Mitch Ryder & The Detroit Wheels
Wenn Bruce Springsteen jemals die Zukunft des Rock ’n’Roll gewesen soll, wie sollte man dann Billy La-Vere alias Mitch Ryder bezeichnen? Geht man von Springsteen letztem Album und Ryder’s kürzlicher BRD-Tournee aus, dann liegt die Zukunft im Mittelalter und Ryder visiert spielend die achtziger Jahre an.
Ryder’s Detroit Wheels, die in völlig anderer Besetzung ja schon 1966/67 etliche US-Hits verbuchten, wären in Köln identisch mit der Rockpalast-Besetzung: Wilson Owens (dr), Mark Gougeon (bg), Rick Schein (g), Joe Gute (g) und Bill Csemits (keys). Und meines Erachtens fordert diese Band, die sich exzellent verbessert hat, lediglich einen Vergleich heraus: Mit Lou Reed’s Band von vor sechs Jahren – mit Steve Hunter und Dick Wagner an den Gitarren und der Rhythmus-Sektion Pentti Glan/Prakash John. Beide Bands klangen, bzw. klingen gleich scharf, schneidend und wuchtig. Interessant am Rande ist, daß Ryder 1971 einmal in einer Gruppe namens Detroit sang, in der Steve Hunter Gitarre zupfte… Jedenfalls: Mitch Ryder ist ein begnadeter Sänger, ein Schreihals mit Stil, wie „The Encyclopedia Of Rock“ lobend vermerkte. Für mich ein kleines Schlüsselerlebnis im Konzert: Man hört einen irrwitzigen, langanhaltenden Ton im Sinne von Feedback zum Quadrat. Und während ich verwirrt herauszufinden suche, welcher der beiden Gitarristen nun diesen Ton fabriziert… niemand! Mitch Ryder hat gerade zu einem extremen Kehlkopf-Test angesetzt…
Der Mann singt göttlich, das macht ihm allenfalls Ian Gillan (in Höchstform) nach. Und da Ryder in Köln zwar einige bissige Bemerkungen vom Stapel ließ, ansonsten aber weder besoffen noch aggressivsarkastisch wie in der Rockpalast-Nacht war, mußte das Konzert prächtig werden – bei der Band und bei dem Sänger. Kurz, eines der besten, das ich in den vergangenen drei Jahren gesehen habe. Ryder sang nur einen seiner alten Hits, nämlich „Devil With A Blue Dress On/Good Golly Miss Molly“, im übrigen jedoch Nummern seiner beiden Alben NAKED BUT NOT DEAD und HOW I SPENT MY VACATION, die vom offenbar informierten Publikum teilweise frenetisch gefeiert wurden. Daß der textlich wie musikalisch exquisite Song „Ain’t Nobody White“ zum Höhepunkt geriet, verwundete kaum: Er ist quasi Inbegriff von Ryder’s meist negativen Erfahrungen mit dem Showgeschäft und seiner eigenen Karriere. Schade bloß, daß für laue Schwermetaller wie AC/DC oder Iron Maiden Großhallen gebucht werden, weitaus härtere und direktere Bands wie Ryder & The Detroit Wheels sich aber mit Stadthallen für 800 Leute zufrieden geben müssen!