Mando Diao: live vor dem Brandenburger Tor …


... und was macht eigentlich ihr Ex-Mitglied Daniel Haglund, der Mitgründer? Er arbeitet heute als Sozialarbeiter und Gitarrenlehrer. Uns erzählte Haglund seine Geschichte.

Am 2. Oktober treten Mando Diao im Rahmen des Coke Sound Up Festivals vor dem Brandenburger Tor auf. Die Schweden sind Superstars geworden. Einer, der das nur noch als Außenstehender mitbekommt, ist Daniel Haglund. Er ist Mit-Gründer von Mando Diao – und wurde von den Kollegen kurz vor dem Durchbruch rausgeworfen. Uns erzählt Haglund seine Geschichte.

Die Geschichte von Mando Diao beginnt 1995, obwohl wir damals noch nicht so hießen. Ich war in der siebten Klasse auf dem Gymnasium meiner schwedischen Heimatstadt Borlänge und machte mit einem Kumpel, der auch Daniel heißt, Musik – er am Schlagzeug, ich an den Keyboards, mit einem Pedal simulierte ich den Bass. Unser Proberaum war der Keller meiner sehr geduldigen Eltern. Immer mal wieder kam jemand Neues dazu, ging wieder, dann kam jemand anders. Irgendwann ging auch der andere Daniel und wir ersetzten ihn mangels Alternative mit einem Drumcomputer. Nur Gustaf Norén und Björn Dixgård, unsere Sänger und Gitarristen, blieben ab ihrer ersten Probe dabei, sie waren sofort Feuer und Flamme. Eine Zeit lang nannten wir uns Butler. Dann hatte Björn diesen Traum, in dem ihm ein Mann die Worte „Mando Diao“ entgegenschrie. 2000 kam Samuel Giers, ein Drummer, neu zu mir in die Klasse, bald darauf tauchte er bei unseren Proben auf. Wir stellten den Drumcomputer ab, ließen Samuel ans Kit und Mando Diao waren geboren. Samuel brachte dann noch seinen Schulfreund Carl-Johan Fogelklou als Bassisten zur Gruppe und die klassische Besetzung stand.

Eine schöne Zeit, wir wohnten zu Hause, mussten uns um nicht viel kümmern und konnten so oft wir wollten miteinander proben, teilweise bis zu fünfmal die Woche. Ich hatte alles notwendige technische Equipment für Aufnahmen: Zehn der zwölf Songs unseres Debütalbums „Bring ’Em In“ spielten wir im Untergeschoss meines Elternhauses ein. Aber bis dahin sollte noch etwas Zeit vergehen. Zunächst gaben wir Konzerte, viele Konzerte. Die Leute mochten uns von Anfang an – sogar als wir noch mit der Drummachine auf der Bühne standen! Auch damals befanden sich schon mehrheitlich Mädchen im Publikum. Dass ich als Einziger einen Führerschein hatte, machte mich zum Chauffeur der Band. Ich war das Mädchen für alles. Nur die Songs stammten immer schon von Gustaf und Björn. Das hat auch immer gut funktioniert, niemand hatte das Gefühl, Teil einer Hierarchie zu sein. Und wir wussten, dass aus uns etwas wird. Der Tag würde kommen – wir wusste nur noch nicht, wann.

Der Tag näherte sich, als wir 2001 vermehrt in Stockholm spielten. Bis dahin waren wir vor allem in und um Uppsala unterwegs. In Stockholm rasteten die Leute dann wirklich aus, und wenn du es in der Großstadt geschafft hast, dann ist der Durchbruch zum Greifen nah. Die Form, in der er schließlich kommen sollte, war allerdings gleichermaßen unerwartet wie lustig: Samuels Mutter kannte den damaligen Head Manager der schwedischen EMI, sie war früher seine Babysitterin. 2002 rief sie ihn an und erzählte ihm von der Band ihres Sohnes. Dann schickte sie ihm ein Demo, und die EMI war sofort begeistert. Das sprach sich schnell herum. Es entstand ein regelrechter Krieg um uns, alle wollten uns unter Vertrag nehmen, aber wir entschieden uns für die EMI. Zu dem Zeitpunkt hatten wir unsere eigentlichen Jobs bereits aufgegeben. Mir passte das ganz gut in den Kram, ich war damals gerade mit der Schule fertig und hatte Zeit. Vielleicht liest sich das alles so, als wäre es ab dann Schlag auf Schlag gegangen. Aber ganz so senkrecht war unser Start nicht. Zwar spielten wir im Sommer 2002 mit den Hellacopters Konzerte vor Tausenden Besuchern, zu den Auftritten unserer Headliner-Tour im Herbst kamen manchmal aber auch nur zehn Leute.

Im Herbst spielten Mando Diao eine Tour im Ausland. Ich stand kurz davor, Vater zu werden und wollte nicht an einem Flughafen stehen und am Telefon erfahren, dass mein erstes Kind auf die Welt gekommen ist. Gustafs jüngerer Bruder Victor und Mats Björke, der auch bei uns auf der Schule war, ersetzten mich. Im Januar 2003 wurde dann meine Tochter geboren. Wir hatten damals eine Pause, was mir sehr gelegen kam, so konnte ich mich um das Kind kümmern. Danach stand eine Frühlingstour an, auf die ich mich schon gefreut hatte. Ein paar Tage vor dem ersten Konzert rief mich Samuel an und sagte: „Wir wollen dich nicht zurück in der Band. Es funktioniert ganz gut ohne dich.“ Mats sollte meinen Job übernehmen. Ich weiß nicht, wie die Jungs damals tickten, aber vielleicht entschieden sie sich für Mats, weil der noch keine Kinder hatte. Oder sie waren einfach jung und dumm. Ich rief alle der Reihe nach an und redete mit ihnen. Ich war sauer, ich wollte nicht gehen. Ich war bereit, um meinen Platz in der Band zu kämpfen. Aber da war nichts mehr zu machen. Sie wollten mich nicht mehr. Ich fühlte mich ganz klein. Ich merkte, dass es keinen Kampf gab. Ich hatte auch keinen Verbündeten mehr in der Band. Mando Diao waren geschlossen gegen mich.

Nachdem ich das letzte Telefonat beendet hatte, gab es Jahre keinen Kontakt mehr zu den Jungs. Mando Diao zu ignorieren war aber auch erst mal nicht so schwer, es war still um sie geworden. Und in Schweden waren sie ohnehin nie so groß wie in Deutschland. Im Sommer 2004 hörte ich dann „Clean Town“, die erste Single aus ihrem neuen Album „Hurricane Bar“, im Radio. Ich schaltete sofort aus. Der Schmerz saß noch zu tief. Kurz darauf ging ich in einen Instrumentenladen in Borlänge, da saß Björn mit seinem Vater und spielte Gitarre. Ich musste den Laden auf der Stelle verlassen. Ich konnte es nicht ertragen, Björn zu sehen. So ging das lange Zeit weiter, Traurigkeit wechselte sich mit Wut ab. Ich versuchte, nicht über die Band nachzudenken, ich wollte das alles verdrängen.

Die nächsten Jahre arbeitete ich in der Firma meiner Eltern, die verkaufen Kaffeemaschinen. Und ich kehrte zu der Band zurück, in der ich schon vor Mando Diao war: Brandrockarna, eine Coverband. Mittlerweile müssen schwedische Coverbands auch „Dance With Somebody“ im Programm haben, aber damals kam man gottlob noch nicht in die Verlegenheit, Mando-Songs spielen zu müssen. Diese Zeit bestand aus Kaffee, Covers und Kindern: Wir bekamen einen Sohn und noch eine Tochter. Bevor unsere älteste Tochter in die Schule kam, zog ich meiner Frau zuliebe 370 Kilometer weit weg in ihre Heimatstadt Ed, ein Fünftausend-Leute-Kaff in der Provinz. Borlänge ist zwar nicht so gefährlich, wie Mando Diao immer sagen, aber meine Frau wollte trotzdem nicht, dass unsere Kinder dort groß werden. Zunächst hatte ich keinen Job in Ed, aber dann starb der Musiklehrer der dortigen Schule an einem Herzinfarkt und ich durfte ihn ersetzen, obwohl ich keine Ausbildung als Lehrer habe. Als die Schulleitung herausfand, dass ich auch Deutsch kann, wurde ich gleich noch als Deutschlehrer eingestellt. Der Job war allerdings auf ein Jahr befristet. Seitdem arbeite ich im örtlichen Jugendzentrum. Das gefällt mir sehr, ich kann gut mit Jugendlichen umgehen. Nebenher gebe ich privat Gitarrenunterricht, ich habe 16 Schüler. Und ich bin noch als freiwilliger Helfer bei der Feuerwehr. Ich habe nur eine kleine Wohnung. Seit Kurzem lebe ich von meiner Frau getrennt, die Kinder wohnen bei ihr. 100 Meter liegen zwischen unseren beiden Haustüren.

Der Hass auf Mando Diao verschwand von einen Tag auf den anderen, einfach so. Es war irgendwann 2006, ich wachte morgens auf und mein erster Gedanke war wie so oft: Mando Diao. Aber der Schmerz war plötzlich weg. Ich hatte das Gefühl, endlich Frieden mit meiner Vergangenheit schließen zu können. Über einen gemeinsamen Freund besorgte ich mir Samuels Handynummer und schickte ihm eine SMS: „Jetzt können wir das Kriegsbeil begraben. Es wäre toll, dich wieder zu sehen“. Ab dann standen wir wieder in Kontakt, telefonierten viel. Im Frühjahr 2008 traf ich sie dann alle wieder. Und das war erstaunlich locker. Keine Umarmungen, keine geschluchzten Entschuldigungen. Wir redeten zwar über die zurückliegenden Jahre, aber große Gesten blieben aus. Als sie dann bei einem Festival in Borlänge spielten, kam ich für ein paar Songs zu ihnen auf die Bühne. „Peace & Love“ hieß das Festival, wie passend. 2010 erreichte mich dann eine E-Mail vom Management der Band, ob ich ein paar Termine mit Mando im August wahrnehmen könne. Sie würden ein Unplugged-Konzert für MTV aufnehmen und hätten mich gern dabei. Ich habe sofort zugesagt. Ich war echt nervös. Aber das Zusammenspiel mit den Jungs hat gut funktioniert und das nimmt dir als Musiker viel von deiner Aufregung.

Wir arbeiten gerade an einer neuen Platte, obwohl ich kein Bandmitglied bin. Ich weiß nicht, ob die Songs, auf denen ich spiele, veröffentlicht werden. Aber man weiß sowieso nie, was als Nächstes mit Mando Diao passieren wird. Vielleicht sind sie morgen eine Sambatruppe. Das entscheiden Gustaf und Björn. Ich kann nur sagen, dass ich wieder gerne fest dazugehören würde. Es fühlt sich gut an, wir sind alle erwachsener geworden, die Egos sind kleiner als früher. Wenn ich auf mein Leben mit und ohne Mando zurückblicke, dann glaube ich, dass alles genau richtig war. Es war vermutlich gut, dass sie mich hinauswarfen. Wäre ich in der Band geblieben, hätte ich heute statt drei Kindern vielleicht nur eins – und das will ich mir gar nicht erst vorstellen.