Melancholische Erben
Zoot Woman: Sie waren Auslöser und Vorreiter der Electroclash-Welle, doch auf ihrem zweiten Album schwimmen sie in einem Ozean der Melancholie. Warum nur? „So ganz klar ist uns das auch nicht.“ Johnny Blake zuckt die Achseln. Der unter Interviewern für notorische Schweigsamkeit gefürchtete Sänger und Cheflyriker holt für seine Verhältnisse weit aus: „Eigentlich gibt es in unserem Leben derzeit wenig Grund zur Traurigkeit. Seit dieser einen Single läuft alles wie am Schnürchen. Aber beim Songwriting bekam dieses Mal vieles irgendwie diese melancholische Note. Und weil die nun schon mal da war, haben wir eben in dieser Richtung weitergemacht.“ Diese eine Single: das war „It’s Automatic“, Zoot Womans Einstieg in die globale Hipster-Aufmerksamkeit und gleichzeitig ihr wohl bester Moment bislang. Seitdem ging es für das Trio stetig bergauf, wenngleich die meiste Zeit auf getrennten Pfaden: Während Johnny und Bruder Adam Blake mit eigens gegründeter Liveband durch die Weltgeschichte tourten, stand Stuart Price auf Soirees und Fashion-Shows in aller Welt hinter den Decks sowie „nebenberuflich“ in Lohn und Brot bei der Trend-Absorbierungsmaschine Madonna, die sich von ihm eine Liveshow auf den Leib schneidern ließ. „Eine tolle Frau, und so wissbegierig“, scherzt Price. Nun sind die drei feschen Superstyler also wieder gemeinsam unterwegs und beglücken ihre Gemeinde mit dem zweiten Album Zoot Woman. Und obendrein mit einer Kulturdiskussion: „Wo ist die gute Popmusik hin?“, fragt Price, eindeutig ein Kind der Achtziger. „Wo sind nur die Talente, die solche Genies wie Thomas Dolby, Nik Kershaw, Howard Jones oder Heaven 17 beerben?“ Implizierte Antwort: hier. Denn natürlich klingen Zoot Woman trotz immanenter Traurigkeit nach den Glanzmomenten naiver Plastik-Schönheit, nach extrafestem Haarspray, Neonröhre und Discokugel, nach diebisch-freudigem Kinderliedgut im Bauche des schnöden Popdämons. Und so frei von verschnarchtem Retro-Getue, dass man sie ganz einfach gern haben muss.
>>> www.zootwoman.cjb.net