Mike Oldfield Interview


Wie am Schnürchen hatte Mike Oldfield "Tubular Beils". "Hergest Ridge" und "Ommadawn" hintereinander produziert, um sich dann eine Kunstpause von drei Jahren zu gönnen. Völlig verändert tauchte er jetzt wieder auf. Im April will er sogar mit Riesenbesetzung auf Tournee gehen. Das neue Doppelalbum, "Incantations", stellten wir bereits im Januar-ME vor. Hier nun ein Interview, das Charlie Schrader führte und das so eindrucksvolle Dialoge wie den folgenden enthielt:

ME: Es geht das Gerücht, du seist verheiratet.

MIKE: Bin ich auch. Ich lasse mich gerade scheiden.

ME: Ich dachte, du hättest erst vor kurzer Zeit geheiratet?

Mike: Ja.

ME: Eine sehr kurze Ehe. Mike: Ja, aber es war schön. ME: Wann hast du geheiratet?

Mike: Im Juni.

ME: Warum läßt du dich scheiden?

Mike: Ich habe keinen Grund.

ME: Seid ihr nicht miteinander klargekommen?

Mike: Doch, es lief phantastisch. Aber wir wollen nicht zusammenleben, also lassen wir uns scheiden.

(Aber nun mal ernsthaft:) ME: Irgendjemand hat mal behauptet „Tubular Bells“, deine erste LP, sei Ausdruck deiner unerfreulichen Kindheit.

Mike: Das trifft nicht ganz den Kern. Es gilt zwar für einen großen Teil meiner Musik. Aber ich kreierte sie in erster Linie als Flucht, als einen Gegensatz zu all den Problemen meiner Kindheit. Das war soetwas wie meine eigene Welt, in der eben alles stimmte. Meine Musik sollte mir ursprünglich aus meiner Situation heraushelfen und ist darum nicht ausschließlich als Ausdruck meiner frustrierenden Jugend zu verstehen.

ME: Wie siehst du nun deine neue LP „Incantations“?

Mike: Teile davon sind völlig unemotional. Sie haben nichts mit so unwichtigen Dingen wie Glücklichsein oder Traurigsein zu tun. Ebensowenig mit Durchhängen oder Frustrationen. Die meisten Leute wollen ja soetwas. Ich will Musik machen, die darüber hinausgeht. Damit muß man die Barrieren überwinden.

ME: Was meinst du mit Musik, die darüber hinausgeht?

Mike: Die Form dich selbst völlig, ohne Emotionen, auszudrücken.

ME: Aber beinhaltet dies nicht zwangsläufig irgendwelche Gefühle?

Mike: Nein.

ME: Ich kann mir nicht vorstellen, daß man ohne jedes Gefühl Musik schreiben kann, in der man sich wiederfindet.

Mike: Ich sage dir, daß ich es kann!

ME: Du sagst das zwar alles, aber „Incantations“ erweitert dein musikalisches Repertoire nicht unbedingt. Es gibt nichts an dieser LP, daß nicht schon einmal auf deinen drei vorhergehenden Alben aufgetaucht ist.

Mike: Doch! Der Einstieg mit der Flöte und das Vibraphone auf Seite vier…

ME: Was hattest du vor, als du an „Incantations“ gearbeitet hast?

Mike: Ich stellte mir Muiik vor, die die Menschen – sofern sie bereit sind – vercaubert und ihnen eine Menge gibt. Und zwar nicht, indem sie sie mit einem Haufen Zeug überhäuft, damit sie sich Desser fühlen. Sie soll nur bewirken, daß sie wieder sie ielbst werden. Ich habe mich in den betroffenen Passagen so gegeben und die Menschen haben im allgemeinen einen starken Widerstand dagegen aufgebaut. Es ist ihnen überlassen, ob sie darauf eingehen oder nicht. Das war jedenfalls meine Absicht und daher auch der Name: „Incantations“ -Zauberformeln.

ME: Deine früheren Alben schienen ziemlich nahtlos ineinanderüberzugehen. Hier nun ist der Absatz ziemlich auffällig.

Mike: Diesmal habe ich nicht soviel Wert daraufgelegt, fließende Übergänge zu schaffen. Das ist eine rein technische Angelegenheit und ich habe bewiesen, daß ich das kann. Jetzt habe ich darauf geachtet, daß jeder Abschnitt eigenständig für sich selbst spricht.

ME: Wirst du bei deinen Konzerten das Material verändern?

Mike: Die Alben dienen als Skizze, als Blaupause. Die ganze Sache soll von Anfang an live durchgespielt werden. Darum gehe ich auf Tournee: ich will diese Musik dem Publikum direkt vorspielen. In einem Stück, ohne Pause, und es wird schön sein.

ME: Wer ist bei den Konzerten dabei?

Mike: Ich habe noch nicht alle Musiker zusammen, aber auf jeden Fall wird Pierre Moerlin dabei sein. Und weiter: fünf Perkussionisten, 16 Streicher, ein 16 Mann starker Chor, vier Musiker mit elektrisch verstärkten Instrumenten, ich, zwei Flöten und zwei Trompeten.

ME: Man hat dich verschiedene Male schon mit klassischen Komponisten verglichen, mit Sibelius und Delius zum Beispiel. Stimmst du damit überein?

Mike: Und ob. Ich bin ein Genie.