Mark Knopfler: Alter Fuchs


Für viele ist er noch immer der Sultan of Swing. Dabei lebt Mark Knopfler (51) längst das Leben nach den Dire Straits. Im Gespräch zeigt er sich humorvoll, gelassen - und wachsam.

London, Nobelstadtteil Notting Hill, ein kleines, schmuckes, aber unauffälliges Backsteingebäude in einer winzigen Seitengasse. Hier, gegenüber vom äußerlich ebenso unscheinbaren Promi-Trainingsstudio, dem Lambden Fitnesscenter, das schon Prinzessin Di frequentierte und in dem heute Robbie Williams Mitglied ist, residiert die Firma Damage Management, die Mark Knopfler und Blue Nile betreut. Mark hat gerade sein zweites Soloalbum, „Sailing To Philadelphia“ (Kritik siehe S. 77) fertiggestellt. Zum Gespräch kommt er auf seiner schwarzen Honda von seiner Villa in Chelsea nach Notting Hill rübergebraust. Mit dem Helm in der Hand stapft er die Stufen zum Interviewzimmer, einer gemütlichen Dachkammer, hoch und bestellt noch schnell und in gespielter Starpose einen Tee bei seinem Manager Ed Bicknell -„Was’n hier los, ich frier mir den Arsch ab, und Tee gibt’s auch nicht“ -, und dann geht er ganz entspannt ans Frage-Antwort-Spiel.

Knopfler hat zwar noch weniger Haare auf dem Kopf, dafür sieht er erholter, viel gesünder aus als bei unserem letzten Treffen vor ein paar Jahren. Wichtiger aber: Er spricht wesentlich schneller und zusammenhängender als früher. Während er noch Ende der 80er Jahre unnatürlich lange Denkpausen einlegte, wirkt der 51-jährige heute sehr konzentriert. Gelegentlich lässt der Mann, der als äußerst medienscheu und schüchtern bekannt ist, sogar knochentrockenen, typisch britischen Humor aufblitzen. Und kleine Fallen im Dialog umgeht der alte Fuchs gelassen und souverän.

Mr. Knopfler, worauf bezieht sich der Titelsong Ihres neuen Albums „Sailing To Philadelphia“?

Auf die Menschen, die zu Pionierzeiten mit dem Schiff nach Amerika segelten. Dazu kam, dass ich die Songs in einer Phase schrieb, als ich oft in Amerika arbeitete. Auf den Flügen dorthin stieg ich meistens in Philadelphia um. Ich segelte also im Jet durch die Luft und guckte runter. Und da waren diese riesigen Dampfer und Brücken und daneben diese ausgedehnte Stadt. Und ich dachte daran, dass noch vor ein paar hundert Jahren die Menschen, die dorthin fuhren, ins Ungewisse reisten. Es kam mir vor, als läge dieser Teil der Geschichte gerade fünf Minuten zurück. Und ich dachte daran, wie nervös die armen Briten gewesen sein müssen, die von ihrer Regierung an die Mason-Dixon-Linie (gilt noch heute als Grenze zwischen den Nord- und Südstaaten der USA / Anmerkung der Redaktion) geschickt wurden, um die Grenzstreitigkeiten zu bereinigen.

Und Sie schlüpfen in die Rolle eines Menschen, der dort rüber geht?

Ich baute diesen jungen Mann, James, in den Song ein. Er steht für Charles Mason, denn ich hatte ein Buch über die Mason-Dixon-Linie gelesen und mich sehr in das Thema vertieft. Außerdem habe ich gern richtige Charaktere in meinen Songs. Die meisten von ihnen verfügen über eine gewisse Beständigkeit.

Das ist Ihnen wichtig?

Ja. Ich finde beständige Menschen anziehend. Ungeduldige, unbeständige Menschen mag ich nicht.

In Ihrem eigenen Leben haben Sie ja nicht immer Beständigkeit bewiesen – immerhin gibt es die Dire Straits nicht mehr, und Sie sind zweimal geschieden.

Mag sein. Aber ich denke, dass ich über eine gewisse Hartnäckigkeit und Willenskraft verfüge.

Auf „Sailing To Philadelphia“ spielen dieselben Musiker wie auf Ihrem Soloalbum „Golden Heart“. Warum haben Sie für die Songs „Silverton Blues“ und „One More Matinee“ zusätzlich Chris Difford und Glenn Tillbrook engagiert?

Weil sie schon bei den ersten Dire Straits-Konzerten in Deptford dabei waren. Silvertown liegt etwas weiter den Fluss runter. Ich verbinde meine Erinnerungen mit Südlondon immer mit den Stimmen von Glenn und Chris. Ich habe aber auch ein paar Songs mit Emmylou Harris aufgenommen.

Und wo sind die?

Sie passten nicht auf dieses Album. Vielleicht nehme ich mehr mit Emmylou auf, und es wird eine eigene Platte.

Wie sind Sie darauf gekommen, Van Morrison für den Song „The Last Laugh“ anzuheuern?

Wir arbeiten ja schon lange zusammen. In den 80er Jahren hatte mich Van nach San Francisco eingeladen. Ich sollte den Song „Cleaning Windows“ – ein Lied über die Straße, in der er geboren wurde – mit ihm aufnehmen. Ich mag den Song sehr, und ich mag Van sehr. Schon seit meiner Teenagerzeit. Er ist für mich wie ein Teil des Mobiliars aus meiner Jugend. Seine Stimme gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit. Ich lasse seine Platten oft zu Hause im Hintergrund laufen. Das fühlt sich an, als wäre ein Freund da. Es war ein echter Thrill für mich, dass er mit mir gesungen hat.

Worum geht es in dem Lied?

Wieder um Beständigkeit. Ich weiß aber leider nicht, was „the last laugh“ auf Deutsch heißt.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Mag sein. Jedenfalls passte es, dass Van diesen Song sang. Weil Van in seinem Leben schon so viele Tiefschläge einstecken mußte. Ich war so froh, als es mit ihm wieder bergauf ging. Ich fühle mich ein bisschen, als müsste ich ihn beschützen. In dem Song geht es darum, dass du harte Zeiten überstanden hast und jetzt weitermachst. Du feierst, dass du noch da bist. Das ist ein Song für Menschen wie Lance Armstrong, der den Krebs besiegt und zweimal die Tour de France gewonnen hat. So was bewundere ich.

Rennen scheinen zu Ihren Hobbies zu gehören.

Ich versuche, mir alle Rennen im Fernsehen anzusehen. Ich selbst fahre auch ab und zu ein Rennen, meistens mit alten Autos. Das ist so ein Jugendding.

Sie müssen doch vor Stolz fast geplatzt sein, als Jacques Villeneuve kürzlich für viel Geld eine Ihrer Gitarren ersteigerte?

Ich wusste ja schon, dass der Mann ein bisschen irre ist, seit ich einige Runden auf dem Kurs im belgischen Spa gefahren bin, wo Villeneuve zuvor ein paar seiner heißesten Rennen hingelegt hatte. Aber als ich erfuhr, dass er diese Gitarre gekauft hat, war mir vollends klar: Der Mann kann nur verrückt sein. Klasse! Ich hoffe, er hat so viel Spaß mit dem Instrument wie ich ihn hatte.

Sie haben zwei Söhne – machen die auch Musik?

Benji spielt Drums in einer Swing Band. Und Joe ist Gitarrist. Er spielt Captain Beefheart, Frank Zappa und Jimi Hendrix nach. Es macht Spaß, den beiden beim Spielen zuzugucken. Sie sind richtig gut. Ich habe gehört, wie kürzlich ein Freund zu Benji sagte: Du bist ein Gott am Schlagzeug, Ben. (lacht)

Angenommen, die beiden wollten Profimusiker werden. Würde Ihnen das was ausmachen?

Das wollen sie natürlich nicht. Joe möchte Profi-Skater werden und Benji ein möglichst guter Mittelstürmer im Team von Newcastle United.

Sind Sie da nicht doch etwas enttäuscht?

Für mich ist das in Ordnung. Meine zweijährige Tochter Isabella aus der jetzigen Ehe singt auch schon immer und rennt dabei durch das ganze Haus. Manchmal lässt sie mich auch mitsingen. Meistens will sie das aber nicht.

War es eine große Umstellung, noch mal ein kleines Kind zu haben?

Kinder sind etwas Tolles. Andererseits nehmen auch die Sorgen zu. Du möchtest, dass sie die besten Liebhaber der Welt erwischen und die besten Fahrer werden. Wenn die Jungs Karate machen, geht es noch. Aber beim Rugby bete ich nur, dass sie sich nicht verletzen.

Ihre dritte Frau, Kitty Aldridge, war Schauspielerin. Was macht sie jetzt?

Sie hat einen Roman geschrieben, der demnächst an ihren Agenten geht. Ich freue mich mit ihr.

Haben Sie ihr geholfen?

Nein, Ich habe einen Heidenrespekt vor dem Job des Schriftstellers. Ich könnte nicht als Dichter arbeiten.

Als Songwriter machen Sie das doch.

Nein, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ich habe mir oft Gedichte angesehen und mich gefragt, ob sie einen Song ergeben könnten. Und die Antwort war immer: nein. Weil in Gedichten Dinge passieren, die nicht in einem Song passieren könnten. Fast jeder kann irgendwie lesen oder schreiben. Aber nicht jeder kann mit Sprache zaubern. Die meisten kriegen mal gerade eben eine Einkaufsliste zustande.

Demnächst erscheint auch ein neuer Soundtrack von Ihnen – worum geht es in dem Film?

„A Shot At Glory“ ist ein Film über Fußball. Ein interessanter, sehr direkter Streifen. Er wird im September beim Filmfestival in Toronto zum ersten Mal aufgeführt. Der Soundtrack kommt also zur selben Zeit raus wie „Sailing To Philadelphia“.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Arbeit zum Soundtrack von „Wag The Dog“?

Ein toller Film. Ich erinnere mich vor allem daran, dass ich eine Woche vorher das Rauchen aufgegeben hatte. Das liegt jetzt drei Jahre zurück. Und seitdem habe ich keine einzige Kippe mehr angerührt. Das ist eines der Dinge in meinem Leben, auf die ich stolz bin. Abgesehen von meinen Kindern. Es geht mir seitdem viel besser. Ich habe dann nach einiger Zeit auch gemerkt, dass ich mit etwas mehr Luft singen konnte. Außerdem mache ich inzwischen regelmäßig Fitnesstraining.

In dem Center da drüben auf der anderen Straßenseite?

Nein. Ich habe einen winzigen Fitnessraum, wie eine Gefängniszelle. Und ich habe eine Frau angeheuert, die ab und zu kommt, um mich zu verprügeln.

Wie bitte?

Eine Trainerin. Sie ist klein, aber extrem stark. Und sie bekommt 20 oder 40 Pfund dafür, dass sie ein paarmal die Woche an die Tür klopft und sagt: Es gibt wieder Prügel. Dann streckt sie mich und verknotet mich, und dann zerrt sie meinen Körper wieder auseinander. Das ist die einzige Art, wie ich es schaffe, mich fitzuhalten. Wenn ich auf mich gestellt wäre, würde ich mich nur vor die Glotze setzen.

Mark Knopfler – vom Saulus zum Paulus, dem Gesundheitsapostel?

Gott bewahre. Ich soll zwar Karotten- und Selleriesaft trinken. Aber so was lasse ich nicht an mich ran. Ich versuche, morgens keinen Toast mehr zu essen.

Was gibt’s stattdessen?

Müsli. Ziemlich blöd, weil ich dann sehen muss, wie die anderen am Tisch in ihren Toast beißen. Das macht mich echt fertig.

Sie können einem ja leid tun.

Stimmt. Genau. Aber eigentlich bin ich ziemlich glücklich.

Selbst Sie haben ja mal frei. Was lesen Sie?

Ich mag historische Romane, beispielsweise die Seefahrerromane aus der Napoleonzeit von Patrick O’Bryan. Ich mag Geschichte. Wenn ich noch mal ein Studium machen könnte, dann würde ich wohl Geschichte wählen. Im Fach Musik könnte ich sowieso keinen akademischen Grad bekommen. Dafür müsste ich Noten lesen können.

Aber Sie besitzen doch den Ehrendoktortitel.

Stimmt. Anscheinend sogar zweimal. Wie sagt man in Deutschland: Doktor Doktor. Es reicht aber, wenn Sie mich einfach Sir nennen.

Wie spricht Sie denn Ihre Frau an?

Mit der gebührenden Hochachtung und Ehrerbietung. Ein Sir reicht normalerweise, (lacht) Apropos Ehrerbietung – es heißt, dass bei einem der letzten Konzerte Ihrer Gruppe Notting Hillbillies Geri Halliwell und Mr. Bean-Darsteller Rowan Atkinson im Publikum auftauchten.

Geri habe ich nicht getroffen. Die ist doch ein Spice Girl, oder? Oder war sie ein Spice Girl? Na ja. Rowan ist gekommen, weil er mein Gast war. Ich habe ihn mal bei einem Autorennen kennengelernt. Ich mag ihn sehr und bewundere ihn. Er ist extrem nett und extrem witzig.

Werden Sie mit Ihrem neuen Repertoire wieder mal auf Tournee gehen?

Ich muss sehen, wie das Album sich verkauft. Tourneen sind was Tolles. Aber nur, wenn alles wie geschmiert läuft. Ich will nicht den Hund zum Jagen tragen müssen.

Sind Sie vor Konzerten noch nervös?

Kaum. Man kann mir mit einer Gitarre nicht wirklich Angst einjagen. Aber gib mir ein Paar Skier – die machen mir Angst. Kennen Sie das Gefühl, wenn sich Ihr Skilehrer in Richtung Tal aus dem Staub macht, und Ihnen bleibt nur übrig hinterherzufahren, weil man Sie sonst mit der Bergwacht abholen müsste. So was macht mir Angst.

Wie stehen Sie zum Thema „Musik im Internet“?

Als die ersten Kassetten rauskamen, hieß es: Das ist das Ende der Schallplatte. Als die Videos kamen, hieß es: Das ist das Ende des Kinos. Als die ersten Kinofilme kamen, unkten alle: Das ist das Ende des Theaters. Und ich bin gestern Abend noch in einem Theaterstück gewesen. Ich glaube, dass sich die Leute zu viel Sorgen über das Internet machen. Das Netz hat auch seine positiven Seiten.

Wie z. B. die rund 50 Seiten über Mark Knopfler?

Wie fürchterlich. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als so etwas lesen zu müssen. Lieber würde ich 100 Seiten über Fußleiden durcharbeiten. (lacht)