Marc Almond


Wenn ich nach Berlin komme, möchte ich etwas Besonderes liefern.“ In der Tat: Almond hat sich für diesen Abend ein außergewöhnliches Ambiente ausgesucht. Nur begleitet vom Pianisten Martin Watkins. reduziert Almond in der Kreuzberger Kirche seine Hits auf das Wesentliche: auf Melodie und Gesang. Daß er deswegen seinen Hang zur Theatralik nicht abgelegt hat. zeigt sich schon beim Einstieg mit .Fun City“, übrigens sein erster selbstverfaßter Song. Bei „Wait Until Tomorrow“ predigt er pathetisch vor dem Altar mit gekreuzigtem Jesus. Er wackelt mit dem Hintern, posiert und preßt seine Hand flehend ans Herz. Er wird zum schwülstigen Grandseigneur, wenn er Songs wie „Torch“, „Kept Boy“ und allem voran den Jacques Brei-Klassiker „It You Go Away“ interpretiert. Marc Almond leidet, bittet, bettelt und lebt förmlich die Verlustängste, die der Text zu vermitteln sucht. Daß ihm bei dem Versuch, einen Song zu pfeifen, selbst im zweiten Anlauf die Luft ausgeht, verzeiht ihm das gerührte Publikum großzügig.

Der privat eher unsichere Almond überrascht auf der Bühne mit charismatischem Overkill. Der 34jährige versteht es souverän, mit aufreizend langen Pausen und gezielter Gestik die Spannung bis zum Äußersten zu steigern. Und wenn er zum Abschluß den Soft Cell-Klassiker „Say Hello, Wave Goodbye“ präsentiert, so gibt ihm das noch einmal die Möglichkeit, voller Leidenschaft alle theatralischen Register seines Repertoires zu ziehen. Er badet förmlich in den Ovationen, wirft sich auf die Knie und verteilt freigiebig Handküsse. Das Publikum fordert minutenlang seine Rückkehr, doch Almonds Gottesdienst ist zu Ende. Im anschließenden Gespräch meint er: „Für mich gibt es nur zwei Orte, die mich als Bühne besonders reizen: entweder eine Kirche oder eine Stripper-Bar.“