheren Produktionen immer schon umsetzen wollten, kommen nun endlich zum Tragen. So war die Platte nicht durch das bestimmte Klangbild eines Produzenten festgelegt. Es gibt noch einige wenige Songs, die an die alten Platten anknüpfen, aber der Großteil hat ein vollkommen neues Klangbild, das eher gitarrenorientiert ist und uns damit wesentlich weiter wegrückt von der Schublade des Folkrock, in die uns die Kritiker so gerne stecken.“ (Mike Pelzer, Akkordeon, Piano, Gesang)
PAKT MIT PLUTO
Wie es zum Titel des Albums kam, erläutert Bassist Ulrich Kisters: „Die übliche Tonhöhe von 440 Hz ist auf einer Konferenz einfach technokratisch festgelegt worden. Sie steht in keinem Naturbezug. Die Inder stimmen ihre Sitar zum Beispiel nach den Schwingungen der Erde um die Sonne. Das kann man zwar nicht hören, aber da gibt es ein bestimmtes Verhältnis von Tempo und Zeit und zweitens ein Verhältnis von Schwingungen und Zeit.“
Für seine Umlaufbahn um die Sonne benötigt der Planet Pluto 248 Jahre. Jupiter schafft diesen Rundweg ein wenig schneller, und die Venus, die viel näher um die Sonne kreist, ist noch fixer. Auf der Grundlage dieser Umlaufbahnen stimmte die Band in vier Songs auf PLUTO ihre Instrumente. Kisters: „Das Titelstück steht mit dem Basiston von 140,25 Hz und mit 131 Schlägen pro Minute in direkter Beziehung zum Pluto.“ Dieser Titelsong wurde ganz zum Schluß mitten in der Nacht in einem leerstehenden Gebäude gegenüber dem Tonstudio aufgenommen, als die anderen Stücke bereits abgemischt wurden. „Und jetzt brauchen wir noch Pluto auf unserer Seite‘, hofft Ulrich Kisters, „denn das ist ein ganz herber Planet, der einem im Sternzeichen unheimlich viel Widrigkeiten machen kann. Aber wenn man ihn erst mal bei sich hat, ist das fast wie ein Pakt mit dem Teufel.“