Reportage

Mach doch mal den Kopp aus!


Zum 20. Geburtstag ziehen wir mit den Punkrockern durch ihr Berlin. Unsere Titelgeschichte aus der November-Ausgabe des Musikexpress, jetzt in voller Länge online.

Und wenn sie diese Geschichten dann erzählen, in berlinerischem Kecksprech, mit dieser kornapfelgelben Zuversicht im Blick, dann muss man diese Art der Vom-Müllauto-in-den-Rock’n’Roll-Himmel-Folklore unbedingt zum Erfolgsgeheimnis der Beatsteaks mit dazuzählen. Diese Beatsteaks sind definitiv mehr als irgendeine Band. Die sind ’ne Marke – darauf können sich Mundart-Berliner und Werbefachmann einigen. Echte Durch-dick-und-dünn- Freunde sind das, und solange die es regelmäßig irgendwo krachen lassen, ist die Welt noch nicht verloren. Dass ihre Fans diese Botschaft automatisch um den Zusatz „Join the gang!“ erweitert sehen, versteht sich fast von selbst.

„Ich habe immer noch nicht das Gefühl, dass wir es geschafft haben, die Kraft der Beatsteaks auf ein Album zu packen.“ (Arnim Teutoburg-Weiß)

So wurde aus den kleinen DIY-Strolchen eine der zugkräftigsten Kapellen der Republik. Die sich mit viel Proben und viel Praxis und einer Rampensau by nature auf der Stürmerposition zu einem Livespektakel gemausert hat, das selbst Nürburg- und Eichenring dirigiert bekommt. Die fünf, allesamt Songwriter mit unterschiedlich großem Input, beweisen aber auch auf Platte, dass sie ihr Handwerk immer besser beherrschen. Ihre große Melodieverliebtheit drückt sich in straighten Radiosingles aus, sie versuchten sich aber auch schon ziemlich überzeugend an Dancehall, Stoner Rock, New Wave und so weiter. Und wo sie gut bei The Clash geklaut haben, muss man fragen: Wer kriegt das denn sonst so hin hierzulande – tatsächlich gut bei The Clash zu klauen? Aber andere Frage: Kann man als Rockgruppe eigentlich irgend-wann zu gut sein – oder besser gesagt: zu clever?

ME: Wenn man so lange Musik macht, lernt man immer mehr dazu, verbessert laufend seine Fähigkeiten. Fällt es euch nicht zunehmend schwer, auf eure Art „einfach“ zu bleiben, sodass eure Songs auch immer noch im Beatsteaks-Stil funktionieren?

ARNIM: Mir fällt es total schwer. Aber vor allem bei den Texten. Dann frage ich mich: Was will ich singen, was will ich aussagen, welches Gefühl will ich ausdrücken? Dann kommt irgendwann der Punkt, wo jemand sagt: „Stell dich nicht so an, du bist hier nicht Bob Dylan!“

THOMAS: Wenn Bands älter werden, stellen sich solche Fragen. Ich glaube, der falsche Weg ist es, darüber nachzugrübeln. Man muss einfach machen. Machen, machen! Bewerten kann man das dann später.

ARNIM: Und wenn sich doch mal einer von uns selbst im Weg steht: Dafür spielt man ja auch in einer Band. Dann sagt der andere: „Mach’ mal den Kopp aus!“ Eigentlich ist es ja so, dass wir nichts wissen. Ich weiß, wie ein Konzert funktioniert. Ich weiß, dass wenn da „I Don’t Care …“ auf der Setlist steht, jetzt was passiert. Aber ich weiß nicht, wie die Leute auf das neue Stück „Ticket“ reagieren. Keine Ahnung.

ME: Kannst du im Nachhinein wenigstens erklären, was ihr damals angestellt habt, damit so ein Stück wie „I Don’t Care As Long As You Sing“ dabei herauskommt?

ARNIM: Wie haben unser Ding gemacht.

THOMAS: Und das machen wir auch heute noch. Und wenn wir jetzt so tierisch die Checker wären, würden wir wohl längst auch noch andere Sachen machen, wie Dan Auerbach, der dann eben auch noch diesen Tuareg produziert.

ARNIM: So wie wir Konzerte spielen, denke ich mir … Ich habe immer noch nicht das Gefühl, dass wir es geschafft haben, die Kraft der Beatsteaks auf ein Album zu packen. Nach wie vor nicht. Und das erzählt dir ja sogar ein Leonard Cohen, neulich, in einem Interview: „Ich habe das noch nicht geschafft, das eigentliche Gefühl auf eine Platte zu packen.“

Und was tut ihr nach 14 Jahren in derselben Besetzung dagegen, nicht vorhersehbar füreinander zu werden?

PETER: Jeder gibt sich einfach ganz dolle Mühe. Ich kann mir zwar denken, dass Thomas vielleicht da jetzt einen krummen Takt einbringt … Aber ich bin trotzdem total gespannt darauf! Oder wenn ich irgendein Riff habe und Bernd frage: „Fällt dir irgendwas dazu ein?“, da sage ich mir ja nicht: „Na, da weiß ich ja schon, wat kommt.“ Wir hören ja auch alle unterschiedliche Musik. Ich habe zum Beispiel mit Deutsch-Rap nichts am Hut, aber ich weiß, dass irgendwas davon in irgendeinem Bass-Dings von Torsti drin steckt. Und dort finde ich es vielleicht geil.

Ihr könnt euch noch überraschen.

PETER: Wir können uns noch überraschen.

Ihr müsst noch nicht zum Eheberater.

PETER UND BERND: Nee.

PETER: Das kommt dann zwischen der Musik.