Kritik

Miniserie „The Plot Against America” auf Sky: Faschismus aus dem Weißen Haus


Nein, die Rede ist nicht von Donald Trump… oder doch? Die neue HBO-Miniserie erzählt von der Wahl eines fanatischen Nationalisten zum US-Präsidenten zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges – nicht ohne Verweise ins Jetzt.

Es ist das Jahr 1940, in Europa tobt der Zweite Weltkrieg und in den USA stehen Wahlen an. Der amtierende Präsident Franklin D. Roosevelt sieht sich einem Polit-Neuling gegenüber, der für die Republikaner ins Rennen geht: Charles Lindbergh, ein Ausnahme-Pilot, der für seine Leistungen als Held gefeiert wird. Er war der Erste, der den Atlantik im Alleingang ganz ohne Stopps überquerte. Gleichzeitig sympathisiert er mit dem Nationalsozialismus, wird von Göring hofiert, hegt antisemitische Ressentiments und spricht sich entsprechend gegen eine amerikanische Kriegsbeteiligung aus.

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So weit, so wahr: Lindbergh gab es wirklich, ebenso echt ist seine Verehrung als Pilot der US-Luftwaffe und seine überaus zweifelhafte Gesinnung. Während er in der Realität jedoch nie um das Präsidentenamt kandidierte, geht er in „The Plot Against America“ siegreich aus der Wahl hervor, was das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis ins Mark erschüttern soll. Erzählt aus Sicht der jüdischen Familie Levin aus Newark, New Jersey, erleben wir, wie es plötzlich zu seinem folgenschweren Aufstieg kommt und wie gravierend er die Gesellschaft verändert. Als Zuschauer*in macht sich bei diesem Setting schnell Unbehagen breit, ganz unwillkürlich fühlt man sich an aktuelle Geschehnisse erinnert.

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Das Buch ist als Alternativgeschichte angelegt, die Miniserie hingegen eine politische Allegorie am Puls der Zeit

Dabei war das gleichnamige Buch, auf dem die sechsteilige Miniserie der „The Wire“-Schöpfer David Simon und Ed Burns basiert, nie als politische Allegorie gedacht. Kein Wunder, denn bei seinem Erscheinen im Jahr 2004, war eine Präsidentschaft des Immobilienmoguls Donald Trump völlig unvorstellbar. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2018 jedoch, spricht Autor Philip Roth in der „New York Times“ von frappierenden Parallelen: Genau wie im Roman, säße mit Trump ein Demagoge im Oval Office. Nationalismus und Isolationismus nähmen in den USA seither ebenso zu, wie bewusst gestreute falsche Narrative, die Fremdenfeindlichkeit schürten und die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft vorantreiben würden.

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Ganz ähnlich äußert sich aktuell Drehbuchautor Simon im „National Public Radio“: Noch 2013, Barack Obama war gerade in seine zweite Amtszeit gestartet, lehnte er das Projekt einer Verfilmung des Stoffes ab. Er war sich sicher, dass das Land in eine komplett andere Richtung steuere, immer inklusiver werde und viel weniger anfällig für Hetze geworden sei. Ein Szenario, in dem plötzlich jemand auftauchen und erfolgreich mit Angst vor Minderheiten spielen könnte, sei schlicht zu unglaubwürdig. Drei Jahre später muss er einsehen, einem Irrtum aufgesessen zu sein und geht erneut auf HBO zu. Nun mit der Aussicht auf die Adaption eines Stoffes, der plötzlich ganz am Puls der Zeit liegt.

Die Mitglieder der Familie Levin werden zu Metaphern für unterschiedliche Umgangsweisen mit Trump

Um die Reaktionen auf den heraufziehenden Faschismus aus möglichst vielen Perspektiven nachzuzeichnen, haben sich Burns und Simon dazu entschieden, dem Handeln jedes einzelnen Mitglieds der mittelständischen Familie mehr Raum einzugestehen, als das im Buch der Fall ist. Das lässt die Story – auch dank der durchweg herausragenden schauspielerischen Leistungen der Darsteller*innen – insgesamt lebendiger wirken. Gleichzeitig sorgt die langwierige Einführung in das Beziehungsgeflecht allerdings für erzählerische Durststrecken. Auch ansonsten wird schnell klar, dass die Miniserie stärker auf politische Botschaften, als auf ausgefeilte Kunstgriffe setzt.

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Mit wem haben wir es also zu tun? Neben der eigentlich unpolitischen Mutter Elisabeth (Zoe Kazan) und Vater Herman (Morgan Spector), besteht die Kernfamilie aus dem ängstlichen Sohn Philip (Azhy Robertson) und dessen älteren Bruder Sandy (Caleb Malis), der sich schnell vom Charme des neuen Präsidenten um den Finger wickeln lässt. Auch ihr heranwachsender Cousin Alvin (Anthony Boyle) lebt mit im Haus. Nach der Wahl fällt seine Reaktion am drastischsten aus: Er meldet sich bei der Armee, um auf Umwegen gegen Nazideutschland und damit auch indirekt gegen Lindbergh anzukämpfen. Das Verhalten des Vaters Herman, der die Kandidatur Lindberghs (Ben Cole) nicht richtig ernst nimmt, ist es aber, das den Bezug ins Jetzt besonders deutlich macht. Schließlich handele es ich nur um einen „Piloten mit einer Meinung“, dem jede Erfahrung in der Politik fehle. Nicht einmal die Republikaner seien blöd genug, um ihn ins Rennen zu schicken. Er belächelt seine Ambitionen, ganz ähnlich wie die Weltöffentlichkeit zunächst über Trump spottete.

Evelyn (Winona Ryder), Elisabeths Schwester, wiederum, wittert in der Situation des Umbruchs die Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg. Sie geht eine Beziehung mit Rabbi Lionel Bengelsdorf (John Turturro) ein, der beste Beziehungen zu Lindbergh unterhält und dessen Absichten schlicht unterschätzt. Gemeinsam werden sie zu einem willkommenen Alibi für seine Kandidatur: Indem sie sich als Juden wohlwollend zu ihm äußern, nehmen sie der Kritik an seinem Antisemitismus den Wind aus den Segeln. Gleichsam nehmen sie so der Mehrheitsbevölkerung jedes schlechte Gewissen, ihn zu wählen. Auch das kommt einem bekannt vor – schließlich betont Trump gerne die Unterstützung aus der hispanischen und afroamerikanischen Bevölkerung, während er Stimmung gegen sie macht.

„America Firsters“ lassen ihren Ressentiments freien Lauf

Die Miniserie beleuchtet nicht nur die aufkeimenden Konflikte innerhalb der Familie und deren unterschiedliche Reaktion auf Lindbergh, sondern auch wie sich die Gesellschaft um sie herum verändert. Wie Ressentiments und Hass auf Minderheiten durch die neue Administration allmählich wieder salonfähig werden und schließlich in Vandalismus und Gewalt umschlagen. Wenn es um die Radikalität des Umschwungs geht, überholt die Fiktion die Realität am deutlichsten: Politische Maßnahmen, wie das „Just Folks“-Programm, in dessen Rahmen jüdische Jugendliche ins konservative Heartland geschickt werden, um sich „besonders intensiv mit den Werten Amerikas auseinanderzusetzen“, orientieren sich dann doch eher an der historischen Vorlage nationalsozialistischer Umerziehungsmethoden, wie der Hitlerjugend.

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Obwohl „The Plot Against America” letztlich auf eine Alternativgeschichte zurückgeht, lässt sich die Miniserie nicht daran hindern, pünktlich zu den Präsidentschaftswahlen vor der Gewöhnung an die konstante Ausweitung des Sagbaren zu warnen. Da die Anhängerschaft des Präsidenten, in der Serie übrigens mehrmals als „America Firsters“ bezeichnet, wiederum nicht nur aus eingefleischten Rassist*innen zusammensetzt, sondern viel mehr aus der Mitte der Bevölkerung stammt, verweist sie stellenweise nicht nur auf ein Amerika unter Trump, sondern die Wiederauferstehung des Populismus auf der ganzen Welt.

Die Miniserie „The Plot Against America“ ist ab 17. März 2020 im Original auf Sky verfügbar. Die deutsche Fassung folgt dann am 13. Mai.