Meatloaf, Hamburg, CCH
Er hat ganz schön abgenommen und wirkt im ersten Augenblick fast zögerlich. Sparsame Bewegungen und Beschwörungsgesten, ernste Blicke, aufgeräumtes Stirnrunzeln – was ist los, soll das ein Hardrock-Requiem werden oder wie oder was?
Gemach. Meat Loaf absolviert nur den Pflichtparcours durch ein paar neue Stücke seines Albums BLIND BEFORE I STOP, die das ehemalige Schreckgespenst des Metal-Pops keinen Tropfen Schweiß kosten. Bisher ist es nur der stechende Blick, das beunruhigende Kaugummikauen, das an die Panik erinnert, die er früher ausdünstete. Keine Angst, die man vor ihm oder um ihn haben muß; die Zeiten des ständig-kurz-vor-dem-Kollaps-Stehens sind endgültig vorbei. Gut für ihn, aber so braucht die Show eben länger, bis sie in Gang kommt.
Gottlob hat Meat Loaf bewährte Elemente aus früher Zeit beibehalten: Seine beiden blonden Sängerinnen, die in wechselnden Rollen um ihn herumwirbeln, sind von erster Güte und bieten dem gequälten Monster in all seiner herausgeschrieenen Seelenpein nach Kräften Paroli. Beide sind Rocker-mäßig durchgestylt, mit engen Spray-On-Pants. glitzernden Gürteln und Armreifen. Korsagen und glänzenden Jacken. Natürlich in schwarz, natürlich ausgesprochen geil.
Die beiden tun ihr bestes – und langsam kommt der Fleischkloß ins Schwitzen. Gesanglich stehen sie Carla De Vito. der früheren Meat-Loaf-Gespielin. in nichts nach, ja, manchmal gehen sie noch aggressiver ran und machen ihm in den alten Sachen vom BAT OUT OF HELL-Album schwer zu schaffen: Die perfekte Rock-Soap-Opera. eine cool einstudierte Show der heißen Gefühle rollt ab. man kennt
Der Fixstern und seine Trabanten: Alles dreht sich um den Dicken.
das natürlich alles, aber Meat Loaf ist halt der einzige, der diesen Kitsch so todernst durchzieht, daß man’s einfach lieben muß.
Inzwischen ist auch die Band warmgelaufen, und Ex-Rainbow Chuck Bürgi an den Drums wirft die Frage auf. wieso jemand jemals auf die absurde Idee kommen konnte, so etwas wie Schlagzeug-Maschinen zu erfinden. Man achtet nicht auf den Rhythmus, aber er ist so präsent, daß alles mit ihm steht und fällt. Die Gitarristen Alan Merrill und Bob Kulick passen sich dem an, die Band rotiert um den Fixstern Meat Loaf, den seine beiden Trabanten in Atem halten.
Endlich, jetzt ist es da. dieses triviale Drama, jetzt scheint er sich für ein paar Sekunden zu vergessen, brüllt, greint, wankt… aber keine Angst: Alles nur Spaß. Und dann verrät er ein Geheimnis: „Wenn’s um Mädchen seht, bin ich schüchtern!“ HaHa. Wahrscheinlich stimmt’s sogar.
Ein Quentchen „ehrliche Haut“ braucht man auch für die wildeste, grellste Bühnenshow, und bestimmt ist Meat Loaf deshalb so gesund, weil er seine kleinen Schweinereien so überzeichnet auf der Bühne ausleben kann. Soll er: Einmalig ist er immer noch und soo viele Performer mit Mut zum Seelen-Kitsch mit Psycho-Peitsche und Schicksalstrommeln eibt’s eh nicht.