Mit ihrem dritten Album wollen die Walliser Folkpunks Glen Of Guinness in Irland debütieren


Als die ersten Punks müde wurden ob der musikalischen Beschränktheit des Genres, entdeckten einige von ihnen den Folk. In der traditionellen Musik fanden sie nicht nur kulturelle Wurzeln, sondern auch eine aufrichtige Romantik, die der Punk schmerzlich vermissen ließ. Wichtigster Bezugspunkt war natürlich die rebellische Attitüde, die vielen Folksongs von Natur aus eigen ist. Eine eigenständige Szene entstand, in England angeführt von den Pogues, in Frankreich von den Negresses Vertes. Als der begnadete Songschreiber Shane McGowan aufgrund fortwährender Alkohol- und Drogenprobleme den Pogues den Rücken kehren mußte, und sich der charismatische Negresses-Sänger Helno eine tödliche Überdosis verpaßte, starb damit auch der Folkpunk. In Erinnerung blieben vor allem die ausgelassenen Parties,die beiden besseren Konzerten dieser Bands in ekstatische Massenpogos ausarteten. So erstaunt es nicht, daß die Walliser Band Clen Of Guinness zuerst eigentlich nur für einen ausgelassenen Silvesterabend in Martigny gegründet wurde-man spielte stilecht einige Songs der Pogues.

Mittlerweile gehört Glen Of Guinness zu den beliebtesten Live-Acts der Westschweiz. Im Welschland verkauft die Band locker einige tausend CDs, während die Deutschschweiz bis jetzt kaum Notiz von den Wallisern genommen hat. „In der Welschschweiz haben wir sehr häufig gespielt“, erklärt Flötist Patrick Cassoli, „in der Deutschschweiz ist es für uns hingegen schwierig, neue Kontakte zu schließen. Aber es ist unser Ziel, aus der Welschschweiz und sogar aus der Schweiz herauszukommen.“ Sänger Bertrand Gaillard nennt weitere Details-, „Wir wollen nächstes Jahr auch im Ausland spielen und planen sogar einen Aufenthalt in Irland. Uns geht es nicht darum, wie irische Musiker zu sein. Wir mögen einfach die dortige Atmosphäre. Natürlich hat mich mein Aufenthalt in Irland inspiriert. Ich habe einige wirklich üble Dinge gesehen, als ich in Belfast war, aber ich weiß nicht, wie wichtig Irland für den Rest der Band ist. Ich glaube, das bei weitem Wichtigste ist es, unserer Musik einen joyful spirit‘ zu geben.“ Unter diesen Umständen erstaunt auch die Beharrlichkeit nicht mehr, mit der die Walliser am irischen Sound festhalten. Schließlich gelten auch sie als feierfreudig.

Das neue Album „Gossip“, vom Arno-Produzenten Mike Butcher betreut, wird umschlossen von den Songs „Mother“ und „Father“. Dazu erklärt Bertrand Gaillard:“Wir wollten von Anfang an ein Konzept für das Album, eine Art Tagebuch. Mit ‚Mother‘ und ‚Father‘, zwei gleichen Songs, die sich nur im Tempo voneinander unterscheiden, steckten wir einen Rahmen ab.“ Zwischen diesen beiden Polen wechseln sich Traditionais und Eigenkompositionen ab. Die Songs erzählen mitunter wilde Geschichten, sie handeln von der Hoffnung und der Suche nach einem besseren Land, von alten Frauen, die Geschichten erzählen und von sonderbaren Alpträumen. Vor allem aber zeichnen sich auf dem neuen Album wesentlich deutlichere Konturen ab. Keine Frage, die Band hat eindeutig an Profil gewonnen.

Es sind die drei französisch gesungenen Songs, die Glen Of Guinness davon abbringen, auf einem zwar hohen Niveau, aber letztendlich doch erfolglos den bekannten Vorbildern nachzueifern. „Ein Song wie ‚Y’a toujours du soleil‘ ist musikalisch beeinflußt von den Negresses Vertes, aber ich denke, die Sprache hatte den weitaus größeren Einfluß“, meint Bertrand Gaillard. „Ich habe den anderen gesagt ‚Wenn ich den Song auf Französisch singen muß, dann müßt ihr ihn euch auch französisch gesungen vorstellen‘. Ich glaube schon, daß derartige Stücke anders sind, aber auch sie funktionieren letztendlich irgendwie“.

Die wichtigen Folkpunk-Aspekte Romantik, Rebellion und Lebensfreude haben Glen Of Guinness mittlerweile längst gefunden. Nun ist es allerdings an der Zeit, daß die Band auch ihre eigenen Wurzeln noch deutlicher freilegt. Es reicht nun mal nicht, nur eine fremde Identität überzustreifen. Das neue Album „Gossip“ indes trägt dieser Notwendigkeit Rechnung und weist den Weg in die richtige Richtung.