Reportage

Mit Golf beim Reeperbahn Festival 2016: „’Ruf‘ mich auf mei’m iPhone an‘ – das ist doch doof“


Golf aus Köln haben eines der spannendsten deutschsprachigen Alben des Jahres veröffentlicht. Kein Grund sich nicht dennoch beim Reeperbahn Festival dem kritischen Fachpublikum zu stellen. Wir waren ein Tag mit dem Quartett unterwegs und haben unter anderem das Trendgetränk des nächsten Sommers kreiert.

Punkt 16:30 Uhr. Wir stehen vor dem ehemaligen Luftschutzbunker am Heiligengeistfeld und warten auf Golf. Gleich soll hier, im fünften Stock, der Soundcheck für die Show heute Abend über die Bühne gehen. Ein Familienauto fährt die Einfahrt hoch, Wolfgang springt als erster aus dem Wagen: „Ich hab‘ echt Bock auf den Gig!“ Die Tourmanagerin, die mit den Jungs unterwegs ist, ermahnt sie zum auspacken. Es soll nicht getrödelt werden.

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Hinauf geht es mit dem Lastenaufzug, so zumindest lautet der Plan. Nur schade, dass L.A. Salami (ja, der heißt wirklich so), der den Abend bereits um 18 Uhr eröffnen soll, zu spät dran war und jetzt mit seiner Entourage den einzigen Weg nach oben versperrt. Macht ja nix, Golf sind die Ruhe selbst. Es wird sich in Ecken gelungert und über das abendliche Set gesprochen. Die Band plant eine Weltpremiere: Sie möchte Roosevelts Remixs ihres Songs „Zeit zu Zweit“ live aufführen. „Bin echt gespannt, ob das klappt“, gibt Nils zu bedenken. Die anderen beschwichtigen: „Klar wird das laufen.“ In der Zwischenzeit ist auch der Aufzug frei geworden. Das überschaubare Equipment wird eingeräumt und nach oben gefahren.

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Im Terrace Hill angekommen, ist erst einmal wieder Warten angesagt. Erneut heißt der Grund L.A. Salami. Aufgrund seiner Verspätung raubt er Golf ihren Soundcheck-Slot und die Band geht erst einmal den wirklich wichtigen Dingen nach: sich ins W-Lan einloggen, Snapchat öffnen. „Mein Snapchat-Account geht ganz klar auf Masse“, sagt André und teilt zum Beweis direkt ein Foto des Reporters mit einem komischen Fisch-Filter in seiner Story. „Mir ist gestern Nacht auch eine super Idee für ein TV-Format gekommen: Snappen, dass…?! Ich glaube, die Show erklärt sich von selbst“, erzählt André, während er den Blick nicht von seinem Smartphone nimmt. In solchen Momenten merkt man, dass Golf keine abgehobenen Künstler, sondern eben nur junge Typen mit Lust auf Blödeleien sind.

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Diese These wird unterstrichen, als die Band unseren Fotografen Max fragt, ob er nicht „so Klischee-Frontmann-Rockband-Fotos“ von ihnen machen kann. „Du weißt schon, wo der Sänger im Fokus ist und die Band nur verschwommen im Hintergrund“, erklärt Wolfgang hastig und schmeißt sich mit Nils und Jonathan grinsend in Pose. Ein herrlicher Spaß, der durch die emsige Stagemanagerin des Clubs unterbrochen wird. Es wird Zeit für den Soundcheck.

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Der läuft routiniert und, trotz der Hetzerei des Soundtechnikers, ohne größere Hektik ab. André findet sogar noch Zeit einen kleinen Drink zu mixen. „Rhababier?“, fragt er und hält mir einen Plastikbecher vor die Nase. „Hab Bier mit Rhababerschorle gemischt. Kein Plan, wie das schmeckt.“ Ich probiere und bin positiv überrascht: „Verdammt, das schmeckt wirklich gut!“ „Oh, echt?“, zeigt sich André verblüfft und nimmt direkt auch einen Schluck. „Mhh, hast Recht. Ich sag dir: Das wird nächsten Sommer Gösser-Radler als Trendgetränk ablösen“, sagt er und entert mit einer triumphierenden Armbewegung die Bühne.

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Ein letzter Song wird angespielt, bevor der gestresst wirkende Tontechniker die Band entlässt. Der fällt jetzt jedoch etwas Schreckliches ein: Durch den verspäteten Soundcheck verpassen sie die Zaubershow von Siegfried & Joy. Wenigstens bleibt nach dem Essen noch kurz Zeit um bei „Trap Gaylord“ Juicy Gay vorbeizuschauen. Die Band könnten mit ihren Werbegeschenk-Käppis selbst eine Cloud-Rap-Combo starten.

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Kurz nach 22 Uhr: In einer guten halben Stunde ist Stagetime, Golf jedoch noch längst nicht im Konzertmodus. Die Band lungert verstreut auf der namensgebenden Terrasse des Clubs herum und unterhält sich mit den zahlreichen bekannten Gesichtern. Unter uns spielt zu diesem Zeitpunkt Drangsal, den die Band beim Essen getroffen hat. Vielleicht ist es auch seinem Versprechen, sein Publikum auf die Golf-Show aufmerksam zu machen, geschuldet, dass sich der Club nach dem Opener „Ping Pong“ rasant füllt. Wo kurz vor Beginn nur ein gutes Dutzend verloren wirkender Seelen herumstand, heizt die Wärme der über 200 in kürzester Zeit aufgekreuzten Leibern den Raum auf.

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Das Konzert ist ein voller Erfolg. Das Publikum tanzt, jubelt und macht Selfies vor der Bühnenkante, und sogar der „Zeit zu Zweit“-Remix feiert eine fehlerfreie Premiere. Aus der vormals zutiefst traurigen Downtempo-Nummer wird ein groovender Synthie-Pop-Hit, bei dem die herzzerreißende Zeile „Du bist mir egal/bis ich es dir bin“ auch gerne überhört werden darf.

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Zeit zum Begießen bleibt jedoch nicht, auch wenn die Band es versucht. Die Stagemanagerin steht wieder auf der Matte: „Ihr müsst den Raum neben der Bühne frei machen“, diktiert sie Wolfgang, Nils und Jonathan, die noch völlig in den Seilen hängen. André bleibt beim Merchstand und füllt die GEMA-Liste aus, während seine Kollegen den Wagen beladen. „Ich hasse alles am Musikmachen – außer dem Musikmachen“, sagt er sichtlich angefressen vom Bürokratie-Slalom. Noch dazu verkauft die Band am heutigen Abend nicht eine lausige LP. Wolfgang weiß ganz genau warum: „Die 25 Euro, die wir für die Doppel-LP verlangen, sind halt einfach einen Fünfer zu viel. Für ’nen Zwanni nimmst du so ’ne Platte auch einfach mal mit, wenn das Konzert geil war. Aber da können wir nix machen, wird uns so vorgegeben.“ Schulternzucken beim älteren Herren, der die Platte in den Händen hält und sie, wie schon einige vor ihm, wieder auf den Tisch legt. „War aber dennoch ein super Konzert, Jungs! Macht weiter so.“ Nette Worte. Geld in die Kasse spülen die aber auch nicht.

„Ich hasse alles am Musikmachen – außer dem Musikmachen“

Geld wird gleich unweigerlich auch die Wahl des Band-Boliden kosten. Zwar haben Golf eine „Parking Permission“ für den Festival-Parkplatz erhalten; mit ihrem PKW dürfen sie dort dennoch nicht parken. „Was ist das denn für eine Logik?“, fragt Wolfgang die Stagemanagerin. Die erklärt der Band, dass sie da nichts machen könne, aber sie den Wagen einfach hier auf dem Parkplatz stehen lassen können. „Wird euch nur circa 20 Euro morgen kosten.“ „Scheiß drauf“, ruft Wolfgang, „dann zahlen wir morgen halt. Jetzt lasst uns feiern!“

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Unten vor dem Venue wird die weitere Abendgestaltung geplant. Es soll ins Molotow gehen, mit Zwischenstopp „in dieser Bar, wo es Caipirinha für 2,44 Euro gibt.“ Klingt nach einem Plan. Wolfgang zieht die letzten aus dem Backstage geschmuggelten Biere aus seiner Westentasche und es wird sich in Gang gesetzt. Die Jungs freuen sich über ihren gelungenen Auftritt und die positiven Reaktionen des Publikums, einzig Nils hat noch etwas zu meckern: „Was hat der Tontechniker da eigentlich für einen Scheiß gebaut? Auf einmal hatte ich nur noch Schlagzeug auf dem Monitor, dann überhaupt nichts mehr, dann den Bass viel zu laut.“ Kurzes betretenes Schweigen, dann setzt irgendjemand zu einem Fußball-Fangesang ein und die Laune ist gerettet.

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Die Gespräche auf dem Weg zur Caipi-Bar drehen sich um Musik, Fußball und Frauen – Themen, über die sich junge Männer eben gerne unterhalten. Es wird viel geflachst, Wolfgang fragt, wie dieser Abend bitte noch mit journalistischer Distanz vereinbart werden kann. Er hat Recht. Die Arbeit ist getan, das Vergnügen kann beginnen. Mit Caipi für 2,44 Euro und dem besten Indie-Rock-Hits der 2000er.

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Max Hartmann
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